Baden
Willi Glaeser richtete Gaddafis Büro ein

Der Möbeldesigner erzählt im neuen Buch «Faszination Export» unter anderen von seinem Libyen-Abenteuer. Der Auftrag sorgte 1975 zwar für Gesprächsstoff, dass Schweizer Firmen in den 70er Jahren in Libyen Aufträge ausführten, war jedoch gang und gäbe. Mit seinem Buch möchte Willi Glaeser jungen Unternehmern Mut machen.

Sabina Galbiati
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Willi Glaeser: «Ich will den jungen Unternehmern Mut zum Exportieren machen»

Willi Glaeser: «Ich will den jungen Unternehmern Mut zum Exportieren machen»

Mario Heller

In diesen Tagen erscheint das neue Buch des Badener Möbeldesigners und -unternehmers Willi Glaeser. «Faszination Export» lautet der Titel. Der ehemalige Inhaber der «Glaeser Wogg AG» vereinigt im Buch 16 Geschichten von Schweizer Unternehmen, die mit ihren Erfindungen die Welt erobert haben.
Darunter den Feingebäckhersteller Kambly, Schreibwarenhersteller Caran d’Ache oder Outdoor-Spezialist Mammut. Willi Glaeser erzählt auf den ersten der 160 Seiten auch seine eigene Geschichte, wie er vom Schreinerlehrling zum Firmenchef wurde. Wer Willi Glaesers Firmengeschichte liest, stösst dabei auch auf jene Geschichte aus Libyen.
Auf Seite 11 ist die Rede von einem Auftrag im Jahr 1975. «Wir bauten Räume für die Offiziere der Armee aus, darunter auch ein unterirdisches Büro für den Revolutionsführer Muammar Gaddafi.» Glaeser schreibt, Europa sei ihm damals zu wenig gewesen und die Region sei ab 1974 von der Ölkrise gebremst worden. «Die Arbeit wurde knapp: Es mussten zwingend neue Ideen entwickelt und neue Märkte erschlossen werden.» 1975 habe sich die Gelegenheit geboten, bei einem Konsortium für einen Auftrag in Libyen mitzutun. «Ich hatte Glück», schreibt Glaeser. – Und: «Es roch ein wenig nach Exotik.» Die Geschichte sorgte schon damals für Aufsehen.
So interviewte der damalige BT-Redaktor und spätere Inlandchef der «NZZ», Matthias Saxer, den 35-jährigen Schreiner aus Baden. «Die Leute aus meinem Umfeld hatten damals zu Gaddafi noch kein negatives Verhältnis, denn für viele war er noch jener Mann, der das Volk aus der Unterdrückung führte», erinnert sich der heute 75-Jährige. Glaeser sei damals zwar vor Ort gewesen, habe Gaddafi aber nie persönlich getroffen.
Auch im Bunker in Tripolis selber sei er nie gewesen. «Ich habe den Innenausbau geplant, und meine Mitarbeiter machten unter anderem die Wandverkleidung und verlegten den Boden.» Der Raum sei eher klein gewesen, «vielleicht sieben auf fünf Meter», aber der Bürotisch sei drei Meter lang gewesen, «ein Tisch wie für Napoleon und natürlich wie üblich in jener Zeit aus Mahagoni-Holz», erzählt der Möbeldesigner.
Alle wollten nach Libyen
Dass Schweizer Firmen in den 70er-Jahren in Libyen Aufträge ausführten, war gang und gäbe. Nach dem Staatsstreich Gaddafis am 1. September 1969 «träumten helvetische Unternehmer und Diplomaten in Tripolis von lukrativen Aufträgen, wie Dokumente im Bundesarchiv zeigen», schrieb die «Handelszeitung» 2011 in einem Artikel mit dem Titel «Die Akte Libyen».
Der Fünfjahresplan, der aus dem Wüstenstaat einen Industriestaat machen sollte, hätte grosse Hoffnungen geweckt. «Am Ende dürfte Libyen zu den entwickelten Ländern gezählt werden. Das Pro-Kopf-Einkommen dürfte bis dahin zu den höchsten aller afrikanischen Länder zählen», schrieb die Botschaft in Tripolis kurz nach Gaddafis Putsch an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in Bern.
