Bezirksgericht Zurzach
Mit 100’000 Euro im «Dachhimmel» über die Grenze: Ein Teil der Scheine war mit Betäubungsmittel-Rückständen kontaminiert

Der Einzelrichter in Zurzach hat sich mit einem Fall von Geldwäscherei beschäftigt. Ein Angeklagter fuhr in Kaiserstuhl über die Grenze – im Dach versteckt: 100'000 Euro.

Rosmarie Mehlin
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Die Scheine hatten einen Wert von 100'00 Euro.

Die Scheine hatten einen Wert von 100'00 Euro.

Symbolbild: Keystone

Am Nachmittag des 8. Oktober 2020 führten Beamte der Grenzwache auf dem Buswendeplatz in Kaiserstuhl eine Kontrolle durch. In deren Verlauf nahmen sie einen VW mit Münchner Kennzeichen genauer unter die Lupe. Die beiden Insassen wiesen sich als Holländer aus und gaben an, unterwegs nach Zürich zu sein. Ein genaueres Ziel konnte der Fahrer und Wortführer Aslan (Namen geändert) nicht nennen: Dieses werde ihm erst kurz vor Zürich per Natel mitgeteilt. Die etwas seltsame Aussage bewog die Grenzwächter den Wagen genauer zu untersuchen.

Oberhalb der Innenbeleuchtung, im «Dachhimmel» des VW, fanden sie zehn Bündel Euro-Scheine, neun davon eingeschweisst. Die Scheine à 200, 100 und 50 Euro hatten insgesamt einen Wert von 100’000 Euro. Bei der Staatsanwaltschaft hatte Aslan angegeben, das Geld in den Niederlanden von seinem Freund Luuk mit dem Auftrag erhalten zu haben, in Zürich einen Luxus-Occasions-Wagen der Luuk Online ins Auge gestochen war, abzuholen.

Verteidigerin plädierte auf Freispruch

Das Geld war beschlagnahmt und die beiden Holländer nach der Einvernahme entlassen worden. Im vergangenen September dann war Aslan eine Anklageschrift zugestellt worden: Wegen Geldwäscherei sollte der 30-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt sowie 2000 Franken Busse verurteilt werden. Dieser Tage erschien der Beschuldigte vor Einzelrichter Cyrill Kramer mit einer Anwältin aus Basel, die für einen Freispruch plädierte.

Der gebürtige Türke Aslan war als Zweijähriger in den Niederlanden eingebürgert worden und ist seither dort wohnhaft. Er ist ledig und verdient als Paketpostbote rund 1600 Franken monatlich. Um rechtzeitig zu der auf 14.30 Uhr angesetzten Verhandlung zu erscheinen, war er um 6 Uhr mit dem Auto in Holland gestartet und über die Autobahn via Basel nach Zurzach gefahren.

Warum er damals in Kaiserstuhl eingereist sei? «Das Navi hatte es so gezeigt.» Da ein Teil der Euro-Scheine mit Betäubungsmittel-Rückständen kontaminiert war, hatte der Staatsanwalt seine Anklage wie folgt ergänzt «Das gesamte Geld entstammt dem qualifizierten Drogenhandel, was der Beschuldigte wusste, womit er zumindest rechnete und in Kauf nahm.»

Keine Hinweise für Drogengeld

Aslan beantwortete die Fragen des Richters offen und klar. Die Geldbündel habe er einzig aus Sicherheitsgründen im VW-Dachhimmel transportiert gehabt: «Schliesslich war es Luuks Geld und wir hatten zwischendurch ja auch mal austreten und Pause machen müssen.» Nein, er habe das Geld, als er es von Luuk übernahm, nicht nachgezählt. Nein, dass das meiste eingeschweisst war, sei ihm nicht seltsam vorgekommen. Nein, Luuk habe das Geld nicht von ihm zurückgefordert.

Luuk – mit dem er nach wie vor befreundet sei – habe in den Niederlanden eine gut laufende Einzelfirma im Metallhandel. «In seinem Geschäft hat er es mit den verschiedensten Kunden zu tun und in Holland, wo Marihuana legal ist, kommt man leicht in Kontakt mit Drogen.» Die genaue Adresse, wo sie das Auto abholen sollten, habe Luuk ihnen erst in Zürich mitteilen wollen, weil der inzwischen online weiter nach attraktiven Angeboten Ausschau hielt.

Richter Cyrill Kramer folgte dem Antrag der Verteidigerin, sprach Aslan von Schuld und Strafe frei und ordnete die Herausgabe der 100’000 Euro an: «Zwar sind in dem Fall gewisse Dinge eigenartig, doch ist der Tatbestand weder in objektiver, noch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Dafür, dass es sich um Drogengeld gehandelt habe, gibt es keine ausreichenden Hinweise. Klar ist indes sowohl, dass gewisse Drogenkontaminierungen an Banknoten nicht aussergewöhnlich sind, als auch, dass im Occasions-Autohandel Barzahlung üblich ist.»

Ebenfalls sei durchaus nachvollziehbar, dass Aslan das Geld aus Sicherheitsgründen im Auto-‹Dachhimmel› versteckt hatte. Die Kosten des Verfahrens, wie auch die der Anwältin gehen zu Lasten des Staates.