Gesundheitskrise
Mehr Geld für die Ausbildung in Spitälern, Heimen und bei der Spitex: So will der Kanton die Pflegeinitiative umsetzen

Auch der Aargau hat mit geschlossenen Betten und Personalmangel in Spitälern zu kämpfen. Nun sollen Spitäler, Heime und Spitex-Organisationen, die Pflegepersonal ausbilden, höhere Beiträge erhalten. Der Pflegeverband Aargau/Solothurn widerspricht Aussagen des Kantons, man habe bereits viel für das Pflegepersonal getan.

Maximilian Karl Fankhauser
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Dank der Pflegeinitiative soll ab 2024 wieder mehr Personal ausgebildet werden können.

Dank der Pflegeinitiative soll ab 2024 wieder mehr Personal ausgebildet werden können.

Sandra Ardizzone

«Die Kantone können und müssen jetzt handeln, die Ausbildungsoffensive soll unverzüglich angegangen werden», forderte die Sektion Aargau/Solothurn des Schweizer Berufsverbandes für Pflegefachpersonal Ende November. Zuvor hatten über 700 Pflegende auf dem Bundesplatz eine möglichst schnelle Umsetzung der Pflegeinitiative verlangt. Ihr Anliegen: Der Pflege-Exodus müsse gestoppt werden, dazu brauche es eine Ausbildungsoffensive.

Ende 2021 haben Volk und die Stände die Initiative angenommen, sie soll gemäss Beschluss des Bundesrats in zwei Etappen umgesetzt werden. Im ersten Teil wird der Fokus auf die Ausbildungsoffensive des Fachpersonals gelegt, dazu kommt die Möglichkeit, selbst abzurechnen. In einer zweiten Phase werden Forderungen wie bessere Arbeitsbedingungen, fairere Löhne und die berufliche Entwicklung von Bund und Kantonen angegangen.

Der Tele M1-«Aktuell»-Beitrag zum Thema.

Tele M1

So will der Kanton die Ausbildungsoffensive umsetzen

Der Kanton Aargau sieht sich dabei auf einem guten Weg, wie die Staatskanzlei am Mittwoch mitteilt. Dank bestehender Massnahmen und der rechtzeitigen Aufnahme der Vorarbeiten sei die Umsetzung bereits fortgeschritten. Das Departement Gesundheit und Soziales hat im letzten Sommer gemeinsam mit dem Departement Bildung, Kultur und Sport ein Projekt ins Leben gerufen, um die Ausbildungsoffensive umzusetzen. Dieses sieht drei Massnahmen vor, wie die Staatskanzlei mitteilt.

  • Spitäler, stationäre Pflegeeinrichtungen und Spitex-Organisationen, die einen Beitrag an die praktische Ausbildung der Pflegefachkräfte leisten, erhalten zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Kanton.
  • Pflegefachpersonen, die an einer Pflegeausbildung einer höheren Fachschule oder Fachhochschule eingeschrieben sind, können von Beiträgen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts profitieren.
  • Höhere Fachschulen werden finanziell unterstützt, damit sie die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen können.

Kosten für den Kanton sind noch unbekannt

Der genaue Betrag dieser Ausgaben könne noch nicht beziffert werden, sagt Stephan Campi, Generalsekretär des Departements Gesundheit und Soziales. Die Kosten setzen sich laut Campi aus Beiträgen für die praktische Ausbildung, den Lebensunterhalt sowie für mehr Ausbildungsplätze zusammen. «Sobald die Berechnungen vorliegen, werden diese in die politische Diskussion einfliessen», hält er fest.

Verschiedene Vereinigungen, wie der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner Aargau/Solothurn, der Gesundheitsverband Vaka, der Verband der privaten Spitex-Organisationen, die Organisation der Arbeitswelt Gesundheit und Soziales sowie die Höhere Fachschule Gesundheit und Soziales wurden vom Kanton eingeladen, am Projekt mitzuwirken.

Wiedereinstieg in den Pflegeberuf wird finanziell gefördert

Der Kanton sieht sich gut vorbereitet auf die Umsetzung. So gebe es seit zehn Jahren eine gesetzliche Ausbildungsverpflichtung für nicht-universitäre Pflegeberufe für Spitäler, stationäre Pflegeeinrichtungen und Spitex-Organisationen. Zudem fördere der Aargau seit 2021 das Aktionsprogramm «Wiedereinstieg in den Pflegeberuf» und unterstütze Ausbildungsspitäler von Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege-Studiengängen mit 15'000 Franken pro Abschluss.

Überdies wurde die vom Kanton in Auftrag gegebene Studie zur Entwicklung des Bedarfs von Pflege- und Betreuungspersonal vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium 2022 fertiggestellt – diese bietet gemäss Mitteilung eine datenbasierte Steuerung der Ausbildungstätigkeiten. Auch die Gesundheitspolitische Gesamtplanung enthält Strategien und Massnahmen zur Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen.

Pflegeverband widerspricht Aussagen des Kantons

Der SBK Aargau/Solothurn begrüsst die Schritte des Kantones, sie gingen in die richtige Richtung, sagt Erik Grossenbacher, Co-Leiter der Geschäftsstelle beim Pflegeverband, auf Anfrage der AZ. Auch die Mitwirkung der Verbände sei grundsätzlich erfreulich. Dennoch hätte der Startschuss für die Umsetzung der Initiative früher fallen können. «Die Verantwortung für die Verzögerungen liegt aber nicht nur bei den Kantonen», sagt Grossenbacher.

Die Aussagen des Kantons, man habe bereits viel getan und eine Grundlage geschaffen, teilt Grossenbacher nicht. «Wenn es so wäre, dann wäre diese Initiative nicht nötig gewesen.» Der Verband führte eine nicht repräsentative Umfrage bei Pflegestudentinnen und Pflegestudenten durch, wie Grossenbacher sagt. Das Stimmungsbild sei klar: Mehr als die Hälfte könne sich unter den jetzigen Bedingungen nicht vorstellen, nach Abschluss der Ausbildung weiterhin auf dem Beruf zu arbeiten.

Für die Umsetzung der Initiative sind Gesetzesänderungen nötig

Im Sommer 2024 soll das neue Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege in Kraft treten. Befristet auf acht Jahre können die Kantone ab diesem Zeitpunkt Bundesbeiträge anfordern. Um diese beantragen zu können, muss auf Stufe Kanton aber zuerst eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden. Aller Voraussicht nach muss der Grosse Rat zudem einen Finanzbeschluss fällen. Dies aufgrund des zu berechnenden finanziellen Mehrbedarfs.

Die benötigten Vorlagen werden momentan innerhalb des kantonalen Projekts erarbeitet. Damit das Pflegepersonal gewisse Leistungen künftig direkt bei den Krankenkassen abrechnen darf, sind Anpassungen des entsprechenden Bundesgesetzes notwendig. Wie schnell das geht, ist offen: Wenn Bundesrecht und kantonales Recht angepasst werden müssen und ein Finanzbeschluss fällig wird, müssen diese den parlamentarischen Prozess durchlaufen und unterliegen dem Referendum.