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Die Kantonsschule Baden will ihre Schüler mit einem Wettbewerb zum Bücherlesen animieren. Den Siegern winken E-Book-Reader, eine Reise in den Europa-Park oder gar freie Halbtage.
Bei den einen ist es Harry Potter, bei den anderen Bertold Brechts Dreigroschenoper und bei wieder anderen ein Mathematikbuch. Die meisten Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Baden sind den Anweisungen ihrer Lehrer gefolgt. Sie sollten am Dienstagmittag ein Buch mitbringen und sich alle auf der Wiese bei der Dreifach-Turnhalle versammeln. Die Veranstaltung ist der Auftakt des Projekts «Lesejahr», mit dem die Kantonsschule den Schülern wieder mehr Freude am Lesen vermitteln will.
Dass diese momentan nicht so gross ist, zeigt folgende Szene. Simon Chen, Spoken-Word-Artist, den die Schule zum Start des Projekts eingeladen hat, fragt: «Wer hier liest regelmässig Bücher ausserhalb des Unterrichts?» Etwa 50 Schüler heben ihre Hände. Die anderen fast 1000 schauen verlegen zur Seite.
Dieses Verhältnis soll sich nun durch das «Lesejahr» ändern. Das Projekt funktioniert so: Die Schüler können einzeln oder in Gruppen jedes gelesene Buch bis im nächsten Mai registrieren. Zusatzpunkte gibt es zum Beispiel für das Lesen von Aargauer Büchern oder wenn man sich als Bookface fotografiert. Das bedeutet, ein Buch so in die Kamera zu halten, dass der Einband das eigene Gesicht ergänzt.
Den Siegern winken unter anderem eine Reise in den Europa-Park, E-Book-Reader oder — und das löste unter den Schülern grossen Applaus aus — freie Halbtage. Ausserdem erweckt das «Lesejahr» vielleicht auch den Lokalpatrioten in den Schülern. Denn die Kanti Wohlen hat sich dem «Lesejahr» angeschlossen und tritt gegen die Kanti Baden an.
Ins Leben gerufen haben das Projekt zwei Mediothekarinnen der Kantonsschule Baden: Die Mediotheksleiterin Nina Santner und Melanie Sigg, die nun das «Lesejahr» leitet. Santner sagt: «Wir wollen, dass die Schüler merken, dass Lesen Freude machen kann. Nach der Primarschule nimmt bei vielen das Interesse ab.» In der Kanti werde zwar viel gelesen und Literatur habe einen hohen Stellenwert. Beispiel: Wenn man die Bücher, die ein Schüler in seiner Kanti-Laufbahn lesen muss, aufeinanderstapeln würde, wäre der Bücherturm laut Sigg rund einen halben Meter hoch.
Aber die Freude fehlt beim Lesen häufig. Ein Problem. Denn Santner ist überzeugt: «Dass möglichst viele junge Menschen Bücher lesen, ist extrem wichtig. Gute Literatur ist unabdingbar für die politische Bildung und lässt einen kritisch werden.» Man lerne, Zusammenhänge zu verstehen, und eigne sich den Durchhaltewillen an, längere Texte als Twitter-Nachrichten zu lesen.
«Lesejahr»-Leiterin Sigg sagt: «Wir merken in der Mediothek, dass die Schüler heute eher ein dünnes Buch als den 500-Seiten-Roman aussuchen.» Heute müsse man sich wegen den vielen Ablenkungen fürs Lesen von Büchern bewusst Zeit nehmen. Die Ausleihen in der Mediothek sind laut Santner stabil. Die Schüler liehen 2016 insgesamt 10 157 mal etwas aus der Mediothek aus. In dieser Zahl sind aber nicht nur Bücher enthalten, sondern etwa auch Filme.
Die beiden Mediothekarinnen haben das «Lesejahr»-Projekt in ihrer Arbeitszeit aufgegleist. «Es freut mich sehr, dass uns die Schule die Zeit dafür gegeben hat», sagt Sigg, die sich für das Projekt zeitweise aus dem normalen Arbeitsalltag ausklinken konnte.
Neben dem normalen Mediotheksbudget kostet das «Lesejahr»-Projekt die Kantonsschule Baden rund 5000 Franken. Der Auftritt von Simon Chen wurde zum Teil von «Kultur macht Schule», ein Programm des Kulturdepartements des Kantons Aargau, finanziert. Die Preise werden grösstenteils von Sponsoren zur Verfügung gestellt.
«Um die freien Halbtage mussten wir mit der Schulleitung aber ein bisschen kämpfen», sagt Santner. Man fand eine Einigung: Die freien Halbtage sollen von den Schülern zum Lesen genutzt werden.