Spreitenbach
Zentrum Neumatt: Der Gemeinderat will der Bevölkerung Ängste nehmen

Viele Spreitenbacher befürchten, dass sich die Gemeinde mit dem geplanten Zentrum neue Probleme einbrockt.

Claudia Laube
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Der Stadtplatz soll Spreitenbach ein neues Gesicht verleihen. Im Hintergrund die beiden 95-Meter-Türme. Skizze: Hildebrand und Ruprecht Architekten

Der Stadtplatz soll Spreitenbach ein neues Gesicht verleihen. Im Hintergrund die beiden 95-Meter-Türme. Skizze: Hildebrand und Ruprecht Architekten

Das Zentrum Neumatt ist das nächste grosse Bauprojekt, für das die Spreitenbacher Bevölkerung ihre Zustimmung geben muss. Am 26. November wird der Gemeindeversammlung eine Teiländerung der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) beim Shoppi-Areal vorgelegt, die dem neuen Zentrum Spreitenbachs für die weitere Planung den Boden bereiten soll.

Die bisherige Einkaufszone soll zu einer Wohn- und Einkaufszone ausgeweitet werden. Dereinst sollen dort vier fast 100 Meter hohe Hochhäuser mit rund 600 Mietwohnungen im mittleren und höheren Preissegment entstehen.

Auf einem weiteren Baufeld sind 70 Eigentumswohnungen geplant. Umrahmt wären die Gebäude von einem grossen Stadtpark und einem kleineren Stadtplatz. Letzterer soll dem Dorf ein neues Gesicht verleihen – und die Menschen, die bei der Haltestelle der Limmattalbahn beim kurz vor der Baubewilligung stehenden Projekt «Tivoli Garten» aussteigen werden, freundlicher begrüssen.

Stadtplatz beim Shoppi

Beim Zentrum Neumatt ist auch ein Stadtplatz geplant. Dieser soll als Begegnungsort und den Pendlern, die an der Haltestelle der Limmattalbahn beim «Tivoli Garten» auf der anderen Strassenseite aussteigen, als Treffpunkt dienen. Am Politikapéro wurde eine ansprechende Skizze präsentiert, wie ein solcher Platz aussehen könnte. In den letzten Monaten war mit Hochdruck daran gearbeitet worden.

Herausgekommen sei ein Ort gegen die Anonymität, wurde am Politikapéro versichert. Die Rückmeldungen aus dem Publikum waren zwar positiv, jemand wandte aber ein, es würde sich leider um einen Schattenplatz handeln. «Das hat an hitzigen Tagen aber seine Vorteile», fand daraufhin einer der Mitwirkenden. (cla)

Ganz dem Namen entsprechend, soll Neumatt eine Zentrumsfunktion übernehmen und als verbindendes Element zwischen alten und neuen Quartieren dienen. Noch selten wurden so viele Ressourcen in ein Bauprojekt gesteckt wie in dieses, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit eines solchen Zentrums zu überzeugen.

So waren am Politapéro letzte Woche alle ins Projekt involvierten Personen anwesend, um den anwesenden Einwohnern bestehende Befürchtungen zu nehmen. Denn: Sollten die Stimmberechtigten die Teiländerung der BNO Ende November ablehnen, so ist auch das Bauprojekt auf Eis gelegt.

Das aber wollen die Verantwortlichen möglichst verhindern. So sagte denn auch Gemeindepräsident Valentin Schmid (FDP) am Politapéro zur Einleitung ins Thema: «Die Abstimmung zur Teiländerung der BNO ist eine wichtige Weichenstellung für die Gemeinde.»

Das Pathé-Kino im «Limmatspot» sei bezogen, «Tivoli Garten», gleich in der Nähe des Shoppi-Areals, stehe kurz vor dem Baustart, derjenige für die Limmattalbahn sei bereits erfolgt. «Die weitere Planung des Zentrums Neumatt ist nun der nächste logische Schritt», sagte Schmid.

In vielen Diskussionen mit der Bevölkerung habe sich aber gezeigt, welche Frage die Spreitenbacher bei diesem Thema besonders bewegt: «Handeln wir uns mit den neuen Bewohnern neue Probleme ein?» Deshalb hatte die Gemeinde bei der renommierten Immobilienberatungsfirma Wüest Partner AG eine Studie in Auftrag gegeben, die auf die Frage eine Antwort finden sollte, was für Personen voraussichtlich in die neuen Hochhäuser einziehen werden.

Besserverdienende in neuen Hochhäusern

Gestützt auf Zahlen aus der Strukturerhebung, zwischen 2010 und 2017 in der ganzen Schweiz erhoben, kommt die Studie zu folgendem Schluss: Bei Bewohnern in modernen Hochhäusern ab dem Jahr 2000 ist das Durchschnittseinkommen höher als noch bei Hochhäusern aus dem letzten Jahrhundert.

«Im Grunde ist es keine neue Erkenntnis», erklärte Studienleiter Jörg Schläpfer am Politapéro. «Leute in Neubauten verdienen mehr als solche in Altbauten. Und: Je älter ein Hochhaus ist, desto tiefer ist der Anteil der Bewohner, die erwerbstätig sind.» Viele der Einwohnerinnen und Einwohner in älteren Hochhäusern seien inzwischen pensioniert.

31 von 32 Hochhäusern sind in den 1960er- und 1970er-Jahren in Spreitenbach gebaut worden, darunter die im Volksmund «Leberwurst» und «Blutwurst» genannten Hochhäuser beim Shoppi. In diesem Jahrtausend sei der Bau von Hochhäusern wieder vermehrt aufgekommen, so Schläpfer: «Die modernen Hochhäuser sind aber anders konzipiert als die älteren. Heutzutage steht ganz klar die Qualität im Vordergrund.»

Die Studienersteller glauben ausserdem auch nicht, dass die Hochhäuser später baufällig und mit sozialen Brennpunkten in Verbindung gebracht werden. Schläpfer verweist auf die «Leberwurst», die dem Credit Suisse Immobilienfonds gehört, der auch Eigentümer des Neumatt-Grundstücks ist und das neue Zentrum finanziert. «Dieser hat bei der ‹Leberwurst› bewiesen, dass ihm eine nachhaltige Bausubstanz am Herzen liegt.»

Doch nicht nur die Frage nach der Finanzkraft der künftigen Einwohner, sondern auch die rege Bautätigkeit beschäftigt so manchen Einwohner. Diese gehört in Spreitenbach seit vielen Jahren schon zum Alltag – und wird sich in den nächsten zehn Jahren kaum ändern. So lange würde es dauern, bis das ganze Zentrum gebaut ist. Es soll in Etappen entstehen.

Ob den Anwesenden am Politikapéro tatsächlich die Ängste genommen werden konnten, wird sich Ende November bei der nächsten Gemeindeversammlung weisen.