Wettingen
Zahnbürsten-Dieb wehrt sich: «Die Ladendetektivin hat sie mir beim Anrempeln wohl untergeschoben»

Ein Mann war vor dem Badener Bezirksgericht wegen eines Diebstahls in einem Supermarkt angeklagt. Den Richter konnte er allerdings nicht überzeugen.

Luca Giannini
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Der Eingang zum Tägipark.

Der Eingang zum Tägipark.

Archivbild: Annika Buetschi

Ein 59-jähriger Mann wollte im Februar vergangenen Jahres im Coop im Wettinger Tägipark einen speziellen Whiskey kaufen. Einmal da, kaufte er auch gleich noch Hackfleisch und Zahnpasta. So weit, so unspektakulär – könnte man meinen. Die Staatsanwaltschaft Baden wirft ihm jedoch vor, auch eine Ersatzbürste für eine elektronische Zahnbürste eingesteckt zu haben, ohne diese an der Kasse zu bezahlen.

Gegen den Strafbefehl und eine Busse von 200 Franken wegen geringfügigen Diebstahls wehrte sich der Mann per Einsprache und erschien mit seinem Anwalt vor dem Badener Gerichtspräsidenten Patrick Jegge, der als Einzelrichter amtete.

«Mutmassung und Spekulation» der Staatsanwaltschaft

Auf den Überwachungsaufnahmen sehe man den Beschuldigten in der Hygieneabteilung bei den Zahnbürsten, so Jegge. Er wollte vom Beschuldigten wissen, wieso. Der Gefragte antwortete, er habe Zahnpasta in seinen Einkaufskorb gelegt und dann noch die Bürsteli angeschaut.

Eingepackt habe er sie nicht, denn drei Wochen zuvor habe er ja schon welche gekauft gehabt und neue demzufolge keine nötig. Er kenne das Video. Die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft sei jedoch reine «Mutmassung und Spekulation», denn ein Diebstahl sei darauf nicht zu sehen.

Polizei habe sich «semiprofessionell» verhalten

Beim Herausgehen aus dem Tägipark sei er dann von der Ladendetektivin ziemlich stark angerempelt worden, so der Beschuldigte. Kurz darauf hielt diese ihn auf dem Parkplatz an und habe in der Einkaufstasche die Ersatzbürste gefunden. Dazu sagte er: «Sie hat mir die beim Anrempeln wohl untergeschoben.»

Richter Jegge schien diese Erklärung nicht ganz zu befriedigen und wollte wissen, wieso der Mann die Quittung an der Kasse solange angeschaut habe – etwa weil darauf das Bürsteli fehlte? Seine Antwort:

«Nein. Weil der Whiskey teuer war.»

Er schilderte dann die folgende Situation mit der Polizei, die von der Ladendetektivin gerufen worden war. Die Polizei habe sich «semiprofessionell» verhalten, ihn nicht befragt und stattdessen «gefilzt».

Verteidiger forderte Freispruch

Nach der Befragung ergriff der Verteidiger des Beschuldigten das Wort und setzte zu seinem Plädoyer an. Er legte dar, dass es sich bei geringfügigem Diebstahl um ein Antragsdelikt handelt und dabei genau festgeschrieben ist, wer eine Strafverfolgung beantragen kann. Im vorliegenden Fall wäre dies ein Filialleiter oder sein Stellvertreter, der Antragsteller besetze gemäss Handelsregister aber keiner der beiden Posten. Deshalb sei das Verfahren einzustellen.

Eventualiter forderte der Verteidiger einen Freispruch seines Mandanten, denn durch die Videoaufnahmen sei ein Diebstahl nicht zu beweisen und die Hausdetektivin habe im Gegensatz zum Beschuldigten keine überzeugende Schilderung abgegeben. Des Weiteren habe das Alarmsystem an der Kasse nicht angeschlagen und sein Mandant habe auch kein Motiv gehabt, die Ersatzbürste zu klauen. Abschliessend meinte er:

«Es fehlt ein Beweis für den Diebstahl und es existiert ein plausibles Alternativgeschehen.»

Einzelrichter Jegge überzeugten diese Worte dann aber nicht. Der Antragsteller sei laut Google-Recherche Filialleiter im Tägipark, somit war alles rechtens verlaufen. Er bestätigte den Strafbefehl und verurteilte den Beschuldigten zu einer Busse von 200 Franken zuzüglich weiterer Gebühren.

Zentral sei die Frage gewesen, wie die Ersatzbürste in die Einkaufstasche gelangte. Das Video sei als Sachbeweis zu werten, die Aussagen der Ladendetektivin wirkten auf Jegge glaubwürdig. Die Erklärungen des Beschuldigten hingegen hielt er für teils «fantasievoll».