Wettinger Pseudo-Universität
Wirtschafts-«Uni»: in sieben Jahren zweimal völlig blank

Die «City University» in Wettingen stellt 135 Studenten ohne Abschluss vor die Tür. Das Institut war in der Schweiz schon mal auf Visite. Damals gabs Beluga-Kaviar im Luxushotel. Und für Stimmung bei der Presse sorgte PR-Guru Klaus J. Stöhlker.

Christian Bütikofer
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Der Schweizer Ableger der privaten Universität «City University of Seattle» (CityU) aus Wettingen ist bankrott. 135 Studenten aus dem Ausland, die zusammen pro Jahr mehrere Millionen Franken für Kurse fragwürdiger Qualität bezahlten, wissen nicht, wie es weiter gehen soll.

Recherchen zeigen: Die amerikanische Universität von der Westküste war in der Schweiz schon einmal zu Besuch.

1986 war sie ein Pionier, die CityU. Den verkalkten staatlichen Schweizer Hochschulen mit ihren jahrelangen Lehrplänen wollten die Amerikaner damals gehörig den Marsch blasen.

Für die PR zum Hotel beim Paradeplatz

Es war die Zeit der ersten privaten «Universitäten» nach US-Vorbild: Wer für 20 Monate berufsbegleitendes Studium 15'000 Franken zahlte, konnte sich danach den prestigeträchtigen Titel «Master of Business Administration» (MBA) um den Hals hängen.

Zur Eröffnung gabs erlesene Häppchen im exklusiven Zürcher Luxushotel «Savoy Baur en Ville», gleich beim Paradeplatz.

Sogar ein Politiker des US-Repräsentantenhauses war zugegen. Als PR-Manager engagierten die CityU-Bosse den selbsternannten PR-Guru Klaus J. Stöhlker.

Ein Politiker als Aushängeschild...

Die CityU war der erste Player in diesem Feld. Ihr Erfolg war offenbar überwältigend. Initiator Michael A. Pastore behauptete, kurz nach Gründung hätten bereits über 1300 Personen ihr Interesse bekundet.

Wie heute, startete die Schule auch damals mit einer Firma, der Aktiengesellschaft «Educational Programs of City University of Bellevue, Washington State, USA». Das Kapital betrug 50'000 Franken, der damalige Zürcher FDP-Kantonsrat Hans Hartmann durfte im Beirat Platz nehmen.

... Wirtschaftsgrössen als Garanten für Seriosität

Die CityU versuchte schon damals mit Wirtschaftsgrössen Eindruck zu schinden: Assistiert wurde der FDP-Politiker von IBM-Kadermann Peter Gernert, Peter Graf, Direktor der Badener Nuklearfirma Motor Columbus (die heute mit Iran-Geschäften ins Gerede gekommene AF-Colenco), Gian Andri Vital von Standard Telephon und Radio AG, Max Rüegger der Tasa International sowie Peter Ritter, schillernder Treuhänder der Vaduzer Ritter und Partner Holding sowie Präsidial Anstalt.

Eine Schule mutiert zur Universität

Kurz bevor die Initiatoren der «Universität» aus Seattle die Schweiz als Ziel für ihre MBAs ausmachten, war das Institut in den USA noch als «College» bekannt - ein ganz normales Gymnasium.

Das zur Universität aufgebohrte «City College» verfügte damals gerade mal über sechs vollamtliche Lehrkräfte und 148 nebenamtliche Dozenten. Von den sechs Vollangestellten hatte keiner doktoriert, eine Person besass ein MBA.

Die Universität verfügte weder über eine eigene Bibliothek, noch betrieb sie eigene Forschungen.

«Ehrendoktor» nach Wilhelm Tell-Rede

In Deutschland war CityU früh in eine Politiker-Affäre verwickelt: Rezzo Schlauch, Fraktionschef der Grünen, wurde von der Uni erfolglos auf Unterlassung eingeklagt. Streitwert: 500'000 Deutsche Mark. Er betitelte die CityU 1991 «als Universität getarnte drittklassige Volkshochschule».

Schlauch kam der CityU-Ehrendokturhut des Baden-Württembergischen Wirtschaftsministers Hermann Schaufler verdächtig vor, denn «Dr. h.c.» Schaufler sass auch im Beirat des deutschen CityU-Ablegers.

Sein Ministerium bemühte sich darum, dass das private Institut vom Topf staatlicher Förderhilfe naschen durfte - 300'000 Deutsche Mark standen auf dem Spiel. Schlauch verdächtigte den Minister, er habe sich auf Steuerzahlers Kosten diesen Doktorhut verschafft.

Den Ehrendoktor erarbeite sich der Herr Minister, indem er im Hochschul-Hauptquartier in Seattle einen Festvortrag vor Studenten hielt. Geistiger Höhepunkt: Ein Zitat aus Friedrich Schillers «Wilhelm Tell».

Auch ABB setzte auf die Pseudo-Uni

Die Schweizer Wirtschaft fand offenbar Gefallen an City University of Seattles Schweizer Ableger. Bald schon schafften es die CityU-Verantwortlichen, Firmen wie die ABB ins Boot zu holen.

Der Run aufs «MBA made in USA» währte aber offenbar nicht ewig und die Schweizer Hochschulen sorgten mit massgeschneiderten Kursen dafür, dass die CityU kontinuierlich an Kundschaft verlor.

2003 kam dann das bittere Ende: Die «Universität» ging in Liquidation, das Institut verschwand von der Bildfläche - vorerst.

Das gleiche Muster wie in der Schweiz zeigte sich im Ausland auch bei anderen Ablegern. Etwa in der Slowakei. Dort wurde 1991 ein Institut gegründet, das Mitte 2003 wieder aufgelöst wurde. Mit einer zweiten Firma machten die Amerikaner jedoch weiter.

Heutiger CityU-Boss war schon damals Direktor

In der Schweiz gründete der CityU-Abgänger Cemal Erinmez 2007 mit einer neuen Firma einen erneuten Schweizer Ableger der CityU.

Beim gescheiterten Vorgänger bekleidete er im Jahr 2000 bereits den Posten eines Direktors.

Auch das zweite Abenteuer endete nach drei Jahren für Erinmez unrühmlich.

Die Konsequenzen aber tragen vorerst die 135 eingeschriebenen Studenten aus Fernost und Afrika.