Martin Kistler, Landrat des Landkreises Waldshut, fordert in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» völkerrechtliche Verträge wegen des geplanten Atommüll-Endlagers Nördlich Lägern. Haftungs- und Entschädigungsfragen müssten geklärt werden.
Das Atomkraftwerk Leibstadt schaffte es am vergangenen Samstag auf die Titelseite der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Der Titel über dem gross gedruckten Foto: «Grüezi, Gorleben».
Grund für den Artikel in einer der bedeutendsten Zeitungen im deutschsprachigen Raum ist die Frage: Warum gehen die Schweizer in der Region so gelassen mit dem geplanten Tiefenlager in Stadel an der Grenze zum Zurzibiet um? Warum gibt es in der Schweiz nicht Widerstand wie in Gorleben in Niedersachsen, wo es ab Ende der 1970er-Jahre massive Proteste gegen das geplante Endlager gab? Und: Wie reagiert man in der deutschen Grenzregion?
Die Zeitung berichtet über den Auftritt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga an einer Infoveranstaltung im Hotel Riverside in Glattfelden. Und stellt erstaunt fest: «Niemand wünscht sich ein Atommüll-Endlager in seiner Nachbarschaft. Doch von einer feindseligen Stimmung ist im Saal nichts zu spüren.»
Als Sommaruga auf die Bühne getreten sei, hätten die meisten Leute geklatscht. Und als sie knapp zwei Stunden später ihr Schlusswort gesprochen habe, sei der Applaus noch etwas kräftiger gewesen. Weder Buhrufe noch in die Luft gestreckte Protestschilder hätten den Auftritt der Ministerin gestört.
Den Einwohnern sei klar, dass sie sowieso nichts gegen den Bau des Tiefenlagers ausrichten könnten, so die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»: Die Gesetzeslage lasse in diesem Fall kein Veto der betroffenen Gemeinden oder des Kantons zu. Umso mehr treibe die Leute die Entschädigungsfrage um: «Die Angst vor einer Entwertung des Grund- und Hauseigentums ist gross.»
Im Artikel kommen auch Menschen aus dem deutschen Grenzgebiet zu Wort. So beispielsweise Martin Kistler, Landrat des Landkreises Waldshut. Die Oberflächenanlage in Stadel, wo der Müll in die Tiefe gebracht werden soll, liege genau wie der künftige Standort für die Verpackungsanlage in Würenlingen im Einzugsbereich des Rheins und der Aare. «Kommt es dort zu einer Havarie, dann ist auch unser Grundwasser betroffen. Wir wünschen uns diesbezüglich andere weniger grenznahe Standorte.»
Kistler fordert mehr Unterstützung aus Berlin: «Schon jetzt wäre es gut, wenn die Ampelregierung gegenüber der Schweizer Bundesregierung endlich deutlich machen würde, was unsere deutschen Interessen sind. Das würde unsere Verhandlungsposition stärken.»
Es brauche ein grenzüberschreitendes Gremium geben, das alle Prozesse steure, fordert Kistler weiter. «Vor allem müssen Haftungs- und Entschädigungsfragen geklärt werden. Dazu brauchen wir entweder einen Staatsvertrag oder mehrere völkerrechtliche Verträge.» (pkr)