Badenfahrt
«Weisch no 1982?» Illusionen leben nur zehn Tage

Cordulazunft und Toni Businger liessen das Franzosenhaus auferstehen.

Roman Huber
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Cordulazünfter vor dem Franzosenhaus – aus dem «Buch dazu» (Badenfahrt 1997).

Cordulazünfter vor dem Franzosenhaus – aus dem «Buch dazu» (Badenfahrt 1997).

zvg

Das sogenannte Franzosenhaus schloss im mittelalterlichen Baden gegen den Schulhausplatz die Weite Gasse ab. Diese wurde dadurch zu einem grossen Marktplatz. Der Verkehr der Pferdefuhrwerke führte durch das Tor des Bruggerturms (heute Stadtturm), dann durch die Mittlere Gasse zum Cordulaplatz und dort durch das Tor des Mellingerturms Richtung Vorstadt und Mellingen. Der wirtschaftliche Aufschwung durch den Handel führte zu einer neuen Geisteshaltung von Menschen, die den Umbruch heranführen wollten, schrieb Historiker Otto Mittler im zweiten Baden zur Stadtgeschichte.

Dem Wandel des Stadtbildes wurden zahlreiche historische Bauten geopfert. 1845 riss man das Franzosenhaus ab, damit der Durchgangsverkehr durch die grosszügige, als Marktplatz ausgelegte Weite Gasse passieren konnte. 1874 fiel auch der Mellingerturm.

Es war die Idee der Zunft zur Sankt Cordula, das Franzosenhaus als Kulisse für die Badenfahrt 1982 wieder aufbauen zu lassen, hiess doch das Badenfahrt-Motto «Illusionen». Dafür gewann sie den in der Theaterwelt bekannten Wettinger Bühnenbauer Toni Businger, der zu seinem ersten Werk in Baden kam. In den Neujahrsblättern von 1983 huldigte der damalige BT-Redaktor Erich Radecke dem überraschenden Bauwerk und seinem Erbauer: «Die nachhaltigste Illusion der Badenfahrt 1982 war ohne Zweifel das Franzosenhaus. Es war eben eine Illusion, die, für einige Wochen wenigstens, Wirklichkeit wurde. Die Kulisse wirkte nicht als Schein, sondern als Sein. Sie hat das Gesicht einer Gasse verändert, sie hat ein Stück Stadt wohnlich gemacht.»

Radecke porträtiert das Schaffen von Businger auf eindrückliche Art. Einem Bühnenbildner ist es eben nicht gegönnt, Werke von längerer Existenz zu schaffen. Die bühnenarchitektonisch aufsehenerregendsten Leistungen hatte Businger auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele gebaut, wo er von 1972 bis 1979 auf einer Breite bis zu 100 Metern Platz hatte. Seine szenische Lösung des «Fliegenden Holländer» war einer seiner Höhepunkte.

Die Reaktionen nach der Badenfahrt und dem Abriss des Franzosenhauses blieben nicht aus: In Leserbriefen wurde gefleht und gefordert, es solle und müsse stehen bleiben. Es konnte nicht. Es war nur für kurze Zeit gebaut, und eine unbewohnbare Kulisse.

Politisch dann doch ein Thema

Erst 2011 wurde das Franzosenhaus politisch ein Thema. Der heutige Stadtrat, damals CVP-Einwohnerrat Matthias Gotter, forderte den Stadtrat per Postulat auf, er möge den Wiederaufbau des Franzosenhauses prüfen. Die ganze CVP-Fraktion stellte sich dahinter. Die Illusion von 1982 sollte nachträglich Realität werden. Gotter unterstrich seine Absicht, kurz nach der Annahme des Baukredits für den Schulhausplatz, wie folgt: «Die historische Achse soll dem Langsamverkehr gehören und ihren wahren Charme zurückerhalten.» Anlass dazu bot auch eine komplett vom Verkehr befreite Weite Gasse.

Auch an der kommenden Badenfahrt werden phänomenale Bauten in der Retrospektive oder eher Science-fiction mässig erstellt, ob vorwärts oder rückwärts gerichtet: einfach illusionär. Doch aufgepasst: Diese Bauten werden einige Tage vor dem 18. August aufgebaut und dann nach dem 27. August wieder zurückgebaut. Zehn Tage Illusion, alle fünf Jahre wiederkehrend, ob an einer Badenfahrt oder an einem Stadtfest, das sollte ausreichen.