Eine erste Einschätzung der Wahlchancen von Nationalratskandidatinnen und -kandidaten aus der Region.
In sechs Monaten finden die eidgenössischen Wahlen statt; alle grossen Parteien haben nominiert. Nach den Kantonsratswahlen von Zürich, Baselland und Luzern wird darüber spekuliert, wie stark sich der Klimawandel und die Frauenfrage auf den Ausgang der National- und Ständeratswahlen auswirken werden. Heruntergebrochen auf die Bezirke Baden und Zurzach, stellt sich die Frage: Wer hat Chancen, den Sprung nach Bern zu schaffen?
So präsentiert sich die Ausgangslage: Dem Aargau stehen 16 Nationalratssitze zu. Davon stammen 6 aus den Bezirken Baden und Zurzach. Eigentlich wären es sogar deren 7. Doch weil der Sitz von Jonas Fricker (er trat im Herbst 2017 nach einer umstrittenen Aussage zurück) an Irène Kälin ging, verlor der Bezirk Baden einen Sitz.
Die SVP ist mit zwei Nationalräten aus den Bezirken Baden und Zurzach in Bern vertreten. Hansjörg Knecht (Leibstadt) tritt wieder an und kandidiert zudem (wieder) für den Ständerat. Nicht mehr antreten wird Luzi Stamm (Baden), der zuletzt mit seinem Kokain-Kauf in Bern schweizweit für Schlagzeilen sorgte. Weil auch Maximilian Reimann, Ulrich Giezendanner und Sylvia Flückiger Bäni nicht mehr für die SVP antreten, werden mindesten vier Sitze frei. Sollte Knecht gar in den Ständerat gewählt werden, wären es sogar fünf Sitze. Welche Kandidaten im Ostaargau könnten diese Sitze beerben? Gute Chancen können sich Martin Keller (Obersiggenthal) und Stefanie Heimgartner (Baden) ausrechnen.
Martin Keller liegt auf dem vierten Listenplatz und belegte bei den Wahlen vor vier Jahren den ersten Ersatzplatz. Er tritt immer wieder medial in Erscheinung. So vor allem als Gegner der geplanten fixen Radarfalle an der Gstühlkreuzung in Baden. Gross sind die Chancen auch für Stefanie Heimgartner, die auf dem sechsten Listenplatz figuriert. Bei den Wahlen 2015 belegte sie den dritten Ersatzplatz. Die 31-jährige Badener SVP-Einwohnerrätin und Grossrätin blickt trotz ihres jungen Alters auf eine lange Karriere als Politikerin zurück. Im Alter von gerade einmal 23 Jahren wurde sie Einwohnerrätin. Nur Aussenseiterchancen hat die Wettinger Grossrätin und Einwohnerrätin Michaela Huser auf dem 14. Listenplatz.
Die FDP ist derzeit mit 3 von 16 Sitzen in Bern vertreten – mit Thierry Burkart (Baden) stammt ein Nationalrat aus dem Bezirk. Wer könnte seinen Sitz erben, sollte er in den Ständerat gewählt werden? Wer den Sitz Corina Eichenbergers, die nicht mehr antritt? Und wer holt einen allfälligen vierten Sitz, den die Liberalen anstreben? Die Zeichen, dass es eine Person aus der Region Baden/Zurzach sein wird, stehen eher schlecht. Am ehesten ist Claudia Hauser aus Döttingen eine Chance einzuräumen. Sie tritt bereits zum dritten Mal an und liegt auf dem guten 6. Listenplatz. Hauser ist Vize-Präsidentin der FDP Aargau, Grossrätin, Bezirkspräsidentin Zurzach sowie im Vorstand der FDP-Frauen Aargau. Hauser ist bestens vernetzt und leitete vor vier Jahren unter anderem den Wahlkampf von Ständerat Philipp Müller. Eher Aussenseiterchancen sind dem Turgemer Gemeindeammann und Grossrat Adrian Schoop zuzutrauen, da er nur auf dem 14. Listenplatz figuriert. Doch Schoop ist weit über die Gemeindegrenze bekannt und hat sich vor allem mit Fusionsabsichten mit Baden und mit einem rigiden Sparkurs seiner Gemeinde ins Gespräch gebracht. Gina Kern (Ehrendingen) sammelt derweil erste Erfahrungen an Nationalratswahlen.
