Region Baden
Würenloserin schwärmt für Antike und die lateinische Sprache

Iris Karahusic aus Würenlos ist Studentin und Kantonsschullehrerin. Sie schwärmt für die Antike und lebt für die lateinische Sprache. Dass die heute 21-Jährige Latein lernen will, war ihr schon früh klar.

Dieter Minder
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Spricht sie von der lateinischen Sprache, sprüht Iris Karahusic nur so vor Begeisterung.

Spricht sie von der lateinischen Sprache, sprüht Iris Karahusic nur so vor Begeisterung.

Alex Spichale

Wer sich für Latein interessiert, ist alt, leicht verschroben, denkt kompliziert, zieht sich gerne in düstere Bibliotheken zurück und lebt eher in der fernen Vergangenheit. Wer dieses Vorurteil pflegt, wird nach dem ersten Kontakt mit Iris Karahusic feststellen: Ich liege völlig falsch.

Denn wenn die 21-jährige Studentin und Kantonsschullehrerin über die lateinische Sprache spricht, dann sprüht sie vor Begeisterung – eine Begeisterung, die sie auch für all ihre anderen Aktivitäten an den Tag legt: «Ich habe an der Kantonsschule Wettingen Theater gespielt, war im Turnverein Würenlos und habe im Verein vom Stein Baden Volleyball gespielt, singe im Chor der Kantonsschule Wettingen und studiere neben Latein auch Musik.»

Dabei hatte alles sehr ruhig angefangen: «An der Bezirksschule Wettingen habe ich das Freifach Latein gewählt» – aus Neugierde, um mehr über die Römer zu erfahren. «Über die Römer haben wir einiges in der Schule gelernt, da fand ich es logisch, etwas mehr über sie zu erfahren.» Der Unterricht bei Marie-Louise Reinert hat für Iris Karahusic einen Weg geöffnet, an den sie zuvor nie gedacht hatte. «In der ersten Lektion haben wir die Geschichte vom Raben, dem Fuchs und dem Käsestück gelesen», erinnert sie sich. Diese Geschichte hatte ihr schon die Mutter erzählt. «Dass ich eine bekannte Geschichte auf Latein verstehen konnte, hat mich motiviert, mehr über diese Sprache zu lernen.»

Kurz darauf durfte die 13-Jährige auf die Klassenreise nach Rom. Dabei besuchte sie die Katakomben. In einem Gang sah Karahusic die Grabinschrift für einen verstorbenen Knaben. Sie konnte die Inschrift lesen und erfuhr so etwas über das Leben des Verstorbenen: «Mir wurde bewusst, dass es nicht einfach um eine geschichtliche Figur, sondern um Menschen ging.» Bei dieser Begegnung mit der Geschichte sei ihr klar geworden: «Ich will Latein lernen, denn auf diesem Wege will ich mehr erfahren, wie die Leute damals gedacht haben.» Für sie war Latein nun nicht nur ein Freifach, sie belegte Latein als Hauptfach. So ist es bis heute geblieben. In der Kantonsschule Wettingen gehörte ihr Hauptinteresse ebenso der historischen Sprache wie danach im Studium an der Universität Zürich. Dieses wird sie in drei Semestern mit dem Bachelor abschliessen.

Wie Deutsch ist Latein eine indogermanische Sprache. Beide weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Obwohl Latein im Alltag längst nicht mehr gesprochen wird, finden sich noch immer lateinische Worte in der deutschen Sprache. «Unser Schweizerdeutsches ‹mus› ist ein Beispiel dafür», sagt Karahusic. Aus der lateinischen ‹mus› wurde im Deutschen die Maus, im Schweizerdeutschen blieb es die ‹mus›. Ein anderes Beispiel ist die schweizerdeutsche Mur, auf Deutsch die Mauer und auf Lateinisch ‹murus›. Und selbst im Wort Fenster ist das lateinische ‹fenestra› noch sehr gut zu hören. Die Italiener haben daraus finestra gemacht. Italienisch ist, wie Französische oder Spanisch, eine Sprache, die sich aus dem Vulgärlatein der Spätantike entwickelt hat. Karahusic hat aber noch weitere Beispiele: «Im Englischen stammen rund 40 Prozent der Worte ursprünglich aus dem Lateinischen.» Sie erinnert sich noch an eine weitere, unerwartete Begegnung mit Latein. In einem Warenhaus kaufte sie eine Schokolade: «Es war eine Minor und das heisst ‹Die Kleinere›.»

Eine zweite Reise nach Rom hat sie in ihrer Begeisterung für Latein noch weiter bestärkt. «Wir haben das Pantheon besucht, einen faszinierenden Kuppelbau.» Von den Römern als Heiligtum für alle ihre Götter gebaut, wurde es später zur Kirche umgestaltet. «Ich bewundere, wie die damaligen Menschen dieses Werk zustande brachten.» Und ebenso wie vom Pantheon oder den antiken Ruinen in der Ewigen Stadt, schwärmt sie auch von den in der Zeit der Renaissance und des Barocks entstandenen Bildern: «Die Künstler haben Motive aus der griechisch-römischen Kultur aufgenommen und diese wieder auferstehen lassen.» So wie damals das Leben aus der Antike aufgenommen wurde, will sie auch jetzt die Verbindung zu dieser pflegen.

Als Lehrerin an der Kantonsschule Uster bringt sie zehn jungen Frauen die lateinische Sprache näher. «Es ist toll zu sehen, wie diese die Begeisterung für die Sprache teilen.» Ob sie einmal hauptberuflich Latein unterrichten wird, wagt sie nicht zu prophezeien: «Ich bin an vielem interessiert und werde zugreifen, wenn mir ein faszinierendes Thema begegnet.»

2013 verstärkte Karahusic ihr Engagement für die lateinische Sprache auf eine typisch Schweizer Art – sie übernahm das Präsidium des Trägervereins Lateintag.ch. Dieser geht auf eine Initiative von René Hänggi, dem Leiter des Vindonissa-Museums Brugg, zurück. 2005 lud er die aargauische Lateinlehrerschaft ein, sich am jährlichen Römertag zu beteiligen. An diesem Anlass stehen die Römer und die vielen Spuren, die sie hinterlassen haben, im Zentrum des Interesses. Dank des neu erstellten Legionärspfades wird die Zeit vor 2000 Jahren wieder erlebbar.

Die Bewegung der Lateininteressierten entwickelte eine Eigendynamik und 2008 wurde unter dem Präsidium von Marie-Louise Reinert der Trägerverein Lateintag.ch gegründet. «Der Schweizerische Lateintag verfolgt das Ziel, die Wahrnehmung, die Kenntnis und die Wertschätzung des Lateins in der Öffentlichkeit zu fördern und Latein als Unterrichtsfach zu stützen.»

Seit Ende 2013 präsidiert Iris Karahusic den Trägerverein. Pius Meyer, Dozent für Latein an der Fachhochschule Nordwestschweiz, leitet das Organisationskomitee des Lateintages. Dieser findet nicht zufällig in Brugg statt, denn neben dem Vindonissa-Museum befindet sich dort das Lateinschulhaus. In diesem wurden die Schüler auf ein Studium vorbereitet und vor allem in Latein unterrichtet. Das Gebäude ist an die Stadtkirche angebaut. Erstmals erwähnt wurde diese 1396. Seine Fassade zieren allegorische Darstellungen der sieben Künste Grammatica, Aritmetica, Geometrica, Rhetorica, Dialectica, Astronomia, Musica und Theologica.