Begeisterung für das artistisch-arabische «Chouf Ouchouf» an der Saisoneröffnung des Badener Kurtheaters.
Pascale Bruderer läuft vor der Garderobe nervös hin und her. Der Eingang und das Foyer des Kurtheaters sind übervoll. Die Rede zur Saisoneröffnung hat bereits begonnen und sie, die auch noch ein Wort an die Besucherinnen und Besucher richten müsste, kommt nicht durch die Menge.
Nicht wie sonst im Theatersaal findet die Eröffnungsrede statt, sondern auf der Treppe. Barbara Riecke, künstlerische Leiterin des Kurtheaters, erklärt, dass das Eröffnungsstück «Chouf Ouchouf» beim Einlass bereits beginnt und deshalb umdisponiert wurde. Den Zuschauern wars gleich, auch wenn die meisten die Redenden gar nicht sehen konnten.
«Ich bedanke mich für das Engagement des Kurtheaters», sagt Pascale Bruderer. «Und ich entschuldige mich, dass ich mich durch das Publikum gedrängelt habe, um überhaupt hier raufzukommen.» Die Nationalratspräsidentin lobt die Vielfalt des Schweizer Theaters und sagt, dass die Stadt Baden ein typisches Beispiel dieser Vielfalt sei. «Und es ist immer wieder schön, nach Hause zu kommen.»
«Schau, aber schau genau!»
Und dann geht es los: Laute Musik ertönt, junge Männer, die sich ihres Oberteils entledigen, beginnen schwungvolle artistische Einlagen zu zeigen. Eine ungeheure Kraft und Spannung sieht man in den Körpern, die sich mit Saltos, Flick-Flacks, Backflips oder Handstand Szenenapplaus holen. Die 10 Männer und 2 Frauen der «Groupe acrobatique de Tanger» spielen das Stück «Chouf Ouchouf», arabisch für «Schau, aber schau genau!». Die Idee und Inszenierung stammen von dem Schweizer Künstlerduo Zimmermann & de Perrot.
Die anfängliche Zirkusakrobatik wird immer mehr zu einem lustvollen Dialog zwischen Körper, Musik, Geräuschen und Poesie. Die Schwerkraft wird durch die scheinbare Leichtigkeit der Einlagen ausser Kraft gesetzt. Die nordafrikanische Künstlergruppe spricht und singt Arabisch und entführt das Publikum in eine fremde und doch vertraute Welt. Mit Witz und einem genialen Bühnenbild, bestehend aus 5 mobilen 3 Meter hohen Kästen, entsteht eine Spielwiese für Sinnesentführung. Teils verspielt, teils wie durch Zauber wird die Welt auf den Kopf gestellt. Die Kästen bewegen sich auf der Bühne, wie Wesen von einer anderen Welt. Aus den Quadern kommen Menschen und in sie gehen sie wieder zurück. Sie erscheinen, um im nächsten Moment spurlos zu verschwinden. Eine verschleierte, unbewegliche Frau, laute Verkäufer auf dem Basar, die Intonierung eines Akrobaten, der unglaubliche Verrenkungen macht, durch das Quetschen einer Petflasche – berührend.
«Grossartig», sagt Markus Lerch, Produktionsleiter des Figura Theaterfestivals, danach im Foyer. «Das Stück erzählt viel über die Menschen selbst.» «‹Chouf Ouchouf› hat mir sehr gut gefallen. Die Choreografie ist archaisch und poetisch», schwärmt Daniela Berger, Stadträtin von Baden. «Eine gute Premiere, die sicher vielen gefällt.»