Weniger und in geringerer Qualität: Die schlechte Getreideernte im 2021 ist nicht das einzige, das die Betriebe in der Region Brugg fordert. Einige suchen nun neue Lösungen.
Verheerend. Mit diesem Wort beschreibt der Schweizer Bäcker-Confiseurmeister-Verband (SBC) die Getreideernte vom vergangenen Jahr. Geschuldet durch die nasse und kalte Witterung im Frühling und Sommer rechnete die Branchenorganisation Swiss Granum im November mit rund 31 Prozent weniger Ertrag als noch 2020. Doch das seien nicht die einzigen Ursachen für den erheblichen Kostenanstieg in der Branche, sagt der SBC: «Seit Anfang Jahr steigen die Weltmarktpreise für Lebensmittel, Rohstoffe und Energie stetig an.»
Der Verband spricht von bis zu 15% erhöhten Ausgaben für etwa Verpackung oder Kredit- und Debitkartengebühren. Darauf empfahl der SBC seinen knapp 1400 Mitgliedern eine «Analyse der Preise und wenn nötig eine Anpassung». Auch die Bäckereien im Bezirk Brugg reagierten:
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Im Veltheimer Betrieb ist das Angebot seit Anfang Dezember teurer. «Wir mussten die Preise der Produkte in der Bäckerei und Konditorei um rund 5 bis 8% erhöhen», sagt Geschäftsführer Karl Richner. Sortimentsreduktionen sind beim über 170-jährigen Unternehmen aktuell noch kein Thema.
Richner fügt an:
«Das kann sich aber aufgrund der Verfügbarkeit der Rohstoffe kurzfristig ändern.»
Das Mehl zeige sich in seiner Verarbeitungseigenschaften etwas schlechter als im letzten Jahr. Dinkelmehl könnte gemäss dem Geschäftsführer der Bäckerei-Confiserie Richner zudem bei den Lieferanten ausgehen.
Per 1. Februar erwartet die Kundschaft in der Bäckerei Maier eine neue Preisliste. Geschäftsführer Roman Maier sagt: «Es ist für uns kein leichter Schritt, aber die Preise müssen der Realität angepasst werden.» Die Erhöhung bewege sich im Bereich Brötchen und Brot zwischen 3 und 5%. Bei Letzterem seien es je nach Sorte und Grösse zwischen 10 und 20 Rappen.
Bei Kleingebäcken wie Gipfeli rechnet Maier mit 10 Rappen Aufschlag. In den Bereichen Snacks, Take-away und Gastronomie habe man aktuell nichts geändert.
Der Geschäftsführer fügt an:
«Es ist nicht auszuschliessen, dass es zu weiteren Preisanpassungen kommen wird.»
Zudem sei man gezwungen gewesen, auch das Sortiment anzupassen.
Von den meisten seiner Lieferanten erhalte der Betrieb täglich Schreiben mit Preisanpassungen. Dass die Rohstoffpreise «unisono» auf der ganzen Breite aufschlagen, habe man so noch nie erlebt. Die Verteuerung führt Maier grösstenteils auf die schlechte Ernte zurück: «Zu viel Getreide musste deklassiert werden, da es sehr schlechte Backeigenschaften aufweist.» Dies fordere sowohl die Müllerei als auch die Fachkenntnisse der Bäcker. Besonders feststellbar sei dies bei Urdinkelprodukten:
«Urdinkel ist von jeher sehr gefragt in der Schweiz und der Anbau folgt knapp den Bedürfnissen, dies wird speziell in diesem Jahr spürbar.»
Für Maier macht sich der Rohstoffmangel bisher aber nur im Preis bemerkbar. «Eine ernsthafte Verknappung ist in der Schweiz nicht zu erwarten.» Das Verpackungs- und Verbrauchsmaterialien seien nicht nur teurer geworden, auch die Lieferverfügbarkeit sei sehr eingeschränkt. «Eine weitsichtige Planung ist gerade im Einkauf aktuell notwendig.»
Die neue Preisliste im Unternehmen bezeichnet Maier als «Mischkalkulation aus der aktuellen Lage und dem anhaltenden Trend, denn auch Kosten für Personalaufwände, coronabedingte Mehraufwände und insbesondere gestiegene Strompreise schlagen zu Buche». Aus diesen Gründen habe der Betrieb auch beschlossen, auf dem Produktionsgebäude eine neue Fotovoltaikanlage zu realisieren, um in der Stromversorgung unabhängiger und nachhaltiger zu agieren.
Marianne und Peter Wülser spüren die Verteuerung in der Branche «sehr stark». Die Betreiber von Café-Confiserie Papillon in Lauffohr führen aus:
«Einerseits bei den Materialkosten wie Rohstoffe oder Verpackung, die im letzten Jahr bei uns um zirka 7% gestiegen sind, aber auch bei den höheren Energiekosten und den höheren Kosten, die direkt oder indirekt durch Corona verursacht wurden.»
Wegen Lieferproblemen bei Rohstoffen und Verpackungsmaterial habe man auf andere Produkte ausweichen müssen. «Da wir ein sehr kleiner Betrieb sind, waren gewisse Zusatzkosten nicht so einfach zu verkraften.» Gleichzeitig machten dem Betrieb die fast drei Monate andauernden Bauarbeiten auf der Zufahrtsstrasse zum «Papillon» sowie die pandemiebedingte Schliessung des Cafés im 1. Quartal im letzten Jahr zusätzlich zu schaffen.
