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Die Steuerfusserhöhung von 95 auf 100 Prozent droht in Wettingen Schiffbruch zu erleiden. Die Wettinger Fraktionen sind gespalten.
Am Donnerstag verkündete der Wettinger Gemeinderat, dass er bereits nächstes Jahr den Steuerfuss von 95 auf 100 Prozent anheben will – statt wie im Finanzplan festgehalten im 2021. Mitten im diesjährigen Budgetprozess habe man festgestellt, dass einzelne Ressorts die finanziellen Vorgaben nicht erfüllen können, weshalb die Steuererhöhung vorgezogen werden soll. Der Gemeinderat will mit zwei Prozent den Schuldenberg abbauen, mit zwei Prozent gebundene Ausgaben vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen decken und mit einem Prozent die Qualität der Behörden sicherstellen.
Innerhalb von zehn Jahren würde in Wettingen damit zum fünften Mal der Steuerfuss angehoben, auch wenn das 2018 eher «versteckt» der Fall war. War dem Gemeinderat damals vorgeworfen worden, diese Erhöhung nicht transparent genug zu kommunizieren, so stört nun einige Exponenten der Fraktionen vor allem, dass die fünf Prozente nicht gänzlich in den Schuldenabbau fliessen.
«Die Fraktion FDP hat sich in den vergangenen Jahren dafür starkgemacht, einer Steuerfusserhöhung nur dann zustimmen zu können, wenn sie vollumfänglich in den Schuldenabbau fliesst. Das ist momentan nicht gegeben», sagt Fraktionspräsidentin Judith Gähler. Ob sie trotzdem dem vorgeschlagenen Weg des Gemeinderats folgen, könne erst nach der Diskussion innerhalb der Fraktion mitgeteilt werden.
Eine solche Diskussion benötigt CVP-Fraktionspräsident Christian Wassmer nicht: «Für mich gibt es nur eine Möglichkeit: das Budget 2020 in dieser Form zurückzuweisen.» Dass der Gemeinderat den Steuerfuss anheben möchte, dagegen habe er nichts: «Mich schockiert vielmehr, dass er mehr als die Hälfte für Aufwandsteigerungen verwenden will, statt die ganzen fünf Prozent in den Schuldenabbau zu investieren.
Die Aufwandsteigerung beträgt drei Millionen Franken gegenüber der Rechnung 2018.» Das Argument des Gemeinderats, dass der Bevölkerung eine Steuererhöhung nicht gut verkauft werden kann, wenn diese nur in den Schuldenabbau gesteckt wird, lässt er nicht gelten: «Wir haben hier in Wettingen mündige Bürgerinnen und Bürger, die wissen, dass man nicht einfach Investitionen tätigen und Schulden anhäufen kann und die nächsten Generationen dafür bezahlen lässt.»
Auch für GLP-Einwohnerrat Orun Palit ist klar, dass er dem vorgelegten Budget nicht zustimmen wird – obwohl er eine Steuererhöhung ebenfalls für unumgänglich hält: «Aber nur, wenn sie gänzlich in den Schuldenabbau fliesst.» Ihn überrascht die vorgezogene Erhöhung nicht, aber sie macht ihn wütend: «Ehrlich, ich finde es eine Frechheit. Ich sehe keinen Effort beim Gemeinderat, die ausufernden Kosten in den Griff zu kriegen.» Dieser gehe den Weg des geringsten Widerstands.
Mich schockiert, dass der Gemeinderat die fünf Prozent nicht ganz in den Schuldenabbau investieren will.
(Quelle: Christian Wassmer, CVP-Fraktionspräsident)
«Es ist generell wenig Lust zu erkennen, die Kosten zu hinterfragen: Das Sportzentrum Tägi ist teurer geworden als geplant und auch das Fest für 975 Jahre Wettingen schlägt aufs Portemonnaie. Alles wird einfach bewilligt.» Er hätte sich manche Ausgaben und Investitionen günstiger gewünscht: «Man muss ja nicht immer die Luxusvariante nehmen. Aber der Gemeinderat will halt gerne den Fünfer und das Weggli.»
SVP-Fraktionspräsidentin Michaela Huser ist ebenfalls nicht überrascht von der Ankündigung, aber enttäuscht: «Unsere Vorahnungen haben sich bewahrheitet. Es war uns vor Jahren schon klar, dass sich die Gemeinde Investitionen wie das Tägi nicht einfach so leisten kann.» Deshalb habe die SVP-Fraktion schon 2015 mit einer Motion versucht, eine Schulden- und Ausgabenbremse einzuführen, um künftige Generationen vor einem hohen Schuldenberg zu bewahren und Steuerfusserhöhungen zu vermeiden. «Es stimmt schon, dass das Gemeindebudget immer mehr von gebundenen Ausgaben seitens des Kantons belastet wird», so Huser.
Diese Entwicklung, aber auch die Belastung durch hohe Investitionen und den neu anfallenden Kosten aufgrund der Einführung vom Lehrplan 21 seien aber berechenbar. «Es fehlt dem Gemeinderat an vorausschauendem Denken.» Zeichen dafür sei für sie auch, dass es ihn nun offenbar auf dem falschen Fuss erwischt habe, war doch die Erhöhung erst auf 2021 geplant. «Das kann ich nicht verstehen, die Finanzplanung müsste doch weitsichtiger sein.» Wettingen habe sich grosse Investitionen geleistet – ohne dies anderswo zu kompensieren, ohne irgendwo verzichten zu wollen. «Das kann nicht mehr aufgehen.»
Positiver klingt es vonseiten SP, die ebenfalls schon länger darauf hinweise, dass der Steuerfuss erhöht werden muss, um die stetig steigenden Schulden wieder abzubauen, so Fraktionspräsident Alain Burger von SP/WettiGrüen. «Eine Steuerfusserhöhung macht niemanden glücklich, auch die SP nicht.» Und doch sei der Entscheid des Gemeinderats, den Steuerfuss zu erhöhen, der richtige. «Wettingen hat in den letzten Jahren viel ausgegeben und investiert, jetzt müssen wir die Rechnung dafür zahlen.»
Burger ist überzeugt, dass auf der Ausgabenseite kein weiteres Sparpotenzial mehr gegeben sei: «Die Verwaltungsreform Lova hat zwar etwas gebracht, aber nicht in dem Ausmass, wie man sich das erhofft hat.» Die Zitrone sei jetzt ausgepresst. «Wenn jetzt der Steuerfuss nicht erhöht wird, hat das schmerzhafte Abstriche bei der Qualität zur Folge. Irgendwann hat es einfach nicht mehr genügend Personal auf der Verwaltung.» Und vor allem: Die Schulden würden weiter anwachsen und man würde den Schuldenberg der nächsten Generation überlassen. «Das wäre schlicht verantwortungslos», so Burger.