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Spektakuläre Wende im Stadtparlament: Die Bürgerlichen haben am Mittwoch alle Sparanträge zurückgezogen, die sie am Dienstag durchgeboxt hatten. Im Gegenzug stimmten die Linksparteien einem Steuerfuss von 92 Prozent zu - und zähneknischend einer Vorgabe für das Budget 2019.
Die Drähte liefen heiss nach der denkwürdigen Einwohnerratssitzung vom Dienstag. Die Bürgerlichen hatten während der Budgetdebatte Einsparungen in Höhe von einer halben Million Franken beschlossen und angekündigt, am Mittwoch eine weitere Million kürzen zu wollen. Doch soweit kam es nicht. Denn gleich zu Beginn der zweiten Budgetsitzung gestern Mittwochabend machte Adrian Humbel (FDP) den rot-grünen Parteien ein Friedensangebot, das sie letzen Endes – wenn auch teilweise zähneknirschend – annahmen.
Und so lautete das Angebot Humbels und eines Grossteils der Bürgerlichen: «Falls der Einwohnerrat ein Budget mit einem Steuerfuss von 92 Prozent verabschiedet, bieten wir an, alle in der Dienstagssitzung beschlossenen Kürzungen rückgängig zu machen. Gleichzeitig wird der Stadtrat beauftragt, die Einsparungen von 1,5 Millionen im Budget 2019 umzusetzen. Zudem soll der Budgetprozess 2019 von einer einwohnerrätlichen Kommission begleitet werden.» Sollte das Ziel beim Budget verfehlt werden, würde das Vorgehen der letzten Sitzung wiederholt, drohte er an.
Die linke und rechte Ratsseite hatten sich nach der anstrengenden und nervenaufreibenden ersten Budgetsitzung offenbar zusammengerauft und eine Art Friedensvertrag ausgearbeitet, bei der alle Beteiligten das Gesicht waren können, bei dem sich alle ein wenig als Sieger fühlen dürfen und niemand als alleiniger Verlierer.
Der Vorteil dieses Kompromisses aus Sicht der Bürgerlichen: Sie können ihr Ziel eines Steuerfusses von 92 Prozent durchsetzen. Der Nachteil aus ihrer Sicht: Weil auf die beschlossenen Einsparungen verzichtet wird, nehmen sie ein Defizit von rund 1,5 Millionen Franken beim operativen Ergebnis in Kauf.
Der Vorteil des Kompromisses aus Sicht der linken Parteien: Die am Dienstag beschlossenen Budgetstreichungen wie bei der Entwicklungsplanung oder der Kommunikationsstelle werden rückgängig gemacht, auch der Kunstraum, der auf der Kippe war, wird nicht geschlossen. Der schmerzhafte Nachteil des Friedensvertrages für die linken Parteien: Der Steuerfuss bleibt auf aus ihrer Sicht viel zu tiefen 92 Prozent.
Nach langen Diskussionen und mehreren Time-outs, bei der sich die Fraktionen besprachen, kam der Friedensvertrag einstimmig, mit 43 zu 0 Stimmen, zustande. Das Budget wurde mit einem Steuerfuss von 92 Prozent angenommen, wobei die Abteilungen Entwicklungsplanung und Kommunikation nun vorerst doch keine Budgetkürzungen hinnehmen müssen. Keine Chance hatte ein Antrag der SVP auf Rückweisung des Budgets, wobei die überarbeitete Version Einsparungen von 750 000 Franken hätte aufweisen sollen.
Stadtammann Geri Müller (Team) sagte zur erfolgreichen Kompromisslösung: «Ich möchte mich im Namen des Stadtrates und der Verwaltung bedanken, dass diese Lösung zustande gekommen ist.»
Stellt sich noch die Frage, was zum Umdenken führte und den Kompromiss ermöglichte. Geri Müller vermutete, es habe allen Beteiligten gutgetan, in der Nacht nach der turbulenten Sitzung zur Besinnung zu kommen. Beni Steiner (Team) sagte: «Wir kommen nur gemeinsam vorwärts. Wir alle haben geschworen, der Stadt zu dienen, das machen wir jetzt.» Adrian Humbel (FDP) erklärte: «Wir wünschen uns einen klaren, fairen Prozessablauf.» Womöglich spielte auch der laufende Stadtammannwahlkampf eine Rolle, wurde auf der Zuschauertribüne vermutet. Denn straffe Budgetkürzungen und Schliessungen, beispielsweise des Kunstraums, hätten dem bürgerlichen Spitzenkandidaten Markus Schneider (CVP) Stimmen kosten können.