20 bis 30 Prozent weniger Umsatz: So fasste der Badener Weinhändler Daniel Cortellini die Situation der Ladenbesitzer in der Innenstadt zusammen. Doch ist die Lage wirklich so prekär? Und liegt das Umsatzminus nur an der Schulhausplatz-Baustelle?
Das Gewerbe in der Innenstadt steht derzeit arg unter Druck. Erst vergangene Woche schrieb BT-Kolumnist und Badener Weinhändler Daniel Cortellini, zu den Herausforderungen Frankenstärke und Einkaufstourismus komme seit Juli eine dritte hinzu: der Schulhausplatzumbau. «Wer sich mit Ladenbetreibern unterhält, bekommt schnell einmal Zahlen wie 20 oder gar 30 Prozent minus zu hören.» Parkplätze würden leer bleiben. Ginge es so weiter, «laufen wir Gefahr, dass verschiedene Ladengeschäfte in der Innenstadt die Bauerei nicht überleben».
Ist die Schulhausplatz-Pille tatsächlich so bitter für die Läden in der Innenstadt? Die Bilanzen fallen unterschiedlich aus. Klar ist: Es kommen weniger Kunden in die Stadt. Besonders prekär ist die Situation in der Weiten Gasse. Ladenbesitzer geben bereits Rabatte auf neue Kollektionen, denn seit dem Start des Umbaus bleiben einige Läden praktisch leer.
Auch an der Badstrasse zeichnet sich der Rückgang ab. Die Kunden sind verunsichert. «Es kommen weniger Kunden, weil sie nicht genau wissen, wie sie in die Stadt fahren müssen und wo sie parkieren sollen», sagt Peggy Garn vom Optikergeschäft Kovats AG. Sie ist bei Weitem nicht die Einzige, die dies beobachtet.
City-Com-Präsident Robert Sailer sagt: «‹Magnetbetriebe›, für die man extra in die Stadt kommt, sind vom Umbau stärker betroffen als jene Geschäfte, bei denen die Passanten im Vorbeigehen noch etwas kaufen.» Mit «Magnetbetrieben» spricht Sailer unter anderen die Migros oder den Manor an. Manor-Mediensprecherin Ellen Steinbrecher bestätigt: «Wir spüren aktuell den Umbau und stehen mit unseren Mitbewerbern in engem Kontakt. Via City Com suchen wir den Dialog mit der Stadtregierung.»
Derzeit klärt das Standortmarketing zusammen mit der City Com, ob es tatsächlich weniger Verkehr hat und ob weniger Kunden in die Stadt kommen. «Die Bauarbeiten dauern noch zu kurz, als dass man schon eine klare Tendenz ausmachen könnte», sagt Standortmarketing-Leiter Thomas Lütolf .
In den Gesprächen mit den Ladenbesitzern wird schnell klar, dass der Schulhausplatz nur einer von vielen Faktoren ist. Auch der heisse Sommer hat zu schaffen gemacht. «Bei Temperaturen von über 30 Grad hatte kaum jemand Lust, shoppen zu gehen», sagt Jeans-Boutique-Geschäftsführerin Silvia Zimmermann. «Zudem kaufen viele Leute im grenznahen Ausland ein oder bestellen im Internet», sagt sie. Internetshops grasen auch dem Spielwarengeschäft Miracoolix beim Theaterplatz einige Kunden ab.
«Die Zeit ist schnelllebig geworden», sagt Geschäftsführerin Monica Weiss. Wenn man eine Ware nicht an Lager habe, so würden die Kunden das Produkt online kaufen. Sie macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: Damit Shoppen in der Stadt attraktiv bleibe, sei eine Mischung von Geschäften nötig. «Doch weil die Mieten der Geschäftsflächen gestiegen sind, können sich oft nur noch internationale Kleider-Ketten die Preise leisten.» Die Folge: «Kleider, Kleider, Kleider», sagt Weiss.
