Während in Peking die Olympischen Winterspiele begonnen haben, hoffen viele im Mittelland noch einmal auf eine Ladung Schnee. Am liebsten so viel wie damals 1956, als Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Ostaargau am Lägernhang ein Skirennen bestritten.
Schon nach der Wende zum 20. Jahrhundert fuhren Sektionen des Schweizerischen Alpenclubs Ski. Die Überquerung von gesperrten Alpenpässen, etwa am Klausen oder am Pragel, oder die winterliche Überschreitung der Lägern bildeten grosse Herausforderungen. In der Zwischenkriegszeit zogen sich immer mehr Menschen warm an, schnallten sich zwei Bretter an die Füsse und nahmen die Stöcke in die Hand.
Zum Wintersport fuhren sie mit den SBB in die Alpenwelt, auch um den grauen Städten zu entgehen. Eine halbe Million Skifahrerinnen und Skifahrer soll damals schweizweit aktiv gewesen sein. Doch richtig los mit dem Skifahren ging es erst in der zweiten Jahrhunderthälfte.
Waren früher Polarforscher und Abenteurer auf Ski die grossen Vorbilder, schielte die Jugend auf die Olympischen Winterspiele. In St. Moritz 1948 gewann die Schweiz sechs Medaillen in Skidisziplinen. 1956 in Cortina d’Ampezzo vier.
Genau aus diesem Jahr stammt auch unser Bild des Monats. Es zeigt, wie Schüler aus dem ganzen Ostaargau am Lägernhang ein Skirennen bestreiten. Hinauf ging es zu Fuss durch den Wald, hinunter auf den hölzernen Brettern. Beim Ziel im «Höhtal» bei Oberehrendingen gab es heissen Tee, Wurst und Brot. Der Badener Fotograf Werner Nefflen (1919-2014) hielt in seiner Bildreportage das Geschehen für das «Badener Tagblatt» fest.
Es waren bewegte Jahre in wintersportlicher Hinsicht: 1957 gründeten Enthusiasten im Limmattal den Skiclub Rüsler, benannt nach dem Neuenhofer Hausberg. Zahlreiche Turnvereine und Gemeinden kamen in jenen Jahren zu einfachen Unterkünften in den Voralpen oder in den hochgelegenen Alpentälern. So erwarb die Stadt Lenzburg Mitte der sechziger Jahre in Samedan einen herrschaftlichen Sitz und richtete ein grosses Lagerhaus ein.
In jenen Jahrzehnten überzog ein ganzes Netz von Gondelbahnen, Sesselliften und Skiliften die Alpenwelt. Es ermöglichte auch weniger gut Trainierten aus dem Nebelgrau des Mittellandes an die Sonne zu kommen, während in Radio und Fernsehen Sendungen zu Frühsport und Skigymnastik liefen. Schulen institutionalisierten Lagerwochen im Februar.
Als 1974 im Reusstal der Skiclub Piz Fass entstand – der doppelte Vereinsname war selbstredend Programm – rollte schon die nächste Welle des Wintertourismus. Das unverwüstliche Trio Eugster hatte 1971 mit «Alles fahrt Ski!» die Hitparade gestürmt. Und an den Olympischen Spielen von Sapporo sorgten Schweizer Sportlerinnen und Sportler für die sprichwörtlichen goldenen Tage.
Mit einem Schlag rückte der Skilanglauf ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Wisel Kälin mit seiner weissen Zipfelmütze wurde neben Bernhard Russi und Roland Collombin zu einem der Helden des Jahrzehnts.
Bald schon zogen Langläuferinnen und Langläufer in der klassischen Technik, gestärkt mit einem Heidelbeergetränk, ihre Runden. Dies auch im Aargau: Seit 1971 gibt es die Langlaufloipe auf dem Lindenberg, seit 1983 jene auf dem Kalthof hinter Wiliberg. Die Sportbegeisterten nutzten bei sinkenden Arbeitszeiten die wachsende Freizeit und verfügten in vielen Fällen auch über ein eigenes Auto, das ihnen die individuelle Anreise und kurzfristige Entscheide erlaubte.
Davon profitierten auch die Aargauer Ski- lifte in Wegenstetten, Holderbank, Asp, auf der Saalhöhe, dem Horben und dem Rotberg. Dort konnte erste Gehversuche machen, wer im Schulskilager oder in den Familienskiferien brillieren wollte.
In dieser Hinsicht durchzieht unseren Kanton eine fast hermetische Grenze. Wer östlich der Reuss wohnt, den zieht es zum Schneesport in Richtung Bündnerland. Während westlich davon die Innerschweizer, Berner Oberländer oder Walliser Destinationen locken.
Die Winter der letzten Jahre wurden ihrem Ruf nicht mehr ganz gerecht und so kämpfen Aargauer Wintersportanlagen mit höheren Temperaturen, weniger Schnee und um ihr Fortbestehen. Snowboarder, Skifahrerinnen, Langläufer und Schlittlerinnen gehen auf Nummer sicher und fahren in die höher gelegenen Wintersportorte.
Die Aargauer Zeitung veröffentlicht jeweils zu Monatsbeginn in Kooperation mit Zeitgeschichte Aargau eine Fotografie aus der jüngsten Vergangenheit seit 1945. Die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum Aarau widmet sich den gleichen Themen und präsentiert den «Bilderkosmos eines halben Jahrhunderts»: www.zeitgeschichte-aargau.ch