Findelkatzen in erbärmlichen Zustand, die sich unkontrolliert vermehren: Dieses Problem wird auch im Aargau immer gravierender. Sowohl die Artenvielfalt als auch das Katzenwohl leiden, warnt der Tierschutzverein.
«Helfen Sie mit, das Katzenelend im Aargau in den Griff zu bekommen»: Der Aufruf des Aargauischen Tierschutzverein ist eindringlich. Meldungen über vernachlässigte, verwilderte oder zurückgelassene Katzenpopulationen hätten in den vergangenen Jahren stark zugenommen, warnt der Tierschutzverein. Meist sind die streunenden Katzen unkastriert – so vermehren sie sich unkontrolliert und hinterlassen vielerorts halbwilden Nachwuchs.
Dadurch leben viele Katzen in Krankheit und Unterernährung. Und sie stellen für die Biodiversität eine Bedrohung dar. Das ruft nun die Aargauer Politik auf den Plan: Drei Grossräte um Barbara Portmann-Müller (GLP) haben ein Postulat eingereicht, das vom Kanton fordert, die Kastration von Findelkatzen finanziell zu unterstützen. Über 1200 Katzen kastriert der Tierverein jährlich auf eigene Kosten – ein Tropfen auf dem heissen Stein. Der Regierungsrat ist eingeladen, «aus Gründen der Artenvielfalt und des Tierwohls verstärkte Bemühungen zur Katzen-Kastration zu unterstützen», heisst es im Postulatstext. Dies bedeute einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und vermeide Tierleid.
Die Unterstützung vom Kanton ist dringend nötig, denn es hat so viele Findelkatzen wie noch nie. Das beobachtet Astrid Becker, Präsidentin des Aargauischen Tierschutzvereins: «Die Situation ist wirklich extrem», erklärt sie. Nur die wenigsten Findelkatzen seien gechippt und kastriert. Das bedeutet zum einen, dass es oft unmöglich ist, die Besitzer ausfindig zu machen. Zum anderen steigt die Anzahl streunender und halbwilder Katzen exponentiell an.
«Bei den Hunden hat sich die Situation stark gebessert, seit es eine Chippflicht gibt», so Becker. «Jetzt müssen wir die Katzen auf dieselbe Stufe heben.» Der Aargauische Tierschutzverein fordert seit Jahren eine Chip- und Kastrationspflicht von allen freilaufenden Katzen. Astrid Becker ist froh, dass dieses Anliegen nun politisches Gehör findet: «Die Politik wie auch die Katzenbesitzer sind in der Verantwortung. Das Problem kann nur gelöst werden, wenn alle zusammenarbeiten.»
Rund 220 Fällen von herrenlosen Katzen, teils mit Jungen, nimmt sich der Tierschutzverein jährlich an. Zusätzlich findet immer von November bis Februar eine Bauernhofkatzenkastrationsaktion statt. Dabei können die Landwirte ihre Büsis beim Tierarzt kastrieren lassen, wobei die Tierärzte und der Aargauische Tierschutzverein einen Grossteil der Kosten übernehmen. 354 Tiere wurden letztes Jahr im Rahmen dieser Aktion kastriert. «Wir hoffen wirklich, dass auch dieses Jahr viele Bauernbetriebe mitmachen», so Becker.
Auch im Tierheim des Aargauischen Tierschutzvereins in Untersiggenthal hat es so viele Findelkatzen wie noch nie: 115 aufgefunden oder zugelaufene Katzen waren dieses Jahr schon im Tierheim. Und auch die Zahl der sogenannten Verzichtskatzen hat zugenommen – also von Tieren, die von ihren Besitzerinnen im Tierheim abgegeben werden. Hundert sind es schon für das laufende Jahr. Astrid Becker kann sich vorstellen, dass die Zunahme mit der Coronapandemie zusammenhängt:
«Vermutlich haben sich einige Leute im Lockdown sehr unüberlegt ein Tier zugetan – nun haben sie zu wenig Zeit, sich darum zu kümmern.»
Viele Hunde und Katzen landen wegen Zeitmangel der Besitzer im Tierheim – so etwa der kleine Hund Paul, der nun trotz Krankheit ein neues Zuhause gefunden hat. «Das ist ein grosses Problem», bestätigt die Präsidentin des Tierschutzvereins. «Wir haben sehr viele Anfragen, ob wir noch Tiere aufnehmen können.» Aktuell hätten sie bei den Katzen noch Kapazität – das könne sich aber sehr schnell wieder ändern. «Wir laufen oft am Anschlag», sagt Becker. Der Tierschutzverein ist deshalb immer froh um Spenden und um Freiwillige, die sich um die Tiere kümmern.