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Riccardo Santoro, Geschäftsführer der ehemaligen SAR Premium Cars in Dintikon, war 2019 in einem der aufwendigsten Wirtschaftskriminalitäts-Fälle im Aargau zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nun kämpft er vor Obergericht für seine Freiheit.
Es war wohl einer der aufwendigsten Fälle von Wirtschaftskriminalität, mit dem sich die Aargauer Staatsanwaltschaft sowie ein Aargauer Gericht jemals beschäftigt hatten – und immer noch beschäftigen. Knapp sieben Jahre dauerten die Ermittlungen, die Akten füllten fast 400 Ordner. Die Anklageschrift war stolze 55 Seiten lang, der Deliktsbetrag belief sich auf über 17 Millionen Franken.
Anfang Januar 2019 stand «Autokönig» Riccardo Santoro vor dem Bezirksgericht Lenzburg. Er wurde wegen gewerbsmässigen Betrugs, Misswirtschaft, Veruntreuung, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsbesorgung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
Dagegen wehrt sich Santoro. Er fordert einen vollumfänglichen Freispruch. Darum wird diesen Mittwoch das Aargauer Obergericht über den Fall verhandeln. Die Verhandlung beginnt um neun Uhr und ist auf sieben Stunden angesetzt.
Das ist vergleichsweise wenig. Das Bezirksgericht Lenzburg hatte eine 13-tägige Verhandlung angesetzt. Nach drei Tagen war sie dann allerdings bereits vorbei.
Auch die Staatsanwaltschaft hat abweichende Anträge: Sie fordert sieben Jahre Gefängnis statt sechs.
Santoro war Geschäftsführer und Inhaber der SAR Premium Cars in Dintikon. Er bot in seiner Garage Leasings von Luxusautos an, die meisten wurden über die damalige Fidis Finance (Suisse) SA abgeschlossen. Die Leasingkonditionen waren für die Kunden besonders günstig.
Ausserdem hatte Santoro noch ein Zückerchen für seine Kunden: Wer bei SAR Premium Cars einen Bentley bezog, durfte diesen lange vor Ablauf des Drei-Jahres-Vertrags gegen einen anderen Flitzer tauschen. Dieses Leasingmodell lockte Promis, Unternehmer und Sportler aus der ganzen Schweiz nach Dintikon. Er führte aber mit der Zeit zu hohen Verlusten für die SAR, wenn sie nach Beendigung des Leasings das Fahrzeug von Fidis zurückkaufen musste.
Und die Fidis Finance wusste laut eigenen Aussagen nichts von den vorzeitigen Fahrzeugwechseln. Darum reichte sie auch Strafanzeige gegen Santoro ein: Der Hauptvorwurf war Veruntreuung von 190 Autos im Wert von rund 22 Millionen Franken.
Bereits 2010 soll Santoro finanzielle Schwierigkeiten gehabt haben, die Finanzfirma soll ihm bereits damals die Rückzahlungspflichten aufgeschoben haben. Im Mai 2011 liess die Fidis Finance dann 17 Sattelschlepper auffahren und sämtliche Luxusautos abtransportieren. Damit brach Santoros Geschäftsmodell in sich zusammen. Die Leasing-Firma forderte 12,6 Millionen Franken Schadenersatz. Und nebst der Fidis forderten 20 weitere Privatkläger Schadenersatz, darunter auch einige Prominente, etwa der ehemalige FCB-Trainer Ciriaco Sforza.
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft war nun, Santoro habe durch sein Geschäftsmodell die Überschuldung und später die Zahlungsunfähigkeit seiner Firma herbeigeführt. Zudem habe er die Buchhaltung gefälscht, um die schlechte Finanzlage zu vertuschen. Ausserdem soll er die Rücknahme von Leasing-Autos vertuscht und diese dann verkauft haben. Und er soll mit gefälschten Papieren Autos gleich doppelt verkauft haben.
Santoro bestritt vor dem Bezirksgericht sämtliche Vorwürfe. Er sei weder ein Autokönig, wie er in den Medien bezeichnet wurde, noch ein Märchenerzähler. Er sei ein ganz normaler Mann, der Geld verdienen wolle.
Beim Urteil sagte der Gerichtspräsident zwar, er glaube Santoro, dass er nicht von Anfang an unlautere Absichten gehabt hätte. Allerdings habe er sich übernommen, konnte sich sein Scheitern nicht eingestehen und dadurch kriminelle Energie entwickelt. Er habe ein Leasing-Modell entwickelt, das geradezu toxisch gewesen sein soll. Es sei ihm um «die Befriedigung seines Egos gegangen», so der Richter. Obwohl er den «wirtschaftlichen Nonsens» viel früher hätte stoppen können, habe er weitergemacht.