Etliche Schweizer Firmen wie Sulzer, Escher Wyss, Elektrowatt oder die damalige BBC (heute ABB) beteiligten sich intensiv am Aufbau und an der Modernisierung der Arabischen Republik Libyen, schreibt die «Handelszeitung» weiter. «Es waren damals so viele Schweizer dort, das können Sie sich gar nicht vorstellen», sagt Glaeser.
«Ich war mit meiner Firma ‹Gebrüder Glaeser AG› nur einer von vielen Mitwirkenden», erzählt der ehemalige BT-Kolumnist. Der Auftrag sei von einem Generalunternehmer aus Chur gekommen. Für Glaeser, der von 1982 bis 1991 auch für die FDP im Badener Einwohnerrat sass, war dieser Auftrag der Export-Start in die Arabische Welt. «Deshalb habe ich die Geschichte im Buch erwähnt.»
Glaeser sah im Ausbau des «unterirdischen Büros» nie ein Problem und macht den Vergleich mit den Schweizer Luftschutzkellern und Zivilschutzanlagen: «Gaddafi hatte damals Feinde, immerhin war er ein Revolutionsführer, er wollte einfach einen sicheren Arbeitsplatz.» Dass der einstige Hoffnungsträger später zum Diktator werden würde, habe damals niemand ahnen können. «Ich war abenteuerlustig und bin stolz, dass ich als Unternehmer den Mut hatte, mich auf die Arabische Welt einzulassen.»
Schnaps-Pralinen waren verboten
Doch das Abenteuer gestaltete sich alles andere als einfach: «Neben einem enormen administrativen Aufwand für den Transport kam noch derjenige für das Montagepersonal dazu. Zu einer Ausweisübersetzung ins Arabische mussten pro Person dreissig Passbilder für die verschiedenen Zugangsbewilligungen geliefert werden», liest man im Buch. Glaeser erinnert sich: «Das Land war sehr strikt geführt». Alkohol sei ein absolutes Tabu gewesen. «Da wurden sogar schnapshaltige Pralinen zum Problem.» Auf dem Heimflug hätten die Arbeiter es kaum erwarten können, «bereits im Steigflug wurde das erste Bier serviert», sagt Glaeser und muss lachen.
Der Einsatz in Libyen brachte ihm später äusserst lukrative Aufträge. So liest man in der Firmen-Chronik «100 Jahre Glaeser – 15 Jahre Wogg»: «1976 bauten wir das Jolie-Ville Hotel in Kairo komplett aus. In den Folgejahren kam es zu grossen Aufträgen in Saudi-Arabien und Kuwait.» Den krönenden Abschluss habe der umfassende Ausbau und die gesamte Möblierung des Mövenpick-Hotels in Luxor im Jahre 1983 gebildet.
Jenes verheissungsvolle Jahr also, in dem die Cousins Willi Glaeser und Otto Gläser die Wogg AG gründeten und ihre erste Möbelkollektion vorstellten. «Vom ersten Tag an arbeiteten wir international», sagt Glaeser. Das Label Wogg, bestehend aus den Initialen der beiden Cousins, brachte zahlreiche Möbelklassiker hervor. Später entwarf Willi Glaeser seinen Papierstapler aus Chromstahl, der als einer der bedeutendsten Designklassiker in die Liste der «Phaidon Design Classics» aufgenommen und im Shop des Museum of Modern Art in New York verkauft wurde.
Mit seiner und den 16 weiteren Geschichten, wolle er insbesondere auch die junge Unternehmergeneration motivieren. «Ich will ihnen Mut zum Exportieren machen», sagt er, auch wenn dies heute schwieriger sei als damals bei seinem eigenen Aufbruch in die weite Welt.