Die neue Sonderausstellung im Historischen Museum Baden fordert die Selbstwahrnehmung der Besucher heraus.
Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Besonders, wenn das Bild ein Gesicht zeigt. In Gesichtern versteckt sich die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen. Von Wut, über Trauer bis hin zu Freude und Euphorie. Den zahlreichen Facetten des menschlichen Ausdrucks widmet sich die Sonderausstellung «Gesichter. Ein Blick hinter die Fassade», die seit dieser Woche und noch bis zum 29. Juli im Historischen Museum Baden zu sehen ist.
Wie kommunizieren Gesichter? Welche Gesichtsmuskeln werden bei verschiedenen Gefühlsregungen beansprucht? Welches Gesicht empfinden wir als besonders schön oder ansprechend? Diese und weitere Fragen stellte Museumsleiterin Carol Nater Cartier am Donnerstagabend an der Vernissage in den Raum, als sie den vielen neugierigen Gesichtern in den Zuschauerreihen das Konzept der Ausstellung näherbrachte. «Das sind Themen, die die Menschheit schon seit Jahrhunderten umtreiben», ergänzte wenig später der Initiant der Ausstellung, Peter Marti. «Deswegen eignen sie sich bestens für ein Museum, das sich vorwiegend mit historischen Themen auseinandersetzt.» Der Basler Zeichenlehrer hat die Ausstellung in Rahmen seiner Weiterbildung für das Museum.BL in Liestal entwickelt. Dieses hat sie schliesslich dem Historischen Museum angeboten.
An der Eröffnung gehörte die Bühne im «Melonenschnitz» auch den Schülerinnen und Schülern der Klasse 1b der Bezirksschule Baden. Der Reihe nach hielten sie sich einen Bilderrahmen vors Gesicht und gaben etwas Persönliches über sich selbst preis. Ihre Aussagen und Porträts sind fester Bestandteil der Sonderausstellung. «Uns war wichtig, nicht nur das aufzunehmen, was Beat Marti bereits konzipiert hatte, sondern auch lokale Badener Elemente hinzufügen», sagt Nater Cartier.
Für reichlich Lokalkolorit sorgen zudem die Alt-Jung-Porträts von zehn «lebenserfahrenen Badener Gesichtern». Stadtfotograf Thomas Frauenknecht hat die Badenerinnen und Badener im Alter von 68 bis 93 Jahren in einer Fotoserie abgelichtet. An der Ausstellung werden die Bilder durch Porträts aus der Jugendzeit sowie persönlichen Interviews der Teilnehmer ergänzt, in denen sie über Lebensumstände, Gefühle und Hoffnungen sprechen, die sie in ihren Gesichtszügen wiedererkennen.
Die Sonderausstellung wartet mit unzähligen spielerischen Elementen auf. Was ganz im Sinne des Kantons sei, der sich «mehr und mehr kulturelle Teilhabe in Museen wünscht», wie Nater Cartier anfügt. So dürfen die Besucherinnen und Besucher an einer Fotowand nur anhand des Gesichts entscheiden, welchen Politiker sie für ein politisches Amt wählen würden – die Parteizugehörigkeit bleibt unerwähnt. An anderen Stationen wird gezeichnet, zugehört, in Bilderbändern umgeblättert oder mithilfe einer App das eigene Ich um einige Jahrzehnte in die Zukunft katapultiert – was besonders bei den jüngsten Gästen für Erstaunen und viel Gelächter sorgte.
All dies macht deutlich: Die Besucher sollen dazu angeregt werden, sich nicht nur mit den Gesichtern fremder Personen auf Plakaten und Bildschirmen auseinanderzusetzen, sondern auch die Selbstwahrnehmung zu testen und herauszufordern. Wie sehe ich mich, wie wirke ich auf andere? Was nehme ich als echt, was als falsch wahr? Fragen, die in Zeiten von Selfies, Schönheitsidealen und Dauerpräsenz in den Social-Media-Kanälen besonders für Jugendliche derzeit aktueller denn je sind.
«Es ist ein Thema, das uns alle etwas angeht, weil jeder von uns ein Gesicht mit sich herumträgt», machte Peter Marti nochmals deutlich, als er die Beweggründe hinter der Arbeit erklärte. Den Bezug zur Aktualität begrüsst auch Nater Cartier: «Das tut einem Historischen Museum auch einmal gut.»