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Immer mehr Menschen kommen finanziell nicht über die Runden. Der «Märtchorb» in Bad Zurzach und ihre Präsidentin Rita Indermühle bieten günstig Lebensmittel an. Jetzt feiert die Organisation ihr zehnjähriges Bestehen. Warum trotz der Erfolgsgeschichte die Zukunft des Vereins auf der Kippe stand.
Es ist erst halb zehn Uhr am Vormittag. Aber Rita Indermühle ist bereits voll in ihrem Element. Sie läuft gerade zur Hochform auf. Multitasking nennt man das auf Neudeutsch. Die 65-Jährige telefoniert, sie instruiert, und sie kümmert sich gleichzeitig um die Kundschaft. Alles in einem ruhigen Ton, mit klaren Anweisungen und einem gewinnenden Lächeln.
Nicht nur ihre fürsorgliche Art ist für die Leute, die im Laden im Zentrum in Bad Zurzach sich mit Lebensmittel erscheinen, Balsam. Wer hier einkauft, steht nicht auf der Sonnenseite. «Es sind Menschen, die von der Sozialhilfe leben oder sich am Existenzminimum befinden», sagt Rita Indermühle.« Wir bieten ihnen hier im Märtchorb für nur zwei Franken eine günstige Einkaufsmöglichkeit.»
Die Idee dahinter: Verderbliche Lebensmittel, die nahe dem Verfalldatum sind, an finanziell schwächer gestellte Menschen zu verteilen. «So werden die noch brauchbaren Esswaren nicht sinnlos entsorgt, sondern helfen, das Haushaltsbudget zu entlasten», sagt Indermühle. Verteiler wie Manor, Migros, Volg oder auch Bauernhöfe stellen ihre Waren dem «Märtchorb» zur Verfügung.
Das Projekt ist auf gemeinsame Initiative der reformierten und katholischen Kirchgemeinden Zurzach entstanden. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren rief Rita Indermühle zusammen mit Walter Zürcher den «Märtchorb» Ende April 2011 ins Leben. Mit Geld, das damals anlässlich eines Jubiläums gesammelt wurde und für soziale Zwecke vorgesehen war. Der Start verlief in einem überschaubaren Rahmen. Ganze drei Kisten mit Waren standen bereit. «Die Kunden werden, damals wie heute, von den Sozialen Diensten Bad Zurzach und der Pro Senectute zu uns geschickt», sagt Indermühle.
Neu hinzugekommen sind Leute, die noch keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, aber am Existenzminimum leben. «Die Coronapandemie hat die Situation leider noch massiv verschärft», so Indermühle. Die Nachfrage ist in die Höhe geschnellt. Je länger die Einschränkungen anhalten, desto zahlreicher werden die Anrufe, die sie wöchentlich aus dem ganzen Zurzibiet von hilfesuchenden Menschen und amtlichen Stellen erreichten. «Zum Glück erhielten wir von unseren Lieferanten genügend Ware.» Bis zu 20 Personen suchen jeweils während der Öffnungszeiten am Dienstag- und Donnerstagvormittag den Laden auf.
Die Folgen von Covid-19 stellte auch den Betrieb des «Märtchorb» vergangenen Jahr ernsthaft in Frage. Als im März 2020 der Bundesrat die Massnahmen mit den Schliessungen bekanntgab, stand die Zukunft der Non-Profit-Organisation auf der Kippe. «Als wir dann noch die Mitteilung erhielten, dass Personen über 65 nicht mehr mithelfen dürfen, wurde es richtig eng.» Von den 20 Helfern blieben gerade noch fünf übrig.
Rita Indermühle startete über soziale Medien einen Aufruf. Mit Erfolg: Zahlreiche, vor allem auch jüngere Leute boten ihre Unterstützung für den ehrenamtlichen Job an. Mittlerweile herrscht praktisch wieder Vollbestand. Interessenten seien aber nach wie vor willkommen, sagt Indermühle, die trotz ihres Pensionsalters die Erfolgsgeschichte des «Märtchorbs» noch lange weiterschreiben will – für Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen.