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In einer Guerilla-Aktion hat Künstler Santhori aus Bad Zurzach hat gemeinsam mit einem Architekten eine Radarfalle in der Stadt Zürich verkleidet. Die beiden stören sich an den «Monstern, die das Stadtbild verschandeln».
In Zürich stehen 86 Blitzkästen der Stadtpolizei. Regelmässig geschieht es, dass Vandalen die grauen Ungetüme besprayen oder sie mit einem Feuer beschädigen wollen. Was sich am Dienstag bei einer Radarfalle am Walcheplatz nahe des Hauptbahnhofs abspielte, war dagegen um einiges kreativer.
Dort schritten Punkt 10 Uhr drei Männer mit drei bunten, dreieinhalb Meter hohen Elementen zum Blechpolizisten auf der Kreuzung. In wenigen Minuten war die Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage mit einer Skulptur verhüllt, ohne beschädigt worden zu sein.
Zeitgleich verschickte eine IG Zürich ein Bekennerschreiben mit dem Titel «Zürichs Monster erhalten ein Gesicht». In Online-Portalen waren bald Leserbilder zu sehen. Wem die Werke des Zurzachers Santhori ein Begriff sind, erkannte: Das ist seine Bildsprache. Santhori bestätigt denn auch, mit dem Zürcher Architekt Walter Wäschle, den er seit Jahrzehnten kennt, die Guerilla-Aktion in Wipkingen, wo er aufgewachsen ist, durchgeführt zu haben. Begleitet wurden sie von einem Assistenten.
In ihrem Bekennerschreiben hält die IG fest: Während Zürich in allen internationalen Städterankings unter den Besten sei, würden die Blechpolizisten – «echte Monster» – das Stadtbild verschandeln.
«Nur schon das Grau ist schrecklich»
«Ich weiss, dass es die Blechpolizisten für die Verkehrssicherheit braucht», sagt Santhori. «Aber nur schon ihr Grau ist schrecklich. Und die Form ist auch komisch», sagt er. «Wenn sie auffälliger wären, würden die Leute sicherer fahren.» Er wünscht sich, dass die Anlagen zu einer ästhetische Bereicherung, zu einer Aufwertung des öffentlichen Raums werden.
Ob Papierkörbe, Bänke oder Trinkbrunnen, Telefonkabinen, Marronihäuschen und mehr – das alles muss in Zürich hohe ästhetische Anforderungen erfüllen, ehe es von Ämtern bewilligt wird im öffentlichen Raum aufgestellt werden darf. Santhori kann sich kaum vorstellen, dass die Monster bewilligt worden sind.
Verdeckte Sensoren
Santhori ist drei Tage nach der Aktion zufrieden mit dem Erreichten. «Unser Ziel war, dass die Skulptur zwei Stunden lang stehen bleibt. Es wurden sogar drei Stunden.» Die Idee war, etwas zu bewegen, nichts kaputt zu machen. Nach dem Aufstellen machten sich die Guerilla-Künstler aus dem Staub, kehrten aber mehrmals zurück. Sie sahen Passanten, die den verkleideten Blechpolizisten mit ihren Handys fotografierten oder filmten – und einmal gleich drei Polizeiautos.
Stadtpolizisten räumten das Kunstwerk schliesslich ab. Die Sensoren seien nicht mehr frei gewesen, sagte Polizeisprecher Marco Cortesi gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Deshalb werde Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen unbekannt eingereicht.
Santhori bedauert das. Eine Eisschicht, die sich auf dem Blechpolizisten gebildet hatte, «hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht», sagt er. Nicht nur, dass sich das Aufstellen dadurch verzögerte. Vor allem sass das Fabelwesen-Kleid samt ausgesparten Löchern nicht mehr wie erhofft. Sensoren wurden verdeckt, allfällige Verkehrssünder kamen für einmal um eine Strafe herum. «Es fehlten 20 Millimeter», sagt Santhori.
Eigentlich war geplant, die Aktion morgens um 5 Uhr durchzuführen. Doch Santhori, der mehrmals vor Ort den Blechpolizisten ausmass, stellte eines frühen Morgens fest, dass die Polizei just um diese Zeit viel präsenter ist. «Alle zehn Minuten fuhr wieder ein Polizeiauto an der Kreuzung vorbei.»
Ob eine Wiederholung der Guerilla-Aktion geplant ist? «Nein, das nicht», entgegnet Santhori. Aber er hofft, dass er die Skulptur von der Stadtpolizei zurückerhält. Sie könnte Wind und Wetter noch lange trotzen, besteht sie doch aus Kapaplatten, «einem sehr leichten, sehr stabilen und wasserfesten Material». Gern würde er sie nochmals an anderer Stelle der Öffentlichkeit zugänglich machen. Und wenn Zürich auf die Idee komme, dass «die schönsten Blechpolizisten der Welt zukünftig in Zürich stehen sollen», dann hätte er nichts dagegen einzuwenden.