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Es war eine bewegte Zeit, die Zeit ab 1954, als in Künten eine Baukommission gegründet wurde mit dem Zweck, eine neue Kirche zu bauen. Fridolin Staubli war damals Mitglied in dieser Kommission. Er erinnert sich.
Längst steht die alte Kirche nicht mehr. Ein Zweckbau sei es gewesen. Alt und baufällig. Die Grundmauern gingen auf das Jahr 1776 zurück. Mitte der 1950er-Jahre zwängten sich sonntags zur heiligen Messe 200 Menschen in die Sitzreihen. Aus Platzmangel setzte man sich sogar auf die Treppe unter der Empore. Es war eng. Und man stand vor der Frage, sollte man die Kirche nun wieder renovieren und erweitern oder sollte man sie abreissen und von Grund auf etwas Neues bauen?
An dieser Frage schieden sich die Geister. Zum einen war hier der Fabrikant Hans Birchmeier, damals in Künten ein sehr einflussreicher Mann. Er war Mitglied im Grossen Rat und der grösste Arbeitgeber der Umgebung. Fast alle Bewohner von Künten und Sulz hatten unter ihm ein Einkommen verdient, waren in irgendeiner Weise von ihm abhängig. Er war Kirchgemeindepräsident und ein eifriger Verfechter, der sich für den Erhalt der alten Kirche einsetzte.
Zum anderen war hier der neue Pfarrer Richard Etterli, der 1952 nach Künten kam. Er plädierte für einen Neubau. Pfarrer Etterli war ein Meister des Wortes. Sonntags nach dem Gottesdienst begann er regelmässig Hausbesuche durchzuführen. Auf Wunsch sei er gerne bereit, Wohnungen oder Ställe zu segnen, schrieb er im Pfarrblatt 1954, und er fügte hinzu: «Gaben für den Kirchenbau werden dankbar entgegengenommen.» So kam mit den Jahren das nötige Geld zusammen, das für den Bau benötigt wurde.
«Ich kam 1956 in die Baukommission», erinnert sich Fridolin Staubli. «Da waren die Diskussionen bereits in vollem Gang.» Drei Bauplätze seien infrage gekommen, sagt Staubli. Im Gried, wo die alte Kirche stand, unterhalb der alten Birchmeier-Villa, im Rain, wo damals noch keine Liegenschaft war, und im Chraz. Zur Diskussion lud man Experten ein, zum Beispiel den Architekten Fritz Metzger aus Zürich. Er ging damals zu Fuss durchs ganze Dorf. «Er begutachtete alle drei Plätze aus verschiedenen Blickwinkeln, auch von Bellikon aus. Als er zurückkam, liess er kein einziges gerades Haar am Platz der alten Kirche», schmunzelt Staubli heute. Er ermunterte die Menschen, einen mutigen Entscheid für einen Neubau zu fassen.
Immer wieder habe man Orientierungsversammlungen abgehalten, um die Bevölkerung über den neuesten Stand der Planungen zu informieren. Im Rain und im Chraz hatte man Baugespanne aufgestellt und Fotomontagen erstellt, um der Bevölkerung zu zeigen, wie die neue Kirche einst aussehen könnte. Im Rain, weil das Gelände am Wendelihoger etwas erhöht lag, hatte man geplant, eine Art Schlosskirche zu bauen. Allerdings fürchtete man hier, besonders die älteren Menschen hätten dann Mühe, die Kirche zu erreichen. Der Bauplatz Chraz kam sehr spät in die Diskussionen. Er sei zuerst von der Bevölkerung hauchdünn abgelehnt worden. Doch dann kam Hans Meier, Inhaber der Firma Bienenmeier und Kirchenbaukommissionspräsident, auf den Plan: Er kaufte das Gelände Chraz und spendete es der Kirchgemeinde mit dem Zweck, hier die neue Kirche zu bauen. «Das war der entscheidende Schachzug», sagt Staubli. Hans Birchmeier trat umgehend als Kirchenpflegepräsident zurück.
Von der Gründung der Baukommission 1954 bis zur Einweihung der neuen Kirche 1965 liegen 11 Jahre. Der Grund, weshalb das so lange dauerte, war, dass die Gemeinde dringend auch neue Schulräume brauchte. Der Bau des neuen Schulhauses, das 1960 fertiggestellt wurde, hatte Vorrang.
In den Jahren 1962 bis 65 tagte in Rom das Zweite Vatikanische Konzil. Das hatte Auswirkungen bis nach Künten. Wo sollte der Altar in der neuen Kirche hinkommen, wenn der Pfarrer die Messe nicht mehr wie bis anhin mit dem Rücken zur Gemeinde lesen würde? Solche Fragen mussten diskutiert werden. Aber die eine Frage spaltete das Dorf: Sollte nun eine traditionelle Kirche gebaut werden oder sollte man dem Geist der modernen Zeit folgen und einen neuen Baustil wagen?
Am Ende blieben vier Projekte zur Auswahl. Das Rennen machte das Architekturbüro Walter Moser in Baden. Von ihm gab es zu dieser Zeit bereits bestehende Kirchenbauten in Heiden (AR), in Wangen a. A. und in Zeihen. «Vor der Abstimmung fuhren wir mit vielleicht 50 Gemeindemitgliedern nach Heiden zu einem Sonntagsgottesdienst, damit sich alle ein Bild machen konnten von diesem modernen Bau.» Mit einem hauchdünnen Mehr von gerade mal sieben Stimmen wurde 1963 dem Baukredit der jetzigen Kirche zugestimmt. «Das Schöne war, dass, sobald der Entscheid gefallen war, das ganze Dorf unisono dahinter stand», weiss Staubli. Viele Kirchgemeindemitglieder leisteten Fronarbeiten, sodass die Endabrechnung mit einem um 88 000 Franken günstigeren Ergebnis abgeschlossen werden konnte als anfänglich budgetiert. Und sogar Hans Birchmeier sei am Ende stolz gewesen auf «seine» Kirche im Dorf, schmunzelt Staubli. Am 28. März 1965 kamen die Glocken im feierlichen Umzug mit Ross und Wagen nach Künten. Und am 30. Mai wurde die neue Kirche eingeweiht.