Birmenstorf
Volk zwingt Gemeinderat höheren Steuerfuss auf: «Wir haben uns natürlich trotzdem gefreut»

Die Birmenstorfer haben den Steuerfuss um 4 auf 98 Prozent erhöht – entgegen des Gemeinderatsvorschlags. Frau Gemeindeammann Marianne Stänz erklärt, wie es dazu kam.

David Rutschmann
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Marianne Stänz: «Wir haben keine Angst, dass die SVP das Referendum ergreift.»

Marianne Stänz: «Wir haben keine Angst, dass die SVP das Referendum ergreift.»

Archivbild: Tobias Hänni (2016) Bild: AZ Archiv/Colin Frei

Die Bevölkerung von Birmenstorf hat an der Einwohnergemeindeversammlung vergangene Woche eine Steuerfusserhöhung von 94 auf 98 Prozent beschlossen. Notabene, obwohl der Gemeinderat einen gleichbleibenden Steuerfuss vorgeschlagen hat.

Frau Gemeindeammann Marianne Stänz (CVP) erzählt im Interview, was dazu geführt hat und warum Birmenstorf sich in den nächsten Jahren mehr dem Schuldenabbau widmen muss.

Frau Stänz, die Bevölkerung hat an der Gmeind dem Budgetvorschlag des Gemeinderats widersprochen und den Steuerfuss erhöht. Waren Sie überrascht?

Marianne Stänz: Ich habe das ehrlicherweise kommen sehen, als die Sparmassnahmen, die wir vorgeschlagen haben, abgelehnt wurden. Selbstverständlich haben wir uns trotzdem gefreut, denn ein um vier Prozentpunkte höherer Steuerfuss ist für die finanzielle Lage der Gemeinde sicher von Vorteil – das Budget 2021 wird jetzt vermutlich auf eine schwarze Null hinauslaufen.

Wie steht Birmenstorf denn finanziell da?

Im kantonalen Vergleich sicher sehr gut, immerhin liegt der Steuerfuss weiterhin unter 100 Prozent. Auch sonst haben wir viele gute Steuerzahler und keine überdurchschnittlichen Kosten. Aber: Die Gemeinde hat Schulden, im Moment liegen die noch bei weniger als 1000 Franken pro Einwohner. Wenn der Schulhausneubau abgerechnet ist, werden die Schulden auf rund 2500 Franken pro Person steigen. Ab diesem Wert schaut der Kanton jeweils genauer hin. Mit der Steuerfusserhöhung können wir nun frühzeitig mit dem Schuldenabbau beginnen.

Warum hat der Gemeinderat dann überhaupt einen gleichbleibenden Steuerfuss und ein Defizit von rund 200'000 Franken im Budget vorgeschlagen?

Wir haben im Gemeinderat besprochen, ob wir den Steuerfuss höher ansetzen wollen. Die Bevölkerung hat an der Urnenabstimmung im Februar eine Steuerfusserhöhung um fünf Prozent abgelehnt. Das haben wir als Auftrag zum Sparen verstanden und so ins Budget aufgenommen. Da noch immer unklar ist, wie sich Covid-19 auf die Finanzen auswirken wird, wollten wir den Steuerfuss erst mal bei 94 Prozent belassen. Wir haben aber an der Gmeind eine klare Ansage gemacht, dass wir im Hinblick auf den Schulhausneubau 2022 eine Steuererhöhung vorschlagen werden.

Hat die Gmeind gezeigt, dass die Birmenstorfer doch nicht sparen wollen?

Nein, denn wir haben seit dem Budgetbeschluss 2020 bereits viele Sparmassnahmen umgesetzt. Wir haben alles durchgekämmt und schätzungsweise 200000 Franken eingespart.

Aber warum hat sich die Bevölkerung jetzt die Steuererhöhung aufgebrummt, die sie im Februar noch abgelehnt hat?

Die Situation ist eine andere. Beim Budget 2020 ging es um fünf und nicht um vier Prozentpunkte. Ausserdem stand damals eine weitere Steuererhöhung im Raum, sobald das Schulhaus fertig ist. Ob der Steuerfuss von 98 Prozent reichen wird – auch angesichts der Auswirkungen der Pandemie –, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Generell ist aber klar, dass bei einer Gmeind anders entschieden wird als an der Urne.

Inwiefern?

Wer die Gemeindeversammlung besucht, ist eher bereit, Kosten für Leistungen zuzustimmen und dafür auch mehr Steuern zu zahlen. Beim Urnengang kann sich eine ganz andere Mehrheit zeigen.

Haben Sie Angst, dass die SVP-Ortspartei wieder das Referendum ergreift?

Angst sicher nicht. Wir würden das sportlich nehmen, das ist Demokratie. Schlimmstenfalls wird dann das Budget beschlossen, das wir sowieso vorgeschlagen haben (lacht).