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Der Streit im Mellinger Gemeinderat hat hohe Wellen geworfen. Martin Rupf, Ressortleiter des Badener Tagblatts bei der «Schweiz am Wochenende», analysiert den Fall, in dessen Zentrum der parteilose Gemeinderat Beat Gomes steht.
Sollte ein Theaterverein aus der Region noch auf der Suche nach einem passenden Drehbuch für nächstes Jahr sein, so hat der Mellinger Gemeinderat diese Woche ein solches abgeliefert. Der Ressortentzug des parteilosen Gemeinderats Beat Gomes, die anschliessenden gegenseitigen Anschuldigungen sowie die unglückliche Kommunikation seitens Gemeinderat liefern alle Zutaten für ein packendes Stück. Der Plot ist schnell zusammengefasst. «Aufgrund von mehrfachem Fehlverhalten, Missachtung des Kollegialitätsprinzips sowie seines Verhaltens gegenüber Mitarbeitenden und Behörden sowie Kommissionsmitgliedern ist aus Sicht des Gemeinderates eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Gemeinderat Beat Gomes nicht mehr möglich», schreibt der Gemeinderat. Die Folge: Gomes wurden vier wichtige Ressorts entzogen.
Gomes wiederum, der vor seinem Amtsantritt Redaktor bei der Regionalzeitung «Reussbote» war, unterstellt dem Gemeinderat, dass er nur deshalb nicht erwünscht sei, weil man glaubt, er stecke dem «Reussboten» vertrauliche Informationen zu. Nein, noch schlimmer, dass er selber Artikel im Namen anderer schreibe. Dies trifft laut Gomes selbstverständlich nicht zu. Doch ausgerechnet Gemeindeammann Bruno Gretener gibt implizit zu, dass beim Ressortentzug auch Gomes’ Vergangenheit als Redaktor eine Rolle gespielt hat. «Es nicht so, dass es nur seine Nähe zum ‹Reussboten› ist, die zum Ressortentzug geführt hat», so Gretener im Wortlaut.
Diese Äusserung wiederum hat «Reussbote»-Verleger und Chefredaktor Benedikt Nüssli dazu veranlasst, in diesem Theaterstück den vorläufig letzten Akt zu schreiben. Im Editorial der Ausgabe vom Freitag schreibt er unter anderem: Zwar sei Gomes noch als Freelancer angestellt, würde aber nicht mehr über politische Themen schreiben. «Dass der Gemeinderat Mellingen Beat Gomes unterstellt, er schreibe unter anderem Namen Artikel für uns, ist an den Haaren herbeigezogen und entbehrt jeglicher Grundlage.» Dies zeige vielmehr, wie nervös, dünnhäutig und misstrauisch man im Rathaus sei. Anhand eines konkreten Beispiels zeigt Nüssli auf, wie die Sache aus seiner Sicht aus dem Ruder lief: Mitte Juli schrieb Nüssli den Artikel «Nächster Schritt in der Saga Tägerigerweg». Auch hier vermute, so Nüssli, der Gemeinderat Gomes als Inputgeber, wenn nicht gar Autor. «Traut der Gemeinderat dem Chefredaktor diesen Artikel nicht zu?», fragt Nüssli in seinem Editorial süffisant. Um dies zu beweisen, tut Nüssli etwas, was Journalisten selten tun: Er legt seine Quelle offen und liefert gleichzeitig den vorläufigen Höhepunkt in diesem Provinz-Theater. Denn nicht Gomes habe dem «Reussboten» Informationen gesteckt, sondern eine Grundeigentümerin, die mit dem Gemeinderat schon seit längerer Zeit im Clinch ist. Die besagte Frau habe Beat Gomes anrufen wollen, wählte aber aus Versehen die Nummer des Bauverwalters.
