Zugverkehr
Zu spät eingestiegen: Nicht alle SBB-Zugbegleiter halten sich an die Regeln

Nach dem tragischen Unfall in Baden ziehen die SBB ihre Mitarbeitenden in die Mitverantwortung. Laut SBB hält sich das Personal nicht konsequent an den vorgeschriebenen Abfertigungsprozess. Nun wehrt sich die Gewerkschaft.

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Letzte Woche wurden die SBB in Trauer versetzt: Ein Zugchef wurde am Bahnhof Baden beim Abfertigen eines Zuges in der Tür eingeklemmt. Der Interregio schleifte den Mann mit, dieser verstarb an seinen Verletzungen.

Nach der Trauer folgten die Ermittlungen: Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) entdeckte einen Mangel bei den Türen des Interregios: Das Einklemmschutzsystem war defekt.

Die Türen gingen nicht wieder auf, wenn jemand sich darin eingeklemmt hatte. Nach einer Sonderkontrolle der SBB bei weiteren Wagen des selben Typen (EW-IV) stellte sich heraus, dass bei fünf anderen Türen das selbe Problem besteht.

Arbeitsabläufe sind einzuhalten, sagt die SBB-Führung

Letzte Woche wiesen die SBB darauf hin, dass Sicherheitsvorschriften einzuhalten seien und riefen ihre Mitarbeiter entsprechend auf, diese zu respektieren. Denn nicht alle würden sich an die Arbeitsabläufe halten. Am Donnerstag sagte der Leiter Bahnproduktion, Linus Looser, gegenüber Tele M1: «Bei so vielen Mitarbeitern und Abfertigungen kann es dazu kommen, dass mal ein Prozess nicht richtig eingehalten wird.»

Tatsächlich kann der Fernsehsender dank versteckter Kamera feststellen, dass eine Zugchefin den Abfertigungsablauf nicht respektiert. Sie gibt den Schliessungsbefehl der Tür mit dem Vierkantschlüssel, bevor sie selber eingestiegen war. Laut der SBB-Führung kommt das immer wieder mal vor. Eine Kritik am Personal mit dem Appell, sich an die Regeln zu halten: «Diese Prozesse müssen eingehalten werden», sagt Looser.

SBB zeigen den Ablauf bei der Türschliessung

Stefan Spörri, Chef Kundenbegleitung SBB, vor den Medien
8 Bilder
Ein Zug steht anlässlich des Medientermins bereit.
Stefan Spörri zeigt den Ablauf bei der Türschliessung. Hier wird dem Lokführer angezeigt, dass er bald losfahren kann.
Ein letzter Blick aufs Perron...
...dann wird die Türe geschlossen.
Der Einklemmschutz wird präsentiert.
Die technische Anlage des Einklemmschutzes
Die Technik des Einklemmschutzes

Stefan Spörri, Chef Kundenbegleitung SBB, vor den Medien

Keystone/Ennio Leanza

Der Vorwurf, dass sich das Personal nicht an die Regeln hält, kommt bei den Bähnlern nicht gut an. Er weckt den Eindruck, als hätte der verstorbene Zugchef Bruno R. Mitschuld am Unfall getragen. Andreas Menet, Zentralpräsident der Gewerkschaft für Verkehrspersonal SEV, nimmt ihn deshalb in Schutz: «Unser verunglückte Kollege hat sich ganz sicher nicht falsch verhalten. Für uns steht fest: Die Technik hat versagt.»

Die Gewerkschaft sei im Gespräch mit den SBB und hofft, dass die Sonderkontrolle die Probleme aufdecken und beheben wird.

Unfallursache noch nicht vollständig geklärt

Die SBB wollen noch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die versagende Technik schuld am Unfall war. «Wir wissen zum heutigen Zeitpunkt nicht, was genau vor Ort passiert ist», erklärte der Leiter Bahnproduktion Linus Looser. Ein Zusammenhang mit dem tödlichen Unfall bestünde gemäss dem damaligen Stand der Sust-Untersuchung nicht, betonte er weiter.

Der Wagentyp EW-IV wurde deshalb auch nicht vom Verkehr gezogen, weil es gemäss der Sicherheitseinschätzung der Bahn nicht nötig sei, obwohl die Gewerkschaften dies gefordert hatten. Dafür führt die Bahn die Sonderkontrolle aller 493 Wagen des Typen EW-IV weiter. Diese wird sechs bis sieben Wochen dauern.

«Die Wägen aus dem Verkehr ziehen», forderte der Präsident des Zugpersonalverbands, Andreas Menet:

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