Die Insolvenz des Reformhauses Müller hat auch in Frick und Rheinfelden eingeschlagen und für Schockwellen gesorgt: Auch die Betreiber der dortigen Bioläden haben wieder mehr zu kämpfen. Hoffnungen auf einen über die Coronazeit hinausreichenden Boom an Kundschaft haben sich zerschlagen.
Manuel Schmutz schüttelt den Kopf. «Wahnsinn», sagt er, und schiebt nach: «Damit hätte niemand gerechnet, ein echter Schock.» Auch Raphaël Carmeli tönt noch immer fassungslos. Er sagt:
«Das beschäftigt mich auch schwer. Ein Traditionsunternehmen mit langer Geschichte ist untergegangen.»
Schmutz, Inhaber des Ladens Bio Peter in Frick, und Carmeli, der das Geschäft L’Ultimo Bacio in Rheinfelden betreibt, hat der Konkurs der Reformhaus-Kette Müller schwer getroffen. Sie sind in Gedanken bei den fast 300 Mitarbeitenden, die jetzt auf der Strasse stehen.
Einbrechende Umsätze, Kundschaft, die zu hohe Preise beklagt und die wieder am Essen spart, Konkurrenz durch die Grossverteiler und Discounter – all das wurden als Gründe für die Müller-Pleite angeführt.
Negativschlagzeilen in der Biobranche: Es ist noch nicht lange her, da machte sie mit ganz anderen, positiven Storys von sich reden. Das war in der Coronazeit. Schmutz rannten in den Monaten des ersten Lockdowns die Kundinnen und Kunden die Bude ein, kauften Ingwer und Zitrone als Immunabwehr-Booster in rauen Mengen. Viele probierten seine gesunden Lebensmittel zum ersten Mal aus.
Carmeli machte im Frühjahr 2020 so viel Umsatz wie nie zuvor. Durch geschlossene Grenzen waren Reformhäuser und Bioläden im grenznahen deutschen Ausland blockiert. Auch das half Schmutz und Carmeli. Hoffnung keimte auf – darauf, dass der Trend nachhaltig ist und auch nach der Pandemie verhebt. Aber heute muss Carmeli einräumen.
«Leider haben sich unsere Hoffnungen zerschlagen. Vom Corona-Boom ist nichts mehr übrig.»
Beide Fricktaler Bioladen-Betreiber sind bei Kundenfrequenz und Umsatz auf das Vor-Pandemie-Niveau 2019 zurückgefallen. Schmutz sagt, er habe auch mit dem Ende des Booms gerechnet: «Ich denke, niemand hat ernsthaft geglaubt, dass es auf diesem Niveau so weitergeht.»
Andererseits: Durch die hohen Umsätze 2020 und 2021 konnte Schmutz Rücklagen bilden. Und die kann er jetzt in eine neue Kühltheke investieren. Sie soll die alte, 20-jährige im Lenzburger Laden – den betreibt er neben dem Fricker – ersetzen und helfen, Strom zu sparen. Zuvor hätten viele Bioläden für derlei Investitionen eben nicht die finanziellen Reserven gehabt, so Schmutz.
Er macht das Dilemma deutlich, in dem die kleinen Bioläden derzeit stehen, wenn er sagt:
«Uns hat immer motiviert, darum zu kämpfen, dass es Bio überall gibt. Das haben wir erreicht.»
Und doch: Sie, die Pioniere, wollten sich damit ja nicht überflüssig machen, sondern weitermachen. Und sie sagen, dass es nach wie vor gute Gründe gibt, bei ihnen einzukaufen: die Nähe, das Wissen, die Echtheit – strenge Anforderungen an die Ware. Auch vom Teuer-Image will Schmutz nichts wissen. Er sagt, er habe, gerade durch den aktuell starken Franken, die Preise vieler aus der EU stammender Bioprodukte senken können.
Überrannt in der Coronazeit und jetzt wieder zurückgeworfen auf die Stammklientel, mussten sich die kleinen Bioläden schon personell verschlanken. «Wir müssen die Kosten gut im Griff haben, darauf kommt es jetzt an», sagt Carmeli. Und: «Der Einkauf wird jetzt noch herausfordernder. Nur noch, was richtig gut läuft, kann im Sortiment bleiben.»
Und doch denkt Schmutz, der Krise zum Trotz, auch an Expansion, die sich durch den Müller-Konkurs womöglich eröffnet. Er sondiert gerade eine Übernahme der Aarauer Müller-Filiale, eine von 37 schweizweit. Er sieht in ihr «viel Potenzial».