Neuenhof
Webermühle-Siedlung: Nach der Sanierung stehen Wohnungen leer

Die teure Sanierung sollte die Webermühle in eine «junge Stadt» verwandeln. Ob dies tatsächlich gelingen wird, ist unklar. Zweifel sind angebracht. Nach wie vor wohnen jedenfalls in der Plattenbau-Siedlung Menschen verschiedenster Kulturen.

Tabea Baumgartner
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Die frisch sanierte Webermühle sieht von aussen zwar frisch aus, innen gibt es aber viele Mängel. tab

Die frisch sanierte Webermühle sieht von aussen zwar frisch aus, innen gibt es aber viele Mängel. tab

Tabea Baumgartner

Paletten mit Mörtelsäcken begrüssen den Besucher am Eingang der Webermühle. Bauschranken stehen da, wo normalerweise die Kinder spielen. Statt grüner Wiese zeigt sich braune Erde: Die Fussgänger müssen sich zwischen Baugruben und Baggern einen Weg durch die Siedlung bahnen. Die Totalsanierung der Webermühle ist seit eineinhalb Jahren im Gange – in diesen Tagen wurden die letzten Wohnungen fertig saniert. Die Bauarbeiten an der Fassade und im Aussenraum werden noch andauern.

90 Wohnungen stehen leer

Wenige Menschen gehen an diesem Sonntagnachmittag durchs Areal. Es ist kühl geworden; die Zeit ist vorbei, wo die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung draussen auf den Gartenstühlen vom Quartierladen Webermühli-Märt verweilen. Dazu kommt, dass viele Wohnungen leer stehen: Insgesamt sind heute rund 90 Wohnungen unbewohnt, teilt die Eigentümerschaft – Credit Suisse Real Estate Fund LivingPlus, ein Immobilienfonds der Credit Suisse AG – mit. Dies entspricht einem Viertel der Webermühle. «Wenn nicht bald neue Mieter einziehen, hat mein Laden keine Zukunft mehr», sagt der Ladenbesitzer José. Trotzdem sei die Eigentümerschaft mit dem Verlauf der Vermietung zufrieden, teilt die Mediensprecherin Caroline Stössel mit. Von den neuen Mietern erhoffe man sich eine positive Signalwirkung, sodass weitere Mieter angezogen würden. «Wir sind zuversichtlich, dass wir die freien Wohnungen vermieten können», sagt Stössel.

Zwei Kinder spielen Verstecken; Hundehalter spazieren entlang der Limmat. Roberto Lavigna bleibt an der Brücke stehen und wirft einen Blick zurück auf die Siedlung, deren Fassade neuerdings in Weisstönen strahlt. «Der neue Stil gefällt mir – es ist nicht mehr so altmodisch», sagt der 33-jährige Elektroniker.

Terance Jogathas sitzt mit seinen Freunden vor dem Quartierladen, eingemummt in eine dicke Jacke. Sie gönnen sich einen Energy Drink, während die Nacht über die Siedlung hereinbricht. «Die Webermühle ist geil», sagen sie voller Überzeugung, wenn man sie fragt, ob sie gerne hier wohnen. Weniger lobend äussern sie sich über die Sanierung: «Von aussen machen sie die Wohnungen schön. Die Sanierung ist leider nicht auf die Nutzer ausgerichtet», sagt Jogathas. «Bei uns haben sie ohne zu fragen die Küchentüre rausgenommen. Was denken Sie, wie es in der ganzen Wohnung riecht, wenn wir kochen?», wundert sich der 26-Jährige. Die Sanierung erscheine ihm «so schnell, schnell, ein bisschen larifari». «Sie haben auf die Mieter keine Rücksicht genommen.» Die Mediensprecherin der CS teilt mit, die «individuelle Zimmersanierung» werde «in der Regel mit den Mietern abgesprochen», deren Wünsche würden «nach Möglichkeit» berücksichtigt.

Wohnung «eher teuer»

Auch Ergül Habegger, die seit Frühling in der Webermühle wohnt, wundert sich darüber, warum in einer total sanierten Wohnung nicht alle Wände frisch gestrichen wurden. Diese unschönen «Details» würden der Atmosphäre in der Wohnung Abbruch tun. Zudem sei die Wohnung «eher teuer» – sie bezahlt für eine 2-Zimmer-Wohnung 1350 Franken pro Monat.

Grosser Unmut herrscht über die Sanierungsphase: Die Bauarbeiten seien unkoordiniert abgelaufen, die Mieter erst kurzfristig informiert worden. Unfertige Tapeten, Dellen in den Türrahmen und gar Risse in den Wänden sind nur einige Beispiele, die auf der Mängelliste vermerkt wurden. Was hier saniert wurde, sei «Pfusch, billiges Zeug», das von Bauarbeitern eingebaut wurde, die total unter Zeitdruck standen, sagt ein 35-jähriger Eventmanager, der anonym bleiben will. «Es war klar, dass die Sanierung mühsam wird. Was wir erlebt haben, war aber jenseits von mühsam», berichtet er. «Die Bauplanung war ständig in Verzug, die Bauleiter am Verzweifeln.» Man werde hier nicht als Mensch wahrgenommen, sagt der 35-Jährige.

Die Bilanz der millionenschweren Sanierung ist für die Mieter ernüchternd: «Diese Sanierung ist keine Aufwertung, sondern bloss eine Werterhaltung», sagt ein 36-jähriger Selbstständiger. «Wir wohnen eben für alte Banker», sagt der Eventmanager mit zynischem Blick. Er werde aus der Webermühle ausziehen – nicht nur aufgrund der mangelnden «Detailqualität der sogenannten Aufwertung», sondern auch aufgrund des «gleichgültigen Verhaltens» der Verwaltung.