Turgi
«Wir können uns keine Ineffizienz leisten»: Gemeinde will externen Sozialdienst kündigen

Turgi überlegt sich, einen eigenen Sozialdienst auf die Beine zu stellen. Die Qualität des externen Anbieters genüge nicht.

Pirmin Kramer
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Blick auf Turgi: Die Gemeinde überlegt, einen eigenen Sozialdienst einzuführen. (Archivbild)

Blick auf Turgi: Die Gemeinde überlegt, einen eigenen Sozialdienst einzuführen. (Archivbild)

Sandra Ardizzone

Turgi hat sich neben Fusionsgesprächen mit Baden für die nächsten vier Jahre ein weiteres Legislaturziel gesetzt, das aufhorchen lässt: «Wir senken die Sozialhilfequote in der Gemeinde», lautet der Vorsatz wörtlich. Gemeindeammann Adrian Schoop (FDP) erklärt: «Wir wollen Strukturen in der Sozialhilfe überprüfen und Sparpotenzial orten, vor allem betreffend Organisation und Abläufe.»

Nun überlegt sich Turgi – das keinen eigenen Sozialdienst hat – die Mitgliedschaft mit dem aktuellen externen Anbieter zu kündigen: Der Vertrag mit dem Gemeindeverband Jugend-, Familien und Seniorenberatung des Bezirks Baden (JFB) soll vorsorglich aufgelöst werden. Die Sozialarbeiter der JFB prüfen die Anträge und geben der Gemeinde Empfehlungen ab.

Die Turgemer Gemeindeversammlung wird am 22. November über die «vorsorgliche Kündigung der Mitgliedschaft» abstimmen. «Vorsorglich», weil die Kündigungsfrist zwei Jahre beträgt. Schoop erklärt: «Eine erneute Zusammenarbeit mit dem JFB ist für uns durchaus eine Variante, sofern die Qualität der Dienstleistungen sichergestellt werden kann.» Aber Turgi überlege sich auch, einen eigenen Sozialdienst auf die Beine zu stellen oder mit Nachbargemeinden zusammenzuarbeiten.

Die momentane Zusammenarbeit mit der JFB sei nicht zufriedenstellend, was laut Schoop an den erbrachten Leistungen liege: «Wenn man als Gemeinde Aufgaben auslagert, muss das Resultat besser sein, als wenn wir es selber erledigen würden. Wir erwarten eine saubere und rechtlich korrekte Fallprüfung.»

«Ineffizienzen liegen nicht drin»

In den vergangenen Monaten sei es zu Doppelspurigkeiten gekommen, die Gemeindeverwaltung habe Fälle teilweise noch einmal selber überprüfen oder bearbeiten müssen. Das lohne sich für die Gemeinde auch aus finanzieller Sicht nicht. «Klar ist, dass wir uns bei der Sozialhilfe keine Ineffizienzen leisten können», sagt Schoop. Die Kosten seien in den vergangenen Jahren angestiegen.

«Wir haben dem JFB unsere Erwartungen betreffend Effizienz und Effektivität mitgeteilt. Wir verlangen, dass die Skos-Richtlinien zur Vergabe von Sozialhilfe streng, aber fair umgesetzt werden», so der Gemeindeammann.

Turgi sorgte im Zusammenhang mit Sozialhilfe bereits mehrfach für Schlagzeilen. So erstattete die Gemeinde vor einem Jahr Anzeige gegen eine Frau, die ihre Einnahmen nicht korrekt deklariert hatte und deswegen Sozialhilfe-Leistungen bezog. Ausserdem sorgte Adrian Schoop für Diskussionen mit der Aussage, eine 59-jährige Schweizerin, die jahrzehntelang in die Sozialwerke eingezahlt hat, habe seiner Meinung nach mehr Sozialhilfe verdient als ein anerkannter Flüchtling.

Neuer Mitarbeiter eingestellt

Roland Mürset, Präsident der JFB, erklärt: «Aus unserer Sicht wäre ein Austritt der Gemeinde Turgi bedauerlich.» Angesprochen auf die Kritik, die Qualität der erbrachten Leistungen sei mangelhaft, sagt er: «In den Anträgen unserer Sozialarbeiter kam der verwaltungsrechtliche Aspekt bislang zu kurz. Weil Turgi ein wichtiger Kunde ist, haben wir sofort reagiert und einen neuen freien Mitarbeiter angestellt, der jahrelang Gemeindeschreiber in Wohlenschwil war und die Materie kennt.»

Er hoffe, dass sich Turgi doch noch zu einem Verbleib im Verband entschliesse, sagt Mürset. «Unsere Mitarbeiter verfügen über grosses Wissen. Wer die Arbeiten von uns erledigen lässt, kann sicher sein, dass immer jemand erreichbar ist.» Wenn eine Gemeinde einen eigenen Sozialdienst aufbaue, brauche es mindestens zwei Stellen, gibt Mürset zu bedenken.