Organhandel
Vorwürfe gegen Kosovo-Präsident: «Er hat nicht mit Organen gehandelt»

Ibish Neziraj politisierte früher mit dem kosovarischen Premierminister Hashim Thaci. Der heute in Baden lebende Kosovare kann sich nicht vorstellen, dass er in illegalen Organhandel verwickelt ist.

Maja Sommerhalder
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«Das ist doch absurd», sagt der gebürtige Kosovo-Albaner Ibish Neziraj (53). Der interkulturelle Vermittler der Badener Integrationsstelle sitzt in einem Café und trinkt einen Espresso.

Man spürt: Die Vorwürfe gegen den kosovarischen Premierminister Hashim Thaci gehen ihm nahe. Der Europarat-Berichterstatter Dick Marty behauptet nämlich, dass der 45-jährige Premierminister Ende der 90er-Jahre mit den Organen gefangener Serben gehandelt haben soll (siehe Kasten).

Technisch unmöglich

Neziraj, der in Buchs lebt, erklärt diese Anschuldigungen als haltlos: «Es ist doch bekannt, dass Marti etwas gegen den unabhängigen Kosovo hat. Es gibt überhaupt keine Beweise.» Er nimmt ein Bild aus seiner Arbeitsmappe. Ein gelbes Haus im albanischen Dorf Rripe ist darauf zu sehen: «Angeblich sollen hier die Organ-Operationen an den Serben durchgeführt worden sein.» Dies sei aber technisch unmöglich: «In diesem Dorf gab es zu jener Zeit gerade mal drei Stunden Strom pro Tag. Wie soll man so operieren?»

Sechs Jahre im Gefängnis

Neziraj kennt Thaci persönlich und hat mit ihm in den 90er-Jahren eng zusammengearbeitet. Er ist sich absolut sicher, dass der Premierminister niemals mit Organen gehandelt hat: «Er ist ein seriöser Mann. So ein Verbrechen würde ich ihm nicht zutrauen.»

Wie Premierminister Thaci gehört auch Neziraj zum albanischen Volk, das aus dem Gebiet Kosovo stammt: «Wir Kosovo-Albaner wurden während meiner Jugendzeit von den Serben unterdrückt.» Trotzdem setzte sich Neziraj als Student für einen unabhängigen Kosovo ein.

«1980 verhafteten mich deswegen die Serben.» Der damals 23-Jährige musste für sechs Jahre ins Gefängnis: «So etwas kann man sich nicht vorstellen», erzählt er und macht eine längere Pause. Tag und Nacht sei er gefoltert worden: «Sie drückten mit Brenneisen auf meinen Körper.» Noch heute habe er deswegen körperliche und seelische Narben.

Zusammen in der LPK

Obwohl der Gefängnisaufenthalt seinen Willen brechen sollte, politisierte Ibish Neziraj nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis weiter: «Der Wunsch nach einem freien Staat war stärker als die Angst vor weiteren Unterdrückungen.»

1990 lernte er den späteren Premierminister Thaci kennen. Die beiden waren in der «Volksbewegung des Kosovo» (LPK) aktiv:«Die Zusammenarbeit war sehr angenehm. Ich habe ihn als ruhig, gewissenhaft und ernsthaft erlebt.»

Zudem sei er ein brillanter Organisator: «Es war damals schon klar, dass er das Zeug zum Spitzenpolitiker hat.» Politisieren konnten die beiden nur im Untergrund. Ende 1993 wurde die Situation zu gefährlich. Neziraj flüchtete wie der spätere Premierminister Thaci in die Schweiz.

Bis heute noch in Kontakt

Obwohl Neziraj sich in der Schweiz gut integriert fühlt, seiner Heimat Kosovo ist er nach wie vor verbunden: «Die unabhängige Republik Kosovo ist ein guter Kompromiss. Allerdings gibt es noch viele Probleme wie Armut oder Arbeitslosigkeit.»

Bis heute hat Neziraj von Zeit zu Zeit mit Thaci Kontakt: «Allerdings ist dieser sehr spärlich. Er ist eben sehr beschäftigt.» Laut Neziraj stünde die Bevölkerung in Kosovo auch nach den Vorwürfen hinter ihrem Premierminister: «Ich bin froh darüber.» Trotzdem ist Neziraj dafür, dass die Vorwürfe gründlich untersucht werden müssten: «Unser Volk braucht Klarheit.»