Der Badebetrieb begann im Badener Bäderquartier schon vor rund 2000 Jahren. Aber wem gehören eigentlich die Quellen? Bis Ende August muss der Kanton eine Gesetzesregel vorlegen.
Bald fahren im Badener Bäderquartier die Baumaschinen auf. Nach einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf soll der einst wichtigste Kurort der Schweiz endlich wieder in neuem Glanz erblühen. Der Badebetrieb begann hier vor rund 2000 Jahren, als die Römer aus dem nahen Legionslager Vindonissa im heissen Wasser von Aquae Helveticae badeten. Aber wem gehören eigentlich die Quellen im Bäderquartier?
Die Frage ist eigentlich leicht zu beantworten: Sie sind alle in privatem Besitz. Nur ein kleiner Teil gehört der Ortsbürgergemeinde Baden. Die Einwohnergemeinde Baden besitzt keine einzige eigene Quelle, dafür aber der Kanton Aargau – allerdings eine, die ungenutzt in der Limmat versickert. Die Besitzverhältnisse sind alle im Grundbuch geregelt.
Doch wie es zu diesen Besitzverhältnissen kam, ist etwas komplizierter. Eigentlich ist Grundwasser ein öffentliches Gut, dessen Gebrauch im kantonalen Wassernutzungsgesetz geregelt ist. Mit dem Badener Thermalwasser verhält es sich aber etwas anders.
Weil die Quellen seit Jahrhunderten privat genützt werden, sind sie formal ein zivilrechtlich geschütztes Eigentum. Und weil die Besitzer das Wasser ihrem Zweck entsprechend nutzen, gäbe es keinen Grund, das zu ändern. Der Grosse Rat hat allerdings 2008 beschlossen, die Heilquellen im Kanton Aargau einem besonderen Schutz zu unterstellen.
Das Badener Thermalwasser steigt aus einer Tiefe von 1000 bis 1500 Metern auf, mit einer Temperatur von 42 bis 48 Grad Celsius. Täglich schütten die 21 Quellfassungen eine Wassermenge von bis zu 900 000 Litern aus.
Wie bei kommunizierenden Röhren hängt die Schüttungsmenge einer Quelle von allen anderen Quellen im Bäderquartier ab. Als zwischen 1830 und 1844 zahlreiche neue Quellfassungen erbohrt wurden, kam es fast zu einem «Quellenkrieg» zwischen den Hotelbesitzern in den Bädern. Der Regierungsrat musste eingreifen (siehe Kontext unten).
In den Grossen Bädern in Baden gibt es 16 warme Thermalquellen, in den Kleinen Bädern in Ennetbaden sind es drei. Zusätzlich gibt es mindestens zwei kalte Quellen im Limmatknie. Historisch am bedeutendsten sind der Grosse und der Kleine Heisse Stein, die St. Verena- und die Wälderhutquelle am Kurplatz.
In der frühen Neuzeit hatten die kleineren Badegasthäuser Sonne, Bären, Ochsen, Raben und Blume Anteile daran. Die grossen Gasthöfe Hinterhof und Staadhof hatten eigene Hausquellen.
Im 19. Jahrhundert wurden die Limmatquelle (die den Bau der Hotels Limmathof, Schiff und Freihof ermöglichte), die Verenahofquelle, die Kesselquelle im Ochsen sowie die Schwanen- und die Adlerquelle in Ennetbaden erbohrt. Die zur Römerzeit genutzte Widchenquelle wurde 1960 wiederentdeckt. (AF.)
Gemäss dem neuen kantonalen Wassernutzungsgesetz bedarf die Nutzung von Heilquellen und Thermalwasser einer Konzession. Bestehende Fassungen und Nutzungen sind laut dem Gesetz bis Ende August 2018 zu regeln. Die Nutzung der Thermalwasservorkommen in Schinznach-Bad und Bad Zurzach sind schon seit längerem geklärt.
Befürchtungen von Badener Quellenbesitzern, der Kanton wolle ihnen buchstäblich das Wasser abgraben, seien völlig unbegründet, sagt Daniel Schaub, Sektionsleiter Grundwasser, Boden und Geologie bei der kantonalen Abteilung für Umwelt. «Der rechtliche Status ist momentan noch nicht klar geregelt», so Schaub.
erliess der Regierungsrat das erste «Dekret über den Schutz der Heilquellen zu Baden». Das Dekret wurde mehrmals revidiert und hat de facto bis heute seine Gültigkeit. Mit dem Dekret stoppte die Regierung das Erbohren neuer Quellen, damit das empfindliche Quellsystem nicht weiter gestört wurde.
Grundwasser sei per se ein öffentliches Gut, aber in Baden sei die rechtliche Situation sehr komplex – genauso wie auch die Hydrologie im Bäderquartier, also das System der Wasserläufe. Es gehe darum, die Quellen vor unzweckmässigem Gebrauch zu schützen – etwa vor einem Verkauf an ausländische Investoren. Es gebe ein erhebliches volkswirtschaftliches Interesse am Erhalt des Badener Bäderquartiers und seiner Hotellerie, sagt Schaub. Deswegen sollte die Aargauer Regierung die Möglichkeit haben, zu intervenieren, wenn so eine Gefahr bestehen würde.
Die Ortsbürgergemeinde Baden hat Anteile am Wasser aus dem Heissen Stein und aus der Limmatquelle. Auch das Hotel Blume, das älteste Haus am Platz, hat ein im Grundbuch verbrieftes Wasserrecht, um sein Thermalwasser vom Heissen Stein zu beziehen, wie Hotelier Patrik Erne sagt.
Die Schüttung aller Quellen wird regelmässig von der kantonalen Abteilung für Umwelt zusammen mit dem Eichmeister der Stadt Baden kontrolliert. Den grössten Anteil an den Badener Quellen hat die Gesundheitsstiftung Bad Zurzach + Baden beziehungsweise deren Tochtergesellschaft Verenahof AG. Ihr gehören alle neun Quellen im sogenannten Verenahofgeviert (in der Bildmitte) mit den ehemaligen Hotels Verenahof, Ochsen und Bären.
Das neue, von Mario Botta entworfene Thermalbad wird unter anderem aus diesen Quellen gespeist werden. Neben der Verenahofquelle zählen dazu etwa die Carolaquelle, die Paradiesquelle, die Widchenquelle und die Hinterhofquelle.
Mit der bevorstehenden Sanierung des Kurplatzes werden die meisten alten Holzleitungen durch neue Kunststoffröhren ersetzt und das historische Bäderquartier auch städtebaulich aufgewertet. Ab 2020 können die Badener und ihre Gäste das mineralreichste Thermalwasser der Schweiz dann endlich wieder in vollen Zügen – und juristisch bedenkenlos – geniessen.