Viele «Lädeler» würden es begrüssen, wenn die Stadt zusammen mit der City Com während des Schulhausplatzumbaus gratis Parkplätze anbieten würde. Doch damit wären die Probleme nicht gelöst. «Die Kunden wollen ein schönes emotionales Erlebnis haben, wenn sie shoppen» sagt Lütolf. Deshalb setze man auf mehrere Kanäle. «Seit der Eröffnung des vergrösserten Tagungszentrums Trafo steigt die Zahl der Tagungsgäste. Wir nutzen dieses Potenzial, indem die Gäste in einem passenden Moment einen Porträt-Film über Baden zu sehen bekommen.»
Der Imagefilm der Stadt Baden:
Zudem sei man mit dem städtischen Info-Guide und der Kulturagenda in mehreren grossen Firmen im unternehmensinternen Intranet vertreten. «Das sind zwei Massnahmen, mit denen wir die Innenstadt den Gästen und Mitarbeitern ins Bewusstsein rufen», erklärt Lütolf. Die Erfahrungen seien positiv, «natürlich braucht es aber auch Geduld, bis der Erfolg solcher Aktionen spürbar wird». Veranstaltungen und Märkte sollen bei den Badener Gästen positive Erinnerungen vermitteln. «Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Leute als Kunden die Stadt wieder besuchen», sagt Lütolf. Die Stadt ist zudem Mitglied des Vereins IG Aargauer Altstädte, der sich unter anderem für den Gastro- und Shoppingtourismus in den Altstädten starkmacht.
Was den Ladenmix betrifft, so gelte für die Mietpreise der freie Wettbewerb. «Doch wir arbeiten mit Liegenschaftsbesitzern in der Innenstadt zusammen», so Lütolf. Vor allem die Einheimischen unter ihnen nehmen etwas tiefere Mietpreise in Kauf, um den Ladenmix und die Einkaufsattraktivität zu erhalten. «Dadurch steigen die Chancen für Läden aus der Region.»
Den Herausforderungen im Detailhandel begegnet auch der Gewerbeverein aktiv: Mit einer 10-Prozent-Gutscheinaktion, die bis September lief, wollte man die Kunden zum Shoppen animieren. «Die Aktion lief sehr gut», sagt etwa Peggy Garn von Kovats Optik. Weil aber die City Com die 10 Prozent aus eigener Tasche zahlt, kann sie die Aktion nicht beliebig oft oder über längere Zeit durchführen. «Vorerst ist das Budget ausgeschöpft» sagt City-Com-Präsident Sailer.
Für Weinhändler und Kolumnist Cortellini ist klar, dass es auch seitens der «Lädeler» Engagement braucht. «Wir müssen zusammenarbeiten». Eine Idee wäre beispielsweise, einen gemeinsamen Lieferservice der Badener Geschäfte zu etablieren. «Statt dass die Leute zu uns kommen müssen oder bei Amazon und Zalando bestellen, gehen wir zu ihnen», schlägt Cortellini vor.
Würden mehrere Detaillisten mitmachen, würde sich die Arbeit verteilen und die Fahrten würden sich eher lohnen. «Ich wäre sofort dabei, aber organisieren müsste es wohl die City Com mit ihrem Netzwerk», sagt Cortellini. City-Com-Präsident Sailer: «Wir würden den Service sofort unterstützen, jedoch ist es aus finanziellen Gründen nicht machbar. Wir haben diese Option bereits diskutiert.»
Lütolf schlägt weitere Möglichkeiten für die Innenstadt vor: Da viele Infos zu den Geschäften bereits online vorhanden sind, wäre es denkbar, diese den Ortsunkundigen auf fix installierten Bildschirmen in der Innenstadt oder auf ihren Mobilgeräten zur Verfügung zu stellen. Eine Karte könnte zeigen, wo ein bestimmtes Geschäft zu finden ist. «Denn wer nicht weiss, wo sich der Spielzeugladen oder das Fotogeschäft befindet, wird auch nicht dort einkaufen», sagt Lütolf.