Analyse
Grossprojekt am Wohler Rebberg: Röhrt da ein ehemaliger Platzhirsch aus dem Off?

In seiner Analyse zu den Diskussionen um das Grossprojekt am Wohler Rebberg schreibt Freiamt-Redaktor Toni Widmer: «Ein Baugesuchsverfahren ist ein reiner Verwaltungsakt.»

Toni Widmer
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Am Rebberg ist eine Gross-Überbauung geplant.

Am Rebberg ist eine Gross-Überbauung geplant.

Andrea Weibel

Die Wogen gehen hoch in Wohlen. Der Gemeinderat gerät (wieder einmal) unter Beschuss: Am Rebberg ist eine Gross-Überbauung geplant. In 20 Mehrfamilienhäusern sollen 202 Wohnungen entstehen. Hochgerechnet könnte diese Überbauung die Einwohnerzahl von Wohlen um rund 350 Personen wachsen lassen.

Die Debatte ist politisch geprägt. Was soll das? Ein Baugesuchsverfahren ist ein reiner Verwaltungsakt. Eine Baubewilligungsbehörde hat lediglich zu prüfen,
ob ein geplantes Projekt der geltenden Bau- und Zonenordnung entspricht.

Man stelle sich vor: Der Gemeinderat Wohlen weist ein Bauvorhaben aus politischen Gründen ab. Er verweigert – als Beispiel – den Investoren vom Rebberg eine Baubewilligung mit der Begründung: «Der zu erwartende Steuerertrag ist zu klein.» Oder: «Ihre geplante Überbauung wirft unsere laufende Schulraumplanung über den Haufen.» Ein solcher Entscheid
würde schon von der ersten Beschwerdeinstanz kassiert – und das hochkantig
und unter gewaltigem Kopfschütteln.

Warum nimmt die Diskussion solche Formen an? Weshalb wird der aktuelle Gemeinderat derart angeschossen?

Der Verdacht liegt nahe, dass da ein ehemaliger Platzhirsch aus dem Hintergrund röhrt. Denn: Der Gemeinderat hat in seiner aktuellen Konstellation weder die Erschliessung des Rebbergs im Jahr 2010 initiiert und dem Volk verkauft, noch ist er in seiner Gesamtheit für die geltende Bau- und Nutzungsordnung von 2013 verantwortlich. Auch das Bauprojekt stammt nicht von ihm, sondern von einem Investor und dessen Architekten.

Der (amtierende) Gemeinderat muss jetzt höchstenfalls ausbaden, was ihm seine Vorgänger eingebrockt haben. Ja, es ist richtig, dass in der Rebberg-Erschliessungsvorlage von 2010 von der Möglichkeit gesprochen worden ist, dass auf den insgesamt 34 000 Quadratmetern Fläche 60 Einfamilienhäuser Platz finden könnten. Ausgegangen ist man dabei von einem durchschnittlichen Landbedarf von 5 bis 6 Aren (500 bis 600 m2).

Und es stimmt auch, dass insbesondere der damalige Bauvorsteher immer wieder betont hat, wie mit der Überbauung des Rebbergs Steuersubstrat für Wohlen generiert und so die angespannte finanzielle Lage verbessert werden könne. Es gab warnende Stimmen: «Der untere Teil des Landes befindet sich in der Wohnzone W2, welche auch Arealüberbauungen zulässt. Was kommt also in Wirklichkeit auf uns zu? Aus wirtschaftlichen Überlegungen muss doch damit gerechnet werden, dass dieser untere Teil mit Mehrfamilienhäusern oder Reihenhäusern überbaut wird. Wir dürfen kaum annehmen, dass die Landeigentümer nicht das Optimum für sich herausholen werden», stand in einem Leserbrief des Komitees «Keine Geschenke am Rebberg», welches mehrheitlich von der SVP geprägt war.

Schon 2010 müsste eigentlich jedem vernünftig denkenden Menschen klar gewesen sein, dass die erhofften reichen Steuerzahler sich kaum in einem Einfamilienhaus niederlassen würden, das am Fusse des Rebbergs auf einer Miniparzelle von 5 bis 6 Aren Grösse steht – mit Aussicht nicht über, sondern höchstenfalls an den Kirchturm. Man hätte, im Rahmen der Nutzungsplanungsrevision im Jahr 2013, allfällige frühere Unterlassungen korrigieren und die Bauzonen am Rebberg exakter definieren können.

Das ist nicht geschehen. Es gibt zwar ein Merkblatt dazu, was man sich dort baulich in etwa vorstellt. Aber weder ist ein Merkblatt für irgendjemanden verpflichtend, noch generiert es Steuersubstrat. Mit der Nutzungsplanungsrevision wurde nun aber nicht nur der Zonenplan im Gebiet Rebberg neu zementiert, sondern auch das Mehrfamilienhaus-Verbot aus der
Zone W2 entfernt.

«Verdichtet Bauen» lautete der Tenor in der Einwohnerratsdebatte. Das vor allem auch unter dem Eindruck der laufenden Revision des Raumplanungsgesetzes. Obwohl dessen Änderungen erst im Folgejahr rechtskräftig wurden, haben Gemeinderat und Einwohnerrat schon erste Weichen in Richtung verdichtetes Bauen gestellt. Und dazu den Segen des Stimmvolks erhalten. Über die Revision der Bau- und Nutzungsordnung haben nicht Gemeinderat und Parlament allein entschieden, es gab dazu auch eine Volksabstimmung.

Somit ist festzuhalten: Es gibt für die 2,7 Hektaren grosse Brache am Fuss des Rebberges mindestens seit 2013 ganz klare Vorgaben, was baulich möglich ist und was nicht. Es ist davon auszugehen, dass sich Investor und planende Architekten mit diesen Vorgaben intensiv und seriös auseinandergesetzt und ihr aktuelles Bauprojekt darauf ausgerichtet haben. Ob dem so ist, das hat die Baubewilligungs-behörde jetzt zu prüfen. Und nur das.