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Ruth Müri, Präsidentin der Badener Berufsfachschule (BBB), und Hanspeter Geissmann, Präsident der Badener KV-Schule, wehren sich gegen die Vorwürfe des Kantons, die Berufsschulen hätten ihre Finanzen nicht im Griff.
Das Gesetz über die Berufs- und Weiterbildung (GBW) soll revidiert werden. Noch bis zum 3. Juli befinden sich die Revisionsvorschläge der Regierung in der Anhörung. Es geht um die «Steuerung und Finanzierung der nicht kantonalen subventionierten Berufsfachschulen». Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich die Absicht des Kantons, die Finanzströme der Berufsschulen in die eigenen Hände zu nehmen. Insbesondere will er die Beiträge, welche die Wohnortsgemeinden der Lernenden an die Schulen entrichten, selber festlegen und vereinheitlichen. Von «Kantonalisierung» der Berufsschulen könne indessen keine Rede sein, betont Bildungsdirektor Alex Hürzeler.
Vorwürfe des Kantons
In der Vorlage finden sich, explizit oder unterschwellig, Vorwürfe an die 13 nicht kantonalen Berufsschulen:
• Ihre Rechnungslegung sei für den Kanton, der immerhin 60 Prozent der Kosten trage, nicht transparent. Insbesondere gebe es keine saubere Trennung zwischen Grund- und Weiterbildung. Die Subventionen des Kantons dürfen nur für die Grundbildung verwendet werden.
• Der Kanton hat seine Beiträge an die Berufsschulen 2008 erhöht. Dieses Geld sei nicht oder zu wenig zur Reduktion der Gemeindebeiträge verwendet worden. Vielmehr hätten einzelne Schulen Reserven gebildet oder in Gebäude investiert. Heute verfügten sie insgesamt über ein «freies Kapital» von 70 Mio. Franken.
Bisher haben sich vor allem die Rektoren der nicht kantonalen Berufsschulen gegen das Ansinnen des Kantons gewehrt. Doch wie stehen die Trägerschaften dazu, die für die Strategie zuständigen Schulvorstände? Die az hat die Präsidentin der gewerblich-industriellen Berufsfachschule Baden (BBB), Ruth Müri, und den Präsidenten der Wirtschaftsschule KV Baden, Hanspeter Geissmann, an einen Tisch gebeten.
«Das ist ziemlich ungeheuerlich»
«Wir sind vehement gegen diese Gesetzesrevision und wir halten die Vorwürfe des Kantons für ziemlich ungeheuerlich - man misstraut uns offensichtlich», sagen Ruth Müri und Hanspeter Geissmann übereinstimmend. Schlimm finden sie vor allem, dass der Kanton nie versucht habe, Dinge, die ihm nicht passen, direkt mit ihnen zu besprechen. «Da war plötzlich diese Vorlage», sagt Ruth Müri. «Wenn der Kanton Wünsche hat, zum Beispiel mehr Transparenz in der Rechnungslegung oder weniger Unterschiede bei den Gemeindebeiträgen, kann er doch zu uns kommen und mit uns reden. Wir haben bisher stets alles getan, was der Kanton von uns verlangt hat. Da braucht es doch nicht eine fundamentale Gesetzesänderung», findet Müri.
Im Übrigen, schiebt Geissmann nach, sei der Vorwurf der wenig transparenten Rechnungslegung komisch: «Der Kanton hat von allen Berufsschulen verlangt, dass sie die Rechnung gemäss den Fachempfehlungen ‹Swiss GAAP FER 21› erstellen, damit Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Wir hier in Baden machen das. Wenn es andere nicht machen, dann muss der Kanton halt seine Anweisung durchsetzen - aber doch nicht das ganze System auf den Kopf stellen.»
«Das ist ein Witz!»
Auch der Vorwurf, sie würden «Geld horten», bringt die beiden Präsidenten in Rage. Ruth Müri: «Das ist ein Witz! Swiss GAAP FER 21 schreibt vor, gewisse Schulgebäude in der Bilanz zu aktivieren. Das steigert natürlich die Habenseite. Doch man kann ja nicht nur eine Seite der Buchhaltung anschauen, man muss auch die Schulden berücksichtigen. Die Restbauschuld der BBB gegenüber der Stadt Baden beträgt zum Beispiel rund 20 Millionen Franken. Dieses Geld müssen wir erwirtschaften.» Hanspeter Geissmann: «Wir haben bei einem Jahresumsatz von rund 20 Millionen Franken ein Eigenkapital von rund 1,2 Millionen, das ist weiss Gott nicht übertrieben.»
Den Vorwurf, man habe die höheren Subventionen des Kantons ab 2008 nicht an die Gemeinden weitergegeben, kontert er: «Das waren genau jene Jahre, in denen der Kanton von uns die Ausfinanzierung der Pensionskasse verlangt hat! Das kostete die Berufsschulen insgesamt rund 65 Millionen Franken, unsere Schule allein 9,5 Millionen. Seit das ausgestanden ist, haben wir das Geld weitergegeben, die Gemeindebeiträge sind seither bei den meisten Schulen markant gesunken.»
Es wäre überhaupt nicht zielführend, so die beiden Präsidenten, wenn der Kanton die Gemeindebeiträge vereinheitlichen würde. Die finanziellen Bedürfnisse der einzelnen Schulen könnten nämlich völlig unterschiedlich sein, je nachdem was für Berufsausbildungen sie anbieten.
Rückzug der Vorlage im Visier
Die beiden Präsidenten betonen, dass die Kosten der aargauischen Berufsbildung klar unter dem schweizerischen Durchschnitt liegen. Die Gemeinden hätten sich nie beschwert, dass sie über Gebühr zur Kasse gebeten würden - von ihnen sei der Anschub zu dieser Revision kaum gekommen. Was ist denn das wahre Motiv? Müri: «Wir wissen es nicht. Der Kanton will uns wohl an die Kandare nehmen.» Geissmann: «Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet unter einem SVP-Bildungsdirektor diese etatistische Vorlage kommt, die einem teuren kantonalen Kontrollapparat und mehr Bürokratie Vorschub leistet.»
Natürlich sei das Vorhaben eine Kantonalisierung, kontern die beiden: Die wichtigste Kompetenz der strategischen Führung sei die Finanzkompetenz. Sei sie weg, sei auch der unternehmerische Handlungsspielraum dahin. Die enge Vernetzung der Schulvorstände mit der Wirtschaft garantiere für eine Ausbildung, die den Bedürfnissen der Wirtschaft auch tatsächlich entspreche. Müri: «Wir machen uns Sorgen, dass mit dem neuen Gesetz die Qualität der Berufsbildung abnimmt.» Müri und Geissmann hoffen deshalb, dass der Kanton die Vorlage nach der Anhörung zurückzieht. Die Vorstände der verschiedenen Berufsschulen seien miteinander im Gespräch. In der negativen Beurteilung des Regierungs-Vorhabens seien sich alle ziemlich einig.