Das Wettinger Parlament muss an der nächsten Sitzung über Vorschläge befinden, welche die Gemeinde aus der finanziellen Schieflage befreien sollen. Sparpotenzial hat der Gemeinderat erneut nicht entdeckt.
Am 29. Juni hat der Wettinger Einwohnerrat gleich über drei finanzpolitische Vorstösse zu befinden. Deshalb nahm Vizeammann und Finanzvorsteher Markus Maibach (SP) am Montag an einer Medienkonferenz dazu Stellung. Zwei davon hat der Gemeinderat ausführlich beantwortet, einen empfiehlt er zur Entgegennahme.
Bei Letzterem handelt es sich um das Postulat der Mitte mit dem Titel «Mission eine Generation II»: In diesem wird der Gemeinderat aufgefordert, die Nettoschuld auf maximal 6000 Franken pro Einwohner zu begrenzen. Zur Erinnerung: Im Jahr 2022 wies die Gemeinde eine Pro-Kopf-Verschuldung von rund 5100 Franken aus. Der Kanton empfiehlt maximal 2500 Franken pro Einwohner.
Im Finanzplan wird bis 2029 mit einer Pro-Kopf-Verschuldung bis 9000 Franken gerechnet, dies aber bei einem Steuerfuss von 101 Prozent (heute 95). Mit einer selbstauferlegten Limite von 6000 Franken solle die Situation wieder ins Lot gebracht werden, heisst es im Vorstoss. Dies könne «durch Sparen, Schieben beziehungsweise den Verzicht auf einzelne Investitionen sowie letztlich mit adäquaten Steuererhöhungen erreicht werden.»
Wo der Gemeinderat noch Sparpotenzial sieht, ist Thema im Vorstoss von SVP-Einwohnerrat Martin Bürlimann. Die Exekutive macht nach ausführlichem Durchleuchten verschiedenster Optionen in ihrer Antwort keine grosse Hoffnung: «Eine substanzielle Reduktion der Gemeinde-Ausgaben ist angesichts der bereits getätigten Sparanstrengungen, angesichts der politischen Haltung in Bezug auf freiwillige Leistungen und vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussionen mit den politischen Parteien im ordentlichen Haushalt nicht möglich.»
Den grössten Sparhebel sieht der Gemeinderat beim baulichen Unterhalt, doch dieser sei inzwischen nicht mehr vorhanden, relativiert er gleich wieder. Um einen Budgetausgleich zu realisieren, sei dort in den letzten Jahren «sehr viel eingespart respektive die nötigen Unterhaltsarbeiten hinausgeschoben und dadurch die Substanz vernachlässigt» worden. Grosser Nachholbedarf wurde festgestellt.
Das Problem liege aber vielmehr bei der Ertragsseite, weil der Steuerfuss nicht angepasst werden könne, um die erforderliche Selbstfinanzierung zu erreichen. Die ungenügende Selbstfinanzierung sei das «strukturelle Problem» der Gemeinde, weil sie zu einer Zunahme der Verschuldung führe. Deshalb müssten «entweder die Investitionsausgaben stark reduziert und priorisiert und/oder der Steuerfuss erhöht werden».
In seiner Antwort führt der Gemeinderat auf, was der Verzicht von gewissen Leistungen wie zum Beispiel jenen des Werkhofs bedeuten würde. Dessen Arbeit in den Bereichen Gemeindestrassen, Friedhof und Parkanlagen kostete die Gemeinde im letzten Jahr rund 1,53 Millionen Franken. Diese «Leistungen sind zwingend für die Attraktivität», schreibt er kurz und bündig.
«Wir haben auch schon mehrfach kommuniziert, dass wir an unseren sogenannten Leuchttürmen festhalten wollen, an freiwilligen Aufgaben wie zum Beispiel der Bibliothek, Teile der Musikschule oder dem Gluri-Suter-Huus», führte Maibach an der Medienorientierung aus. Etwas mehr als 2 Millionen kostete dies die Gemeinde im letzten Jahr.
Bei den Sozialhilfekosten werde der Spielraum ausgeschöpft, den das Gesetz erlaube. Dies gelte insbesondere für die Einforderung von Rückerstattungen, so der Gemeinderat.
«Die Debatte um die Gesetzesmässigkeit der Anrechnung von Freizügigkeitsguthaben hat gezeigt, dass Wettingen diesbezüglich bereits sehr weit geht.»
Weil er kein substanzielles Sparpotenzial mehr ausmachen kann, hält der Gemeinderat deshalb den dritten Vorstoss für «eine sinnvolle Sache», sagte Maibach: Eine Motion der Mitte zur Vorfinanzierung des Oberstufenzentrums ab 2024. So wird im Masterplan Schulraum bis 2040 mit Investitionen von rund 200 Millionen Franken gerechnet. Die Kosten für das neue Schulzentrum werden auf 60 bis 70 Millionen Franken beziffert.
Konkret soll eine Steuerfusserhöhung im 2025 daran gekoppelt werden. Das heisst, die Bevölkerung würde, sobald der Einwohnerrat dem zugestimmt hat, zwar über einen höheren Steuerfuss befinden, dies aber im Wissen darum, dass die Erhöhung ausschliesslich in den Schulraum fliesst. Die Mitte-Fraktion wünschte eine solche Vorfinanzierung bereits für das nächste Jahr. Das sei aber nicht möglich, erklärte Maibach, «wir sind noch nicht so weit mit der Planung».
So handelt es sich beim Oberstufenzentrum noch nicht um ein konkretes Investitionsprojekt. Die Kosten wurden erst grob geschätzt, um die möglichen finanziellen Auswirkungen abzubilden. Im Masterplan Schule sei nur aufgezeigt worden, wo das Potenzial eines solchen Zentrums liege. Dessen Machbarkeit liege voraussichtlich im Herbst vor.
Sobald die nachgewiesen sei, werde ein Projektwettbewerb vorbereitet. Im Januar 2024 soll dem Einwohnerrat deshalb ein Kredit von rund einer Million Franken unterbreitet werden. Danach würde auch eine klare Absichtserklärung vorliegen. Ferner seien die ungefähren Baukosten dann ebenso bekannt, damit die Vorfinanzierung im Budget 2025 berücksichtigt werden könne. Der Gemeinderat schlägt vor, diesen Vorstoss als Postulat zu überweisen.