In Wettingen steigen die Stromtarife im nächsten Jahr um durchschnittlich 63 Prozent. SVP-Einwohnerrat Daniel Notter fordert vom Gemeinderat, den steigenden Preisen entgegenzuwirken. Was der Gemeinderat dazu sagt.
In Wettingen muss ab dem neuen Jahr durchschnittlich 63 Prozent mehr für den Strom bezahlt werden. Für einen Durchschnittshaushalt bedeutet das einen Aufschlag von monatlich 44 Franken. Das rief die SVP auf den Plan: Einwohnerrat Daniel Notter forderte in einer Motion, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken. Er schlug vor, dass die von Energie Wettingen (ehemals EWW) in guten Zeiten gebildeten Reserven mittels Tarifreduktionen an die Kundschaft zurückgegeben werden.
Das Unternehmen, das in Wettingen für die Strombeschaffung zuständig ist, stehe finanziell sehr gut da und könne es sich erlauben, ein Geschäftsjahr auch mit einem negativen Ergebnis abzuschliessen. So wird Energie Wettingen das laufende Jahr mit einem Verlust von mehreren hunderttausend Franken abschliessen. Dies hatte Vizeammann und Finanzvorsteher Markus Maibach (SP) an der vergangenen Budgetsitzung bereits angekündigt.
Eins vorweg: Im nächsten Jahr kommt eine Senkung der Preise gar nicht mehr in Frage. Eine Anpassung von bereits festgelegten Stromtarifen sei gesetzlich nicht zulässig, schreibt der Gemeinderat in der nun vorliegenden Antwort zum Vorstoss. Artikel 10 der Stromversorgungsverordnung verpflichte die verantwortlichen Unternehmen, die Netznutzungs- und Elektrizitätstarife für das folgende Tarifjahr bis spätestens 31. August zu veröffentlichen.
Geschraubt werden könnte höchstens an den Stromtarifen für 2024, die aufgrund der gestiegenen Marktpreise laut Gemeinderat voraussichtlich noch höher ausfallen werden als 2023. Eine Strompreisreduktion ab 2024 könnte zum Beispiel durch die Senkung der Konzessionsabgabe von 0,85 Rappen pro Kilowattstunde erreicht werden, die im schweizweiten Vergleich sehr hoch sei. Diese verrechnet die Gemeinde der Energie Wettingen für die Nutzung des öffentlichen Eigentums.
Oder aber auch ein Verzicht oder Teilverzicht auf zukünftige Dividendenzahlungen wäre möglich, schreibt der Gemeinderat. Wettingen profitiert vom Erfolg der Energie Wettingen durch jährliche Dividendenzahlungen. 2020 erhielt sie 500'000 Franken, ein Jahr später 350'000 Franken.
Gemäss Geschäftsbericht verfügte die Aktiengesellschaft per Ende 2021 über flüssige Mittel von rund 5,3 Millionen Franken und Reserven von rund 68,5 Millionen. Zudem konnte sie einen Gewinnvortrag von 743'379 Franken verbuchen. Dieser werde sich jedoch laut Gemeinderat auf Ende Jahr «massgeblich» reduzieren.
Die stark ansteigenden Energiepreise seit Herbst 2021 seien so nicht budgetiert worden. Das negative Ergebnis von Energie Wettingen ist darauf zurückzuführen, dass die letzte Strommenge für das laufende Jahr wesentlich teurer eingekauft werden musste als geplant (siehe Infobox unten).
Den flüssigen Mitteln und kurzfristigen Forderungen von rund 11 Millionen Franken per Ende 2021 würden kurzfristige Verbindlichkeiten in der Höhe von 8,3 Millionen Franken gegenüberstehen. Rund 4 Millionen Franken davon stehen der Gemeinde zu, weil die Abfall- und Abwassergebühren von Privathaushalten und von gewerblichen Betrieben zusammen mit den Strom- und Wasserbezügen von Energie Wettingen in Rechnung gestellt werden.
Die Reserven wiederum seien zur Deckung allfälliger Verluste da. Würden die Stromtarife 2024 wieder gesenkt, führe das zu einem Verlust im Jahresergebnis, woraufhin die Reserven aufgelöst werden müssten. In diesem Fall könnten keine Dividenden an die Gemeinde ausbezahlt werden.
Der Gemeinderat schlägt dem Einwohnerrat am 17. November die Motion zur Ablehnung vor. Er wäre aber bereit, den Vorstoss als weniger verbindliches Postulat entgegenzunehmen.
Energie Wettingen kauft den benötigten Strom über drei Jahre in mehreren Teilmengen im Voraus ein. Dieses Jahr sei die beste Strategie gewesen, den Strom so früh wie möglich an den Strombörsen einzukaufen, weil er im Laufe des Jahres massiv gestiegen sei. «In früheren Jahren war es meistens genau umgekehrt», schreibt der Gemeinderat in der ebenso vorliegenden Antwort zur Interpellation der GLP, die auch die gestiegenen Stromtarife im Fokus hatte.
Die Grünliberalen wollten wissen, wie es zu den Tarifen in Wettingen kommen konnte, «während umliegende Gemeinden rund die Hälfte oder weniger an Erhöhung zu verbuchen haben». Energie Wettingen habe Ende August die letzte Teilmenge für das Tarifjahr 2023 beschafft, beschreibt der Gemeinderat das Vorgehen. Ursprünglich sei die Beschaffung für Juli vorgesehen gewesen, doch zu diesem Zeitpunkt befand sich der Markt «in einer extremen Ausnahmesituation und die Verunsicherung war so gross», dass Energie Wettingen keine Angebote zu ihrer Ausschreibung erhielt. Die Restteilmenge musste deshalb zu deutlich höheren Preisen eingekauft werden.
Energieversorger, die ihre Einkaufsstrategie früher als Energie Wettingen abgeschlossen hätten, mussten ihre Tarife weniger stark anpassen. Je nach Entwicklung der Strompreise könnte es sein, dass sich die Unterschiede in Zukunft auch wieder ausgleichen, so der Gemeinderat weiter.
Energieversorger, die über eigene Kraftwerke oder Beteiligungen daran verfügen, wie zum Beispiel die Regionalwerke Baden, müssten dank Eigenproduktion ihre Preise im kommenden Jahr nicht so stark erhöhen. Bei Energieversorgern ohne eigenes Kraftwerk sei der wesentliche Unterschied auf den Zeitpunkt der Einkaufsstrategie zurückzuführen.
An dieser will der Gemeinderat weiterhin festhalten: Damit werde das Risiko vermindert, die gesamte Strommenge am Grosshandelsmarkt zum teuersten Zeitpunkt beschaffen zu müssen. (cla)