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Körperverletzung und Bedrohung: Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte diese Woche den Filialleiter eines Tankstellenshops.
«Meinst du, ich habe Angst vor der Kamera? Wenn ich jemanden töten will, dann töte ich. Ich bin Calabrese und stolz darauf.» Es sind happige Worte, die Massimo (Name geändert) gemäss Anklageschrift an seine Angestellte richtete.
Doch bei diesen Worten ist es offenbar nicht geblieben. Letzte Woche musste sich der gebürtige Italiener vor dem Bezirksgericht Bremgarten verantworten. Versuchte schwere Körperverletzung und mehrfache Drohung, so die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten forderte eine bedingte Freiheitsstrafe, eine Busse und einen Landesverweis.
Es geschah im Mai 2019. Der Filialleiter eines Freiämter Tankstellenshops betrat am Montagmorgen kurz vor Ladenöffnung um 6 Uhr sein Geschäft. Mitarbeiterin Svetlana (Name geändert) war vor Ort und bestückte die Kassen. Sie arbeitete seit fünf Jahren im Shop, war zuletzt stellvertretende Filialleiterin. Das Verhältnis zwischen ihr und dem Chef war immer gut, ja gar herzlich.
Seit einiger Zeit kam es jedoch im Laden immer wieder zu Diebstählen, die unentdeckt blieben. Es musste ein Angestellter sein, der sich heimlich bediente. «Abwaschmittel, Glacen, Kehrichtsäcke. Über die Jahre ist ein Schaden von rund 40'000 Franken entstanden», gab der 36-jährige Massimo zu Protokoll. «Der Laden ist meine Existenz, mein Ein und Alles.»
Wenige Tage vor der Tat informierte ein weiterer Mitarbeiter den Filialleiter, dass es Svetlana gewesen sei, die sich seit Jahren im Laden persönlich bereichert hatte. Massimo war schockiert. «Ich fühlte grosse Trauer und riesige Enttäuschung», sagte er vor Gericht. Dann eskalierte die Situation am darauffolgenden Montagmorgen. Hinter der Ladentheke stellte Massimo seine Angestellte zur Rede. Doch Svetlana stritt alles ab.
Nach einer vorerst verbalen Auseinandersetzung griff Massimo zu einem langen Gasfeuerzeug und fuchtelte damit drohend vor dem Gesicht seiner Mitarbeiterin herum. Dann schlug er zu. Erst einmal, dann ein zweites Mal. Mit der Spitze des Feuerzeugs verletzte er die Brillenträgerin im Bereich des linken Auges. Sie erlitt eine kleine streifenförmige Einblutung im Bereich des Oberlids und eine grössere am Unterrand der Augenhöhle, wie der Arztbericht dokumentiert.
Trotz Videokamera, die den gesamten Vorfall erfasst hat, will Massimo nichts mit den Verletzungen zu tun haben. «Ich gebe zu, dass ich mit dem Feuerzeug rumgefuchtelt habe, aber ich habe sie dabei nie berührt», gab er vor Gericht zu Protokoll. Die Verletzungen müsse sich seine Angestellte später – wohl als Rache für die erfolgte fristlose Kündigung – selbst zugeführt haben.
Zwei Tage nach dem Übergriff traf der Angeklagte zufällig, wie er behauptete, auf den Ehemann des Opfers. Er sagte ihm, dass seine Frau für den entstandenen Schaden aufkommen müsse. Ansonsten würde Blut fliessen. Sie könne sich auch nirgendwo verstecken, denn er habe seine Leute, die sie sogar in ihrem Heimatland Serbien finden würden. Auch diesen Vorwurf der Drohung stritt Massimo vor Gericht ab.
«Es ist lediglich Glück, dass das Opfer nur leichte Verletzungen davongetragen hat», konterte Staatsanwalt Werner Burkart in seinem Plädoyer. «Ein Verlust des Augenlichts wäre durchaus möglich gewesen.» Er beantragte eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten und eine Busse von 2000 Franken sowie einen fünfjährigen Landesverweis.
Strafverteidiger Serge Flury verlangte für seinen Mandanten einen Freispruch auf ganzer Linie. Auf dem Video seien keine Verletzungen ersichtlich, für die Drohungen gäbe es keinerlei Beweise. Zudem habe das Opfer erst Tage nach dem Vorfall überhaupt Strafanzeige erstattet.
Das Gesamtgericht sah den Tatbestand jedoch als erwiesen an. Nach einer einstündigen Beratung verkündete Gerichtspräsident Peter Thurnherr das Urteil: Eine bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten und eine Busse von 4000 Franken. Dem Landesverweis entging Massimo, Vater zweier kleiner Töchter, nur dadurch, dass das Gericht von einer einfachen und nicht von einer schweren Körperverletzung ausging. Thurnherr machte allerdings in der Urteilsbegründung klar: «Sie stehen auf sehr dünnem Eis.»
Das Urteil kann noch an das Aargauer Obergericht weitergezogen werden. Gegen Svetlana, die nicht am Prozess teilnahm, ist ein Strafverfahren hängig.