Startseite
Aargau
Baden
Journalist Roman Huber ist seit 45 Jahren mit dem Badener Tagblatt verbunden. Jetzt geht er in Pension und freut sich auf seine neuen Freiheiten – der Abschied bereitet ihm aber auch Wehmut.
Gibt es jemanden in Baden, der ihn nicht kennt? Roman Huber – Redaktor, Handballer, Hundefreund, Brödlirat, Schnitzelbänkler, Keyboarder – ist mit seiner Heimatstadt mannigfaltig verbunden. Roman Huber wuchs im Meierhof an der Bahnlinie in einer CVP-Familie auf: Sein Vater war Lehrer und in der Ortspartei, sein Bruder Rainer wurde später Regierungsrat (von 2001 bis 2009), ein weiterer Bruder ist Arzt und seine Schwester Musiklehrerin.
Dieses Milieu brachte ihn beim freisinnigen «Badener Tagblatt», für das er bereits mit 17 Jahren seinen ersten Artikel schrieb – eine Handball-Matchvorschau – unter Verdacht, selber CVP-Mitglied zu sein. Der BT-Verwaltungsrat soll einst gar eine Parteimitgliedschaft abgeklärt haben. Doch Fehlanzeige: «Als Journalist wäre ich nie einer Partei beigetreten», sagt Roman Huber.
Nur einmal, erzählt er mit der Gelassenheit eines Bald-Pensionärs, habe er heimlich politisiert: Als sein Bruder für den Regierungsrat kandidierte, habe er Leserbriefe organisiert und teilweise sogar selber geschrieben. Roman Huber lacht, als er davon erzählt, so wie er oft lacht auf der Redaktion: «Dem damaligen Chefredaktor habe ich das im Nachhinein gebeichtet.»
Wie seinen Vater und seinen Bruder zog es auch Roman Huber zuerst in den Lehrerberuf. Er absolvierte das Seminar in Wettingen und danach das Turn- und Sportlehrerstudium. Daneben verdiente er Geld als Korrektor beim BT. Weil sich ein Rückenproblem einstellte, zog Huber eine offene Stelle im BT-Korrektorat der Turnhalle vor – mit der Absicht, dann in die Redaktion zu wechseln. Der damalige Verleger Otto Wanner stellte ihn 1982 an. «Per Handschlag», erinnert sich Huber.
Die zweite Leidenschaft blieb der Sport: Nach seiner Nationalliga-A-Zeit war Huber, der es im Militär zum Grenadier-Offizier brachte, 10 Jahre Spielertrainer beim Stadtturnverein Baden. Er trainierte auch einen jungen Handballer namens Markus Schneider – den späteren CVP-Politiker und künftigen Stadtammann von Baden.
Dass er darum als Journalist in den letzten Jahren für Schneider geweibelt habe – diese Kritik weist Huber mit schalkhaftem Blick von sich: «Wenn ich ihm je einen Gefallen tat, dann höchstens damals beim Handball, indem ich ihm sagte: Du musst in der Verteidigung härter ran!» Auch zum letzten CVP-Ammann verbindet ihn eine persönliche Beziehung. «Reiner Zufall», meint Huber. Sepp Bürge, Stadtoberhaupt von 1985 bis 2006, war nicht nur sein Primarlehrer, sondern auch sein Firmgötti.
Bürge hatte gerade das Amt angetreten, als Huber ins Ressort Baden eintrat, als «Lehrling» von Hans Fahrländer. Davor hatte Peter Wanner den Jung-Redaktor noch nach Wohlen und Bremgarten geschickt, wo er half, das neue Ressort Freiamt aufzubauen. Es war die goldene Zeit der Presse: Man eröffnete neue Büros, die Auflage stieg, man baute aus. «Wir kamen uns vor wie Eroberer», erzählt Huber.
Im Freiamt lernte er das journalistische Handwerk, das er am Medienausbildungszentrum (MAZ) vertiefte; er gehörte zum ersten Absolventenjahrgang. In der Praxis lernte Huber vor allem von Redaktor Franz Schmid viel: «Er lehrte mich: Geh raus zu den Leuten, schau sie dir an, sprich mit ihnen.» Noch heute sei dies ergiebiger als googeln.
Ob im Freiamt, später in Wettingen und dann vor allem in Baden: Huber ging raus, vernetzte sich. «Nicht im Sinn von Soihäfeli, Soiteckeli», betont er. Einem Service-Club sei er nie beigetreten, seine einzigen Mitgliedschaften seien die beim STV und bei der Spanischbrödlizunft, für die er, wie auch für das BT, jeweils die Fasnachtszeitung verantwortete.
Huber sah bisweilen mehr, als er als Journalist sehen wollte, etwa wenn ein Politiker an einem Fest etwas gar viel getrunken habe. «In den 1980er- und 1990er-Jahren geschahen Dinge, die heute eher undenkbar wären – und man vertraute darauf, dass nicht alles auskam.» Manche Episode erschien dann, leicht abgeschwächt oder ironisiert, unter dem Kürzel (-rr-) in der Rubrik «Wochengeflüster».