Mittlerweile sind alle Produkte im Lauffohrer Unternehmen teurer: In zwei Schritten – einmal Anfang Oktober 2021 und einmal Anfang Januar 2022 – habe man die Preise um rund 7% erhöht. «Wir hoffen, dass diese Massnahme ausreicht.»
Im Unternehmen mit Hauptstandort in Schinznach-Dorf muss man für sein Gipfeli seit Anfang Jahr mehr auslegen. «Wir sind über die Bücher gegangen und haben festgestellt, dass für uns eine Preiserhöhung von 10% über das gesamte Sortiment der richtige Weg ist», erklärt Tamara Lehmann. Die Geschäftsführerin sagt: «Wir versuchen die Kunden frühzeitig darauf vorzubereiten, damit es keine böse Überraschung ist.»
Beim Rohmaterial habe die Bäckerei-Konditorei Lehmann im letzten Jahr teilweise eine Steigerung der Kosten um mehr als 30% erlebt. Ebenfalls hätte sich beim Material alles – von den Werkzeugen bis zum Diesel für die Lieferwagen – verteuert. Lehmann fügt an:
«Sehr stark belastet auch die Energie, die wir zum Arbeiten benötigen.»
Der Betrieb beziehe Strom aus erneuerbaren Energien und werde 2022 um rund 50’000 Franken höhere Kosten dafür haben. «Für die gleiche oder vielleicht schlechtere Leistung, falls es zu Stromengpässen kommt», fügt die Geschäftsführerin an. Vor drei Jahren habe man abgeklärt, ob eine Bestückung des gesamten Dachs der Produktion in Schinznach-Dorf mit Solarpanels möglich wäre. Der Ortsbildschutz lehnte dies damals jedoch ab.
Im Zuge der aktuellen Situation will die Bäckerei-Konditorei Lehmann im Bereich Solar wieder aktiv werden:
«Ein Nein muss ja nicht zwingend für die Ewigkeit sein.»
Zudem versuche man, Ausgaben nochmals zu prüfen und zukünftig interne Prozesse einfacher und effizienter zu gestalten. Beispielsweise setzt das Unternehmen nun einen Lieferwagen weniger ein. «Sicher wird es im ersten Moment etwas umständlicher, aber Änderungen bringen immer auch kreative Lösungen mit sich und plötzlich funktioniert etwas, woran man vorher gar nie gedacht hat.»
Auch die Bäckerei-Konditorei Frei mit Standort unter anderem in Brugg bekommt die aktuelle Lage in der Branche sehr stark zu spüren, wie Geschäftsleiter Hansjörg Frei sagt. Die Qualität des Weizens stelle den Betrieb vor grosse Herausforderungen. «Aber da braucht es handwerkliches Geschick und Gespür mit der ganzen Teigherstellung.» Ebenfalls unterstütze Partner Knecht Mühle aus Leibstadt bei der schwankenden Mehlqualität. Die Knappheit von Urdinkel- und Roggenmehl führte bisher zu Ausfällen einiger Produkte über mehrere Tage.
Zuletzt nennt Frei den Einkaufspreis: In den letzten beiden Jahren – und besonders im September und Oktober 2021 – habe es Preisaufschläge sowohl bei Milchprodukten oder Verpackungen als auch bei den Energiepreisen und Serviceleistungen für Maschinen gegeben.
Frei fügt an:
«Unsere Mehrkosten sind also bei einigen Lieferanten nicht erst seit dem neuen Jahr gestiegen und nicht nur das Mehl hat aufgeschlagen.»
Deshalb müsse und werde man bei einigen Produkten im Laden eine Preisanpassung vornehmen. Konkret heisst das, dass zirka 70% der Waren – darunter Gipfeli, Waren mit Milch, Rahm und Butter, insbesondere Urdinkelprodukte, aber auch solche mit hohem Körner- und Saat-Anteil – teurer werden. Im Detail handelt es sich um eine Preissteigerung zwischen 10 und 20 Rappen.
Sortimentsanpassungen habe die Bäckerei-Konditorei Frei bereits während der ganzen Pandemie vorgenommen. «Dieser Prozess wird sich in diesem Jahr weiter fortsetzen.» Sicher streiche man zukünftig weitere Angebote, «aber es wird auch immer wieder neue innovative und der Zeit angepasste Produkte geben.»
Im letzten Jahr hat die Bäckerei-Konditorei-Café Mor bei der Beschaffung von Rohmaterialien für die Produktion noch keine Auswirkungen gespürt. Geschäftsführer Duran Mor sagt:
«Die Verteuerung der Rohstoffe – Mehl, Kaffee, Verarbeitungsstoffe – hat sich aber abgezeichnet. Diese wurde uns seitens der Lieferanten für das Jahr 2022 angekündigt.»
Aktuell stelle man den Preisaufschlag im Bereich des Verbrauchsmaterials fest, welches für Bäckereien ein wesentlicher Kostenfaktor sei, genauso müsse jedoch für die Milch mehr ausgelegt werden. «Generell merkt man jetzt schon eine Verteuerung über das ganze Breitenband der Beschaffung.»
Die Preise für das Angebot habe der Betrieb mit Filialen in Brugg, Villnachern und Bad Zurzach «gezwungenermassen» angepasst. Betroffen sind etwa Produkte wie Backwaren, Gebäck oder Patisserie. Durchschnittlich wurde über das ganze Warenangebot hinweg um 10% aufgeschlagen. «Wobei unser Sortiment in den Filialen Villnachern und Bad Zurzach seit 2018 keine Preiserhöhung hatte», fügt Mor an. Auf das bestehende Sortiment beziehungsweise die Standardproduktion hat die aktuelle Lage keine Auswirkung.