Vergnügliche Lesung zum Plätschern im Badener Thermalwasser erinnerten an die schönen alten Kurzeiten.
Ein Sturm fegt am Donnerstagabend über den Limmatsteg und bläst uns Richtung «Limmathof» und gleich daneben zum ältesten Badgasthof, dem «Bad zum Raben». Vorbei am historischen Badezuber und dem sprudelnden Mineralwasser aus dem heissen Stein in die weiss gewölbten Badstuben und zum Gemeinschaftsbecken. Natürlich alle in Badelatschen, einige sogar schon umgezogen, im Badekleid, wohlig im warmen Becken plantschend.
Ein Glas Wein oder ein Bier – und schon begrüsst uns Katja Bianchi im Namen des Historischen Museums Baden und stellt Gabriele Stemmer Obrist, die Präsidentin der Literarischen Gesellschaft Baden, und die Aktuarin Ursula Hasler Roumois vor. Beide Vorstandsmitglieder überraschen an diesem Tag als Schauspielerinnen und erzählen uns als Kurdirektorin Veronika Plätscherquell und als Kurärztin Dr. Agathe Kussmaul Amüsantes und Gewagtes zum Phänomen des Kurschattens.
«Bei vielen Kuren zur Genesung einer Krankheit gesellt sich als amüsante Bereicherung ein Kurschatten in Form eines ebenfalls kurenden vorübergehenden Partners oder einer Partnerin dazu, was die Heilung enorm fördert», gibt Kurärztin Dr. Kussmaul preis. Und Kurdirektorin Plätscherquell weiss aus reicher Erfahrung: «Es gibt vier verschiedene Typen – die Detektivin mit hellen Augen, Stupsnase und flinker Zunge sowie die Klatschtante. Dann gibt es den Neunmalklugen, der alles besser weiss, und schliesslich den Sportfan, der den weissen Pullover über die strammen Schultern geschlungen trägt. So begegnen sich die Kurgäste bei ihren Anwendungen, beim Kurkonzert oder der Wanderung. Denn gemeinsam ist es viel leichter, sich wieder zu freuen oder gar verschämt zu amüsieren. Nichts ist jedoch so präzise wiederkehrend wie das Wiedersehen bei Tisch. Hier können sich sanft oder zuweilen auch ungestüm erste Zuneigungen zu wilden Liebesstürmen entfalten. Wie etwa in Thomas Manns «Zauberberg» – zwischen Kurgast Hans Castorp und seiner verehrten und attraktiven, aber exaltierten Russin.
Schade, dass die süffisanten Geschichten nach einer Stunde zu Ende sind – die meisten stammen übrigens aus einem vergriffenen Bändchen aus dem Antiquariat. Denn noch länger möchte man lauschen und träumen und dabei selbst ein Kurgast mit oder ohne Kurschatten sein. Das Ehepaar Heidi und Albert Kappeler aus Baden gönnt sich noch einen Drink. Ihnen hat es sehr gut gefallen. Sie meint: «Ich bin regelmässig im Limmathof zum Wellnessen, war aber zu meiner Schande noch nie hier, das wird sich jetzt ändern.
Die Zusammenarbeit des Vereins «Bagni popolare», des Historischen Museums und der Literarischen Gesellschaft hat sich bewährt. Weitere Ausstellungen und Events sind geplant. Sicher ist es stimmig, hin und wieder einzutauchen in die neu-alten Badegeschichten, denn Baden lebt ja diese Kultur auch aktuell. So huschen drei Gestalten im Badkleid zur Tür hinaus an die Kälte, tauchen gegenüber auf der Terrasse des Hotels «Blume» wieder ein in den Bottich mit heissem Wasser und bestellen ein Bier. Andere treffen wir im ehrwürdigen «Schwanen» genüsslich tafelnd bei Speis und Trank, wie zu alten schönen Kurzeiten ...