Das Restaurant zur Brücke erstrahlt in neuem Glanz – und erhält dank der Renovation einen starken Bezug zur Industriegeschichte in Vogelsang.
Turgi und damit auch das Gebiet Vogelsang direkt an der Limmat haben eine blühende Industriegeschichte. Die Metallwarenfabrik Straub-Egloff, in der Region als die alte «Blechi» bekannt, war eine der ersten grossen Fabriken in der Schweiz.
Ebenfalls aus dieser Blütezeit stammt die BAG Turgi, die in der Hochkonjunktur der 1960er-Jahre knapp 650 Arbeiter und Angestellte hatte. Das Restaurant zur Brücke war lange die Kantine für die Arbeiter und ein Treffpunkt für die Einheimischen. Zwei weitere Restaurants bestanden im Ort.
Die Straub-Egloff produziert heute nichts mehr, geblieben sind aber die zahlreichen Bauten aus jener Zeit. Aus der einst blühenden Metallwarenfabrik wurde eine Immobiliengesellschaft. Ihr gehört auch das Restaurant zur Brücke. Weil es in letzter Zeit nicht rund lief und die letzten Pächter die Segel streichen mussten, stand die Zukunft in den Sternen. «Wir haben uns auch eine Schliessung und eine alternative Nutzung des Areals überlegt», gibt Adrian Schatzmann von der Straub-Egloff offen zu. Doch eine glückliche Fügung brachte Carlo Lo Ponte ins Spiel.
Der bald 31-Jährige kam vor mehreren Jahren in die Schweiz – und blieb länger als gedacht. «Geplant waren eigentlich nur zwei Wochen Ferien», meint er lachend. Unterdessen hat er die deutsche Sprache gelernt und sich kontinuierlich weitergebildet. Nach dem Wirtepatent kam die Handelsschule. Kürzlich hat er die Ausbildung zum Betriebswirtschafter abgeschlossen.
Koch oder Restaurantbetreiber war er nie, trotzdem hat er einen engen Bezug zur italienischen Küche und viel Ahnung von Gastronomie: In der süditalienischen Region Basilicata führte er während vieler Jahre eine Teigwarenfabrik. Und in seiner Anfangszeit in der Schweiz hat er in einem Restaurant und in einer Bar gearbeitet.
Im November 2020, mitten in der Pandemie, hat Carlo Lo Ponte die Verträge mit der Straub-Egloff unterzeichnet. «Für uns war es von grosser Wichtigkeit, dass das Restaurant bestehen bleibt. Das gehört zu Vogelsang, zum Quartier wie das Wasserschloss», betont Schatzmann. «Wir sind sehr glücklich, dass wir die Familie Lo Ponte als Pächter gefunden haben», ist der Finanzexperte sichtlich erleichtert.
Nur loslegen konnte Lo Ponte – wie alle anderen Gastronomen – noch nicht. Aber statt zu jammern, legte er viel Herzblut und Energie in sein neues Projekt. «Natürlich hatte ich Respekt vor dieser Situation», gibt er in gepflegtem Deutsch zu. «Aber ich wollte die Zeit nutzen und das Restaurant renovieren.» Gesagt – getan.
Das hat auch die Eigentümer mächtig beeindruckt. «Er hat in der schwierigsten Zeit angepackt und an die Chance geglaubt», betont Schatzmann. «Persönlichkeit und Eigeninitiative machen den Unterschied», unterstreicht der Sohn des langjährigen BAG-Direktors Dr. Jürg Schatzmann. Die Eigentümer der Straub-Egloff AG waren so beeindruckt, dass sich diese an den Kosten beteiligte.
Herausgekommen ist ein wahres Bijou – mit viel Bezug zur Industriegeschichte der Region. Gleich beim Eingang hängt eine alte Flugaufnahme von Vogelsang aus dem Jahr 1931:
Auch hier hat Lo Ponte gleich einen Bezug. «Das Geburtsjahr meines Grossvaters», meint er grinsend. Innen ist es neu, hell und einladend. Nur die Lampen sind sehr alt, aber wunderschön: Es sind alte Lampen der BAG, die wenige hundert Meter Luftlinie entfernt produziert wurden.
«Denen müssen wir Sorge tragen, es gibt sie nicht mehr», betont der neue Pächter. «Wir müssen die Geschichte respektieren. Wir können nicht einfach 70 Jahre Geschichte wegwischen», ergänzt er. Deshalb wurden die alten BAG-Lampen sorgsam restauriert.
Weil Lo Ponte immer noch seinem Vollzeitjob als Product Manager nachgeht, hat er seine Schwester Angela in Süditalien angerufen – jetzt führt die Betriebswirtschafterin den Laden. «Ich wollte etwas Neues ausprobieren», meinte sie strahlend. Hauptsächlich kam sie, um eine neue Sprache zu lernen. Das klappt schon recht gut.
Der neue Pächter hofft, dass sein Angebot mit vielen Produkten aus der Region gut ankommt. Einen Grund zum Feiern hat er sowieso: Nächste Woche wird er heiraten.