Bundesgericht
Aargauer Skandalarzt Dr. Shah muss seine Praxis definitiv auflösen – und ihm droht die Wegweisung

Nach über zehn Jahren darf der bald 84-jährige Hareshchandra Shah nun definitiv keine Patienten mehr im Kanton Aargau behandeln. Das hat das Bundesgericht entschieden. Zudem ist das Migrationsamt aktiv geworden. Das geht aus dem Urteil hervor.

Philipp Zimmermann
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Hareshchandra Shah in seiner Praxis aus Klingnau.

Hareshchandra Shah in seiner Praxis aus Klingnau.

Blick/Ralph Donghi

Seit Dezember 2018 darf der Hausarzt Hareshchandra Shah, der in Klingnau eine Praxis führt, keine Patienten mehr behandeln. Das urteilte das Bundesgericht mit einem Zwischenentscheid vor fast fünf Monaten. Nun liegt das definitive elfseitige Urteil vor. Der bald 84-jährige deutsche Staatsbürger darf im Kanton Aargau keine ärztliche Tätigkeit mehr ausführen. Das macht das kantonale Departement für Gesundheit und Soziales (DGS) heute früh publik. «Er muss seine Praxis in Klingnau innert 60 Tagen auflösen und ist in der Pflicht, seine Patientinnen und Patienten darüber zu informieren, wie sie ihre Krankengeschichten beziehen können», teilt das Departement mit.

Weil der Arzt illegal Medikamente verkaufte, seiner Fortbildungspflicht nicht nachkam, verwarnte das Gesundheitsdepartement ihn per Verfügung vom September 2014 mit einer Busse von 3000 Franken. Bei diesem Entscheid sowie beim Entzug der Berufsausübungsbewilligung im November 2017 liege derselbe Sachverhalt zugrunde, begründete der Arzt seine Beschwerde. Er dürfe gemäss dem Grundsatz «ne bis in idem» nicht zweimal, also doppelt für dieselbe Sache bestraft werden. Die Richter in Lausanne halten allerdings fest, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Massnahmen handle. Der Mediziner muss zudem die 3000 Franken Gerichtskosten zahlen.

Rohypnol an Patienten verkauft

Den Entzug der Berufsausübungsbewilligung hatte das Gesundheitsdepartement wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit verfügt. Auslöser war ein Urteil des Bezirksgerichts Zurzach im März 2016. Die Richter verurteilten Shah wegen mehrfacher, teilweise qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er hatte einem schwerstabhängigen Junkie Drogen verkauft. Nachgewiesen werden konnte ihm der Verkauf von 4500 Tabletten des Betäubungsmittels Dormicum sowie mehrere Packungen Rohypnol. Der Arzt hatte zudem einem zweiten Drogensüchtigen, der vor dem Prozess verstarb, eine ungeklärte Menge Tabletten verkauft. Bei einer Hausdurchsuchung in der Praxis beschlagnahmten Ermittler 2520 Tabletten Dormicum. Das Gericht ging deshalb von rund 8000 verkauften Tabletten aus – und davon, dass der in Deutschland pensionierte Arzt die Betäubungsmittel "aus rein egoistischen Gründen und aus Gier" verkaufte, um sein Einkommen, eine Rente von 2300 Euro, aufzubessern. Der Mann hatte seine Praxis im August 2008 eröffnet.

Gegen den Entzug der Berufsausübungsbewilligung war Shah bereits vor der Aargauer Regierung und dem Aargauer Verwaltungsgericht abgeblitzt. Weil beide aber davon abgesehen hatten, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu entziehen, durfte er weiter Patienten behandeln. Das Bundesgericht dagegen entzog seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Seitdem darf der Mediziner keine Patienten mehr behandeln. Recherchen zeigen: Der Arzt lässt sich allmorgendlich von seiner Ehefrau zur Praxis chauffieren. In den gemieteten Praxisräumen hält er sich täglich für einige Stunden auf.

Wegweisung droht

Eine Passage auf der letzten Seite des Bundesgerichtsurteils lässt aufhorchen. Dort ist davon zu lesen, dass der Arzt in seiner Beschwerde mit «aufenthaltsbeendenden Massnahmen» argumentiert. Die AZ hatte bereits im Dezember 2017 berichtet, dass die Nichtverlängerung respektive der Widerruf seiner Aufenthaltsbewilligung aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Zurzach naheliegen. Das zuständige kantonale Amt für Migration und Integration (Mika) machte damals schon aus Persönlichkeitsschutzgründen keine Angaben dazu. Juristin Doris Richner bestätigte aber, dass das Mika «bei allen längerfristigen Freiheitsstrafen eine Wegweisung aus der Schweiz prüft.» Mit längerfristig sind Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gemeint, egal ob sie bedingt ausgesprochen werden. Ob ein Verfahren eröffnet werde, so Richner damals, hänge vom Einzelfall ab. Es prüft jeweils, ob eine Wegweisung verhältnismässig ist und wägt das private Interesse am Verbleib dem öffentlichen Interesse einer Wegweisung gegeneinander ab. Offenbar gewichtet das Mika hier also die öffentlichen Interessen höher.

Bundesgerichtsurteil vom 2. April: 2C_907/2018