Der Kindes- und Erwachsenenschutzdienst des Bezirks Baden (KESD) feiert sein 100-jähriges Bestehen – doch wann wird dessen Hilfe benötigt?
Anna leidet unter einer schizophrenen Erkrankung. Die 35-Jährige traut sich kaum aus dem Haus, hört Stimmen und vernachlässigt ihren Haushalt. Eine Nachbarin erfährt von ihrem Leiden und reicht beim Familiengericht Baden, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), eine Gefährdungsmeldung ein. Die Behörde stellt fest, dass Anna, die in Baden lebt, ihre Angelegenheiten nicht mehr selber erledigen kann und die Unterstützung durch die Familie nicht mehr ausreicht. Deshalb ordnet die Kesb eine Massnahme an – der Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) wird aktiv: Er beauftragt einen seiner elf Berufsbeistände, Anna in allen administrativen Angelegenheiten zu vertreten, für eine angemessene Wohnform zu sorgen sowie ihr Vermögen und Einkommen zu verwalten.
Anna ist nur einer von 850 Fällen, mit denen die Berufsbeistände des KESD Baden im vergangenen Jahr zu tun hatten. Dem Verband, dem aktuell 17 Gemeinden angehören (siehe Box), wurde am 5. Juli 1916 auf Einladung der Gemeinnützigen Gesellschaft im Restaurant Engel in Baden geschaffen – als Amtsvormundschaft. Seit der Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts (KESR) im Januar 2013 trägt die Amtsvormundschaft den Namen KESD.
Reto Bertschi und Stephan Preisch kümmern sich als Berufsbeistände und Stellenleiter des KESD um das Wohl schutzbedürftiger Kinder und Erwachsenen. «Das Schöne an der Arbeit ist, dass wir Positives bewirken können», sagt Preisch. Zur Veranschaulichung führt Bertschi das Beispiel einer Mutter aus, die ihren beiden Kindern die Besuche beim getrennt lebenden Vater verhindern will. «Unsere Hauptaufgabe ist es, zwischen den beiden zu vermitteln», sagt er. Gelinge es, die Eltern gemeinsam an einen Tisch zu bringen, ihnen zu erklären, dass sie sich auf das Wohl der Kinder fokussieren sollen und dabei den Konflikt zu lösen, dann sei das ein Erfolgserlebnis, so Reto Bertschi. Auch die Vielfältigkeit fasziniere ihn. «Wir haben es mit verschiedensten Personen zu tun: vom Neugeborenen bis hin zum Hundertjährigen.»
Während die Amtsvormundschaft im vergangenen Jahrhundert vor allem für uneheliche Kinder, für körperliche oder gefährdete Kinder zu Hilfe gezogen wurde, führt der KESD heutzutage Beistandschaften für Kinder und Erwachsene. So vertreten Bertschi und Preisch betroffene Personen in verschiedenen Bereichen, etwa Finanzen, Gesundheit und Wohnen, führen Gespräche mit Psychologen, Anwälten und Lehrkräften. Sie unterstützen aber auch Eltern bei Erziehungsfragen und begleiten Kinder bei Platzierungen. «Das alles ist nur dank der Unterstützung des Teams möglich. Die Zusammenarbeit funktioniert bestens», sagt Co-Stellenleiter Reto Bertschi.
Anlässlich des 100. Geburtstags des Gemeindeverbandes sind verschiedene Aktivitäten geplant. «Ein solch bedeutendes Jubiläum wollen wir nutzen», sagt Regula Dell’Anno, Stadträtin und Vorstandsmitglied des KESD Baden. Man möchte das Publikum über die Arbeit informieren, etwa mithilfe von Plakaten, Faltblättern, Referaten und einer Podiumsdiskussion. Auch die Öffentlichkeitsarbeit soll gestärkt werden: Zu diesem Zweck hat Historiker Ernst Guggisberg im Auftrag des KESD eine Jubiläumsschrift verfasst. Das Dokument ist auch im Internet einsehbar.
Dem Gemeindeverband des Kindes- und Erwachsenenschutzdiensts (KESD) sind aktuell 17 Gemeinden aus dem Bezirk Baden verbunden: Würenlingen, Untersiggenthal, Freienwil, Ehrendingen, Turgi, Ennetbaden, Gebenstorf, Baden, Birmenstorf, Würenlos, Killwangen, Mellingen, Mägenwil, Stetten, Künten, Bellikon und Bergdietikon. In den restlichen Gemeinden des Bezirks werden die von der Kesb erlassenen Massnahmen entweder durch eigene Berufsbeistände geführt oder durch einen regionalen Sozialdienst. (ces)