Doch damit nicht genug: In der Meinung, sie spreche auf die Combox von Gomes, zog die Anwohnerin über den Gemeinderat, über Gemeindeammann Gretener und über den Bauverwalter her. Und genau dieses Telefonat soll dem Gemeinderat laut Verleger Nüssli als Beweis gedient haben, dass Gomes der heimliche Autor des besagten Artikels gewesen sei. Doch Gomes habe die Aufnahmen zum ersten Mal gehört, als der Gemeinderat ihm diese als Beweis vorspielte.
Diese letzte Anekdote zeigt, wie verhärtet die Fronten in diesem Fall inzwischen sind und wie undurchsichtig sich der Eklat für Aussenstehende präsentiert. Mag die Combox-Episode noch zum Schmunzeln anregen, so hinterlässt der Eklat unter dem Strich nur Verlierer. Auf der einen Seite Gemeindeammann Bruno Gretener und mit ihm seine drei Kollegen. Schon lange geht im Städtchen das Gerücht um, dass Gretener und Gomes einfach nicht miteinander können. Gründe dafür gäbe es genügend, hat doch Gomes als Journalist keine Gelegenheit ausgelassen, die Führungs- und Informationspolitik des Gemeindeammanns zu kritisieren. So hinterlässt der Ressortentzug tatsächlich den Eindruck, als wolle Gretener einen unbequemen Kollegen loswerden. Dass er dabei aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht auf Details eingehen kann, leuchtet ein. Und doch wirft gerade dieser Fall ein schlechtes Licht auf die – von Gomes mehrfach kritisierte – Kommunikation. Denn Gomes hat von seiner Entmachtung nicht etwa persönlich erfahren, sondern am Dienstagmorgen von «Reussbote»-Verleger Benedikt Nüssli. Die Rechtfertigung Greteners, Gomes habe besagte Sitzung frühzeitig verlassen, greift nicht. Einen solchen Entscheid muss man einem Kollegen, wenn nötig telefonisch oder schriftlich, persönlich mitteilen.
Den schwarzen Peter nun einfach Gretener zuzuschieben, wäre aber zu einfach. Denn es ist auf der anderen Seite kein Geheimnis, dass Gomes ein Charakterkopf ist, mit dem zusammenzuarbeiten wohl nicht immer einfach ist. «Ich sage meine Meinung, das führt halt auch mal zu Streit», gab er letzten Herbst im Vorfeld der Wahlen unumwunden zu. Und auch ein kurzer Blick in seinen Lebenslauf lässt erahnen, dass es nicht ganz einfach war, Gomes in den Gemeinderat zu integrieren. Beat Gomes hiess früher Beat Alder, und als solcher sorgte er für einige Schlagzeilen. Unter anderem geriet er Ende der 1990er-Jahre bei der «Basler Justizaffäre», die er als «Blick»-Reporter ausgelöst hatte, in die Negativschlagzeilen, weil er eine Doppelrolle als Vertrauensperson und Journalist eingenommen hatte, worauf er beim «Blick» entlassen wurde. Oder 2006 sorgte er für Schlagzeilen, dieses Mal als «Abofallen-Abzocker». Und die Basler Gratiszeitungen «Basler Bebbi» und «Stadt-Zytig», die Gomes selber gründete, verliess er im Streit. Zuletzt gab Gomes Anfang Jahr mit seinem feuchtfröhlichen Auftritt an der Mellinger Fasnacht zu reden. Die Beispiele zeigen: Wo Gomes auftaucht, sorgt er in der Regel für Unruhe, wenn nicht gar Streit.
Letztlich dürfte es den Mellingern herzlich egal sein, wer genau für die Malaise im Gemeinderat verantwortlich ist. Eine vertrauensvolle und vor allem konstruktive Zusammenarbeit scheint unter diesen Vorzeichen aber wenig realistisch zu sein. Gespannt darf man deshalb auf den nächsten Akt in diesem Sommertheater warten.
Martin Rupf ist Ressortleiter des Badener Tagblatts bei der «Schweiz am Wochenende».