Huber wurde 1998 Badener Polit-Berichterstatter und später auch Ressortleiter. Er berichtete fortan regelmässig aus dem Einwohnerrat. Unglaublich: In den fast 20 Jahren verpasste er nur drei Einwohnerratssitzungen. Vergangene Woche verabschiedete ihn der Einwohnerrat mit grossem, langem Applaus. Huber erlebte die Stadtammänner Bürge (CVP), Stephan Attiger (FDP), Geri Müller (Team) und dann eben noch die Wahl von Schneider (CVP). Es waren diese Wahlen – und natürlich die Badenfahrt! –, die ihn davon abhielten, seinen ursprünglichen Plan von einer Pensionierung Mitte 2017 umzusetzen. Er macht bis Ende Jahr weiter.
Wie sieht der Ur-Badener seine Stadt? Huber spricht von genutzten und verpassten Chancen. Positiv sei, dass Baden früh auf eine autofreie Innenstadt gesetzt, den Bahnhof zweckmässig umgebaut und das BBC-ABB-Areal weiterentwickelt habe. «Gewisse Dinge wie die Siggenthaler Brücke dauerten lange», sagt er. Über diese Brücke radelt Huber übrigens täglich zur Arbeit, auch bei grösstem Schneegestöber; als seine Familie wuchs – er hat mit seiner Frau drei Töchter –, entschied er sich, aus Kostengründen in Untersiggenthal Wohneigentum zu erwerben. Negativ seien in Baden das ungelöste Verkehrsproblem und die «unsäglich lange Leidensdauer» im Bäderquartier, die erst dank Investor Benno Zehnder beendet werde («jetzt kommt es gut!»).
Huber ärgern auch der Stillstand bei den Verenaäckern («wie eine Geröllhalde») und dass beim Bahnhof statt eines modernen Südhauses eine überdimensionierte Velostation stehe. Er erhofft sich von Baden mehr Mut: «Ich fände es toll, wenn die Seilbahn vom Bahnhof zu den Bädern gebaut würde.» Und da sei noch der 13. Juni 2010, auch für ihn persönlich ein schwarzer Tag, als Baden den Zusammenschluss mit Neuenhof ablehnte, sagt Huber. Da kann der Verfechter einer Regionalstadt seine politische Leidenschaft nicht verbergen.
Roman Huber war für das BT mehr als ein Berichterstatter. Er war eine Identifikationsfigur. Bei Badenfahrten sorgte er dafür, dass das BT stets mit einem originellen Bistro präsent war (unvergessen die «Titanic» 1997, an der auch die Band azTon entstand, für die Roman Huber als Keyboarder spielte), und er leistete für den sagenumwobenen AZ-Aser im Dättwiler Wald Jahr für Jahr einen Sondereffort. «Die Identifikation mit unserer Zeitung ist das Entscheidende: Nur dann sind die Mitarbeiter bereit, alles zu geben», sagt Huber. Diese Identifikation habe bei der Fusion AT/BT vor zwanzig Jahren nur kurz gelitten.
Schnell sei das Eis zwischen Baden und Aarau gebrochen. Deshalb führt Huber seinen Abschiedsapéro auch in der AZ-Zentrale in Aarau durch. «Die Aarauer haben uns viel gebracht.» Huber bedauert einzig, dass man heute im gewachsenen Unternehmen nicht mehr jeden kennt. «Da muss man aufpassen, dass die Identifikation nicht leidet.» Dass Huber schon mit knapp 63 Jahren in Pension geht, hat vor allem einen Grund: Seine Leidenschaft zu Hunden.
Über diese schreibt er nicht nur in der AZ und in Fachpublikationen (und trat auch mal im «Zischtigsclub von SRF dazu auf), sondern er engagiert sich auch in der Hundeschule seiner Frau. Zurzeit wälzt Huber ein Buchprojekt: «Es geht um Missverständnisse in der Welt der Hündeler und Erkenntnisse für die Praxis zum Wohl der Hunde.» Die Hunde – «sie sind grundehrlich und nie nachtragend» – hätten ihn gelehrt, im Leben das Wesentliche zu sehen – und es etwas ruhiger zu nehmen. So gab Huber bereits 2010 die Ressortleitung an Dieter Minder ab, der das Zepter seinerseits 2011 Martin Rupf weiterreichte. Huber konzentrierte sich in der Folge als Autor wieder mehr aufs Schreiben in und um Baden.
So sehr sich Roman Huber auf seine neuen Freiheiten freut – von denen auch seine Frau, die drei Töchter und die bald zwei Enkelkinder profitieren sollen –, so wächst mit dem nahenden Berufsende auch die Wehmut. «Ich bin bis zum letzten Tag mit loderndem Feuer dabei.» Und danach? Wird das Kürzel (-rr-) bisweilen auch künftig im BT erscheinen? Wieder blitzt der Schalk in Hubers Augen: «Wenn der Aufschrei nach diesem Abschiedsartikel zu laut ist», sagt er, «überlege ich mir das.»