Anfang 1973 trat ein neues Ordnungsbussengesetz in Kraft – die Umsetzung im Aargau missglückte allerdings und sorgte für Unverständnis. Sogar von einem «Ordnungsbussen-Salat» war die Rede.
Die geplante Revision des Polizeigesetzes im Aargau führt aktuell zu Diskussionen. Ein Blick ins Archiv des «Badener Tagblatts» (BT) zeigt, dass vor genau 50 Jahren eine Gesetzesänderung ebenfalls für rote Köpfe sorgte. Auf den 1. Januar 1973 hin war das eidgenössische Ordnungsbussengesetz in Kraft getreten, welches das Regime für Verkehrsbussen gesamtschweizerisch vereinheitlichen sollte.
Unter dem Titel «Einfacher, aber oft teurer» berichtete das BT am 4. Januar erstmals über die Neuerung. Zwar zahle ein Falschparker nun 20 Franken statt wie bis anhin fünf, dafür könne er die Busse direkt beim kontrollierenden Polizisten oder wie gewohnt auf dem Amt begleichen. Zudem müssten die Personalien nicht mehr automatisch aufgenommen und keine Verzeigungen mehr ans Bezirksamt vorgenommen werden.
Badens Polizeichef Walter Peter sah in diesem neuen Ablauf ebenfalls eine Vereinfachung. Im BT erklärte er, dass sich der Aargau ja auch für einen einfacheren Vollzug als etwa die Städte Zürich oder Basel entschieden hätte. Gab es dort Formulare für jede Art und Höhe der Busse, so waren es hier nur deren zwei. Peters einzige Befürchtung war, dass seine Mitarbeiter nun wegen der höheren Bussen noch mehr beschimpft würden als bis anhin.
Das war dann aber doch nicht das einzige und schon gar nicht das grösste Problem, mit dem die Aargauer Ordnungshüter konfrontiert wurden. Vor allem jene auf dem Land wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Das BT titelte am 18. Januar: «Gemeindepolizisten in Gewissensnot!» Gemäss der kantonalen Verfügung zum neuen Bussengesetz durften nämlich nur die Kantonspolizei und jene Gemeindepolizeien, die stärker als mit fünf Mann besetzt waren, das neue Gesetz vollziehen. Alle anderen hatten sich weiterhin nach den alten Bestimmungen zu richten.
Da aber nur acht Orte über mehr als fünf Polizeibeamte verfügten – Aarau, Baden, Bremgarten, Brugg, Rheinfelden, Wettingen, Wohlen und Zofingen –, kostete Falschparken in den meisten Aargauer Gemeinden weiterhin nur einen Fünfliber. Das führte zu absurden Situationen: Wer etwa in Ennetbaden ein Parkverbot missachtete, kam glimpflich davon. Man musste aber nur die Schiefe Brücke über die Limmat nach Baden passieren, dort ein solches Verbot missachten – und schon wurde man mit einer Busse in vierfacher Höhe bestraft.
Die Gemeindepolizisten beklagten sich aber nicht nur über diese Ungleichbehandlung, sondern auch darüber, dass sie nicht recht wussten, was zu tun ist. Wie etwa behandle man eine Parksünderin, die in flagranti erwischt wird und die Busse umgehend begleichen möchte? Gemäss neuem Gesetz sollte genau das nun gesamtschweizerisch möglich sein, nur im Aargau war das mehrheitlich nicht möglich.
Rüffel gab es von ganz oben. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bemängelte den Aargauer Vollzug des Bundesgesetzes. Hauptverantwortlicher für den «Ordnungsbussen-Salat» (BT-Schlagzeile vom 27. Januar) war der kantonale Polizeikommandant Simmen. Die unterschiedliche Kompetenzverteilung zwischen den Korps erklärte er damit, dass die Gemeindepolizisten nicht immer genügend ausgebildet seien, das neue Gesetz umzusetzen. Der BT-Redaktor des Artikels nannte diese Begründung «lächerlich» und verwies darauf, dass auch die Beanstandung aus Bern den Kommandanten nicht umstimmen konnte. Und er fuhr fort: «Der Verdacht liegt nahe, dass Dr. Simmen mit seiner Aufteilung der Polizei in zwei Kategorien die von ihm geführte Kantonspolizei von der Gemeindepolizei abheben wollte.»
Das Fazit des BT war denn auch deutlich: Der Kanton Aargau hatte bei der Umsetzung des neuen eidgenössischen Gesetzes gründlich versagt. Weder habe es eine Vorbereitung von langer Hand gegeben wie in anderen Kantonen, noch habe das zuständige Departement bis jetzt reagiert und den «Unfug» beendet.
Doch nicht nur von Seiten der vierten Gewalt gab es harsche Kritik am aargauischen Vollzug, auch aus dem Polizeikorps kamen weitere wütende Stimmen. Ein namentlich nicht genannter Polizist beschrieb die Situation knapp und doch klar: «Das ist keine Ordnung, sondern eine auferlegte Sauordnung.» Ebenso unzufrieden waren die Bezirksammänner. Eigentlich hätte die Gesetzesänderung für sie weniger Arbeit bringen sollen, da die automatischen Verzeigungen an die Bezirksämter wegfielen. Doch angesichts des Chaos sprachen sie auf Anfrage des BT von «Rechtsverwilderung» und forderten eine dringende Korrektur des kantonalen Ordnungsbussenregimes.