Bei der SP treten die beiden bisherigen Nationalräte Cédric Wermuth und Yvonne Feri (Wettingen) wieder an. Ein Wechsel von Wermuth in den Ständerat gilt als wenig wahrscheinlich. Aber die SP könnte – insbesondere, wenn sie eine Listenverbindung mit den aktuell auf einer Erfolgswelle schwimmenden Grünen eingeht – ein drittes Mandat dazugewinnen. Als Topfavoritin auf diesen möglichen Sitz gilt SP-Kantonalpräsidentin Gabriela Suter aus Aarau. Doch mit Simona Brizzi (Ennetbaden) und Florian Vock (Baden) auf den Listenplätzen vier und fünf dürfen sich auch zwei Kandidaten aus dem Bezirk Baden Hoffnungen auf eine Wahl machen. Brizzi ist seit zwei Jahren Grossrätin und setzt sich vor allem für Bildungsthemen ein. Auch Vock ist Grossrat und zudem Präsident des Aargauischen Gewerkschaftsbundes. Auf hinteren Listenplätzen befinden sich Jürg Caflisch (Präsident der VCS-Sektion Aargau, Baden), Mia Gujer (Wettingen) und Elena Flach (Rekingen). Seit 2015 steht Flach der SP-Sektion Zurzach als Präsidentin vor. Auf kantonaler Ebene engagiert sie sich seit 2016 als Co-Präsidentin der SP-Frauen Aargau.
Mit Ruth Humbel ist die CVP gerade einmal mit einem Sitz in Bern vertreten. Die Christdemokraten hoffen aber bei den Wahlen im Herbst auf einen Sitzgewinn. Wer kommt dafür infrage? Am meisten Chancen hat sicher Marianne Binder-Keller aus Baden – sollte sie nicht in den Ständerat gewählt werden. Ansonsten finden sich wenige Kandidaten aus den Bezirken Baden/Zurzach. Auf dem vierten Listenplatz liegt Andreas Meier aus Klingnau. Er ist Grossrat, Parteivorstand CVP Aargau sowie Präsident CVP Bezirk Zurzach. Auf den letzten beiden Listenplätzen befinden sich Edith Saner (ehemalige Frau Gemeindeammann Birmenstorf) und Pia Viel, die in Ehrendingen auch schon für den Gemeinderat kandidierte.
Bei den Grünen tritt Irène Kälin wieder an. Sollten die Grünen tatsächlich einen Sitz dazugewinnen, dürfen sich Ruth Müri (Baden) und Kim Schweri (Untersiggenthal) auf den Listenplätzen 2 und 3 bewerben. Müri ist seit sechs Jahren Badener Stadträtin und Bildungsvorsteherin und seit 2017 Grossrätin. Sie kandidiert zwar auch für den Ständerat, hat aber wohl keine Chancen gegen das bürgerliche Trio Knecht, Binder, Burkart. Schweri ist seit 2016 (wieder) Grossrätin. Auf dem 12. Listenplatz befindet sich Christian Keller aus Obersiggenthal. Seit Februar ist er Geschäftsführer des VCS Aargau und bringt sich immer wieder mit pointierten Aussagen zu Umweltthemen ein.
Bei den Grünliberalen dürfte alles davon abhängen, ob sie neben Beat Flach (Auenstein) dank des aktuellen Rückenwindes und allenfalls einer guten Listenverbindung einen zweiten Sitz machen werden. Wenn ja, dürfte sich mit Gian von Planta auch ein Kandidat aus dem Bezirk Hoffnungen machen. Er befindet sich auf dem 3. Listenplatz und hat sich schon national als GLP-Fraktionschef im Kanton Zürich einen Namen gemacht, als er sich vor sechs Jahren als Gegner des neuen Fussballstadions Hardturm hervortat. Seit 2017 ist er Badener Einwohnerrat und nächste Woche wird er als Grossrat in die Pflicht genommen. Weitere GLP-Kandidaten aus der Region sind: Fiona Hostettler (Baden), Orun Palit, Ruth Jo. Scheier und Manuela Ernst (alle Wettingen).
Die BDP hat sich derweil zum Ziel gesetzt, ihren Sitz von Berhard Guhl (Niederrohrdorf) zu verteidigen. Weitere Kandidaten sind der Würenloser Gemeinderat Lukas Wopmann, Michael Notter aus Niederrohrdorf, Annekäthi Hess aus Obersiggenthal, Bianca Martelleti aus Freienwil, Olivia Schmidt Baumann aus Remetschwil, Roland Meier aus Wettingen sowie Roman Wyler aus Remetschwil.