Das Theater Purpurrot führt an den zwei kommenden Wochenenden Arthur Schnitzlers „Der einsame Weg“ in der Sodi-Kultur-Halle 8.1 auf.
Christian Kraut hämmert, sägt, bohrt und macht waghalsige Kletterübungen auf der Balustrade der Sodi-Kultur-Halle in Bad Zurzach, wo die Bühne für die neue Aufführung «Der einsame Weg» nach Arthur Schnitzlers Fünfakter «Egoisten» entsteht. Wenn der in Zürich geborene Regisseur über das neue Schauspiel spricht, das er an den zwei kommenden Wochenenden mit dem Theater Purpurrot hier zur Aufführung bringt, fangen seine grünen Augen an zu leuchten. Es fasziniert ihn, dass viele Figuren des Wiener Autors Schnitzler geprägt sind von einem unbändigen, emanzipatorischen Willen zur Selbstverwirklichung. Auch Frauen. «Der einsame Weg» ist ein spannendes Psychogramm von Menschen, die sich in erster Linie für ihre eigenen Bedürfnisse interessieren. Was in der heutigen Ich-Gesellschaft gang und gäbe ist.
Aber das Stück spielt um 1900 in Wien. Felix, der in seiner Familie liebevoll aufwächst, erfährt, dass er ein Kuckuckskind ist. Der leibliche Vater, Maler Julian Fichtner, pflegte einen hedonistischen Lebensstil und verliess seine Mutter nach einer Affäre. Es war ihm zuwider, die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Auf die alten Tage besinnt sich der verlumpte aber charismatische Mann eines Besseren und hofft, für seinen Sohn doch noch eine Vaterfigur sein zu können. Doch schlussendlich scheitern die Annäherungsversuche. Johanna, die Schwester von Felix, tut sich derweil schwer mit der kranken Mutter. Sie ekelt sich vor Menschen, die schwächeln und Hilfe brauchen. Die junge Frau will Stärke und verliebt sich in den viel Älteren von Sala. Der nährt sich von ihrer Bewunderung und will sie sogar heiraten. Doch das wird Julia wiederum zu viel. Dann passiert ein furchtbares Drama, das alles auf den Kopf stellt. Am Schluss siegen Menschlichkeit und Liebe im Stück voller Irrungen und Wirrungen.
Viele Parallelen zum eigenen Leben
«Ich hatte selber eine Mutter, deren oberstes Ziel ihre Selbstverwirklichung war», erzählt Regisseur Kraut. Weil es seine Mama in die weite Welt zog, wuchs der heute 63-Jährige bei den Grosseltern auf. Eine Situation, die jener in «Der einsame Weg» ähnelt. Kraut sieht viele Parallelen zu seinem Leben in Schnitzlers Stück und man spürt, mit welcher Leidenschaft er es inszeniert. Mit seiner Frau Karen Ochsner, die Präsidentin des Theatervereins Purpurrot ist und in «Der einsame Weg» mitspielt, hat er seinen Lebensmittelpunkt in Kaiserstuhl gefunden.
Kennen gelernt haben sich die beiden bei den Kammerspielen Seeb von Urs Blaser, wo Kraut Regie machte und Ochsner auf der Bühne stand. Gemeinsam gründeten sie vor 18 Jahren die Theatergruppe Tribüne Freienstein, aus der das heutige Theater Purpurrot entstand.
«Ich schlüpfe gerne in Rollen»
Nach fünf Jahren warfen sie das Handtuch. «Auch weil wir zwei Kinder hatten, und es finanziell eng wurde», erzählt Ochsner. Letztes Jahr holte das Ensemble die zwei zurück für die 10-Jahr-Jubiläumsproduktion «Schlechte Gesellschaft», zu der Kraut selber das Stück schrieb.
Neben seiner Regietätigkeit war er 12 Jahre lang für die UNO, das Rote Kreuz und andere Organisationen als Buschpilot in krisengeschüttelten Gebieten unterwegs. «Wenn mein Mann seine Einsätze hatte, übernahm ich die Regie», erzählt Karen Ochsner. Trotz ihres 100-Prozent-Jobs als Primarlehrerin in Tegerfelden möchte sie nicht auf die Schauspielerei verzichten. «Meine Mutter stammt von den Färöer-Inseln – einer völlig anderen Welt, als wir sie hier kennen. Das hat mich geprägt. Ich schlüpfe gern in Rollen hinein und stelle mir vor, wie mein Leben wohl dann verlaufen wäre.»