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1985 kam es in Würenlingen schon einmal zu einer Bluttat. Der damals 30-jährige Immobilienhändler Alfredo Lardelli erschoss drei Menschen. Vor Gericht kam es zu einem der grössten Indizienprozesse in der Schweiz.
Am 13. Dezember 1985 hatte der damals 30-jährige Immobilienhändler Alfredo Lardelli im Detail gestanden, wie er drei Menschen erschossen hat. Knapp drei Monate später hatte er das Geständnis widerrufen. So wurde die Verhandlung vor Bezirksgericht Baden zu einem der grössten Indizienprozesse im Aargau, ja der Schweiz.
Angesichts des erwarteten grossen Publikumsinteresses fand er im grossen Saal vom Rathaus Wettingen statt, der denn auch berstend voll war. Nach einem Augenschein am Tatort wurde dort drei ganze Tage lang verhandelt und am vierten das Urteil eröffnet. 20 Zeugen und ein Gutachter traten auf. Gerichtspräsident war der nachmalige Badener FDP-Stadtrat und heutige SVP-Nationalrat Luzi Stamm.
Die Anklage wurde vom Ersten Staatsanwalt Peter Baur vertreten, der kurz vor seiner Pensionierung stand – einem sehr ruhigen, feinfühligen Mann. Ihm gegenüber stand als Verteidiger der 44-jährige Anwalt Urs Oswald – ein «scharfer Hund», der, wie sich rasch herausstellte, für seinen Mandanten um jeden Preis einen Freispruch herauspauken wollte.
In der Pause dicke Zigarren
Lardelli selbst verkaufte sich als das, wofür ihn – den Gescheiterten, Erfolglosen, hoch Verschuldeten – seine Umgebung gehalten hatte: als Lebemann. Er trat täglich in anderer eleganter Kleidung auf, steckte sich in Verhandlungspausen gerne mal eine dicke Zigarre an, gab – in Handschellen ins benachbarte Restaurant geführt – den Medienleuten eine Runde aus. Genüsslich verfolgte er jene Zeugenaussagen, die ihn als spendablen Gourmet und potenten Sexprotz beschrieben, dabei unter anderem sein «Schaubumsen» im Hinterzimmer seines Stammlokals schilderten, und schwang sich, bei seiner Befragung, zur Rhetorik eines Schmierenkomödianten auf. Sein «falsches» Geständnis begründete er mit der Liebe zu Christina V., genannt «Budle», die selbst die tödlichen Schüsse abgegeben und die er habe schonen wollen. Gegen Christina V. allerdings war nie ermittelt worden und sie war nie inhaftiert.
Das doppelseitige Inserat
Zur Tatzeit war der dreifache Familienvater Lardelli seit kurzem geschieden. «Budle» hingegen, Mutter einer kleinen Tochter, war noch verheiratet. Nichtsdestotrotz hatte Lardelli am 13. Dezember 1985 im «Aargauer Tagblatt» ein zwei ganze Seiten umfassendes Inserat erscheinen lassen: «Auf Schloss Herblingen haben wir am 9. Dezember 1985 das Bündnis geschlossen», mit zahlreichen Fotos von ihm, seiner Christina und den «Trauzeugen».
In der Nacht, bevor das Inserat erschien, waren die tödlichen Schüsse gefallen. Gemäss Lardellis umfassendem Geständnis hatte er an dem Abend mit Christinas Ehemann, Vanio V., eine Vereinbarung wegen «Budle» treffen wollen. Weil er zwei Prostituierte, die er zu sich bestellt hatte, nicht loswerden konnte, hatte er sie mit in die Wohnung von V. genommen, den er dort erwarten wollte. Als die Frauen ihn drängten, zu ihnen ins Bett zu kommen, hatte er beide mit gezielten Schüssen getötet. Als später Vanio V. kam, hatte er auch diesen erschossen – hinterrücks und wortlos.
Am anderen Morgen war er mit «Budle», der er inzwischen alle drei Taten gestanden hatte, im Auto Richtung München gefahren, um irgendwohin zu fliegen. Unterwegs aber hatten ihn Gewissensbisse gepackt, er hatte umgedreht, war zum Badener Bezirksamt gefahren und hatte sich dort zu den Taten bekannt.
Widerruf vom Widerruf
Seither sass Alfredo Lardelli in U-Haft, später im vorzeitigen Strafvollzug. Nach dem erstinstanzlichen Urteil hatte Anwalt Oswald – «ich bin felsenfest von Lardellis Unschuld überzeugt» – alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass dieses für nichtig erklärt werden sollte; vor Obergericht erreichte er, dass ein weiteres Gutachten erstellt wurde. Es half alles nichts.
Rund drei Monate nachdem das Urteil mit dem Entscheid des Bundesgerichtes im Februar 1992 rechtskräftig geworden war, hatte Lardelli eine neue Version der Tat publik gemacht: «Budle» habe lediglich die beiden Frauen, Vanio V. hingegen habe er erschossen. Die Bemühungen von Anwalt Urs Oswald um eine entsprechende Wiederaufnahme des Verfahrens wurde im August 2000 vom Bundesgericht abgeschmettert.
Post aus dem Knast
Nach Verbüssung von zwei Dritteln der Haft war Lardelli Ende 1999 aus dem Zuchthaus, wo er eine Bäckerlehre absolviert hatte, entlassen worden. Aus dem Knast hatte er rege Korrespondenzen geführt – auch mit mir. Am 22. Januar 1991 beispielsweise schrieb er: «Sehr geehrte Frau Mehlin, ich gestatte mir in aller Höflichkeit mein Anliegen ehrerbietend Ihnen darzutippen. Im BT von 10. Januar 1991 ist ein gutes Bild von mir mit zwei Polizeibeamten manifestiert resp. publiziert worden. Ich möchte Sie sodann manierlich anfragen, ob Sie mir ein paar Abzüge von diesem Foto erstellen und transmittieren würden. In der Zwischenzeit verbleibe in tiefer Verbundenheit sowie mit liebevollen Grüssen. Alfredo V. Lardelli .»
Wiedersehen vor Gericht
Na ja. Im Januar 2001 gab es ein Wiedersehen: Erneut stand Lardelli , nunmehr unter dem Namen seine zweiten Frau, vor dem Bezirksgericht Baden. Wegen Amtsanmassung – er hatte sich als Polizist ausgegeben und Verkehrsteilnehmer gemassregelt – wurde er zu 14 Tagen Gefängnis unbedingt verurteilt. Inzwischen betätigt sich der heute 53-jährige als «Rechtskonsulent» und unterzeichnet seine Schreiben an Juristen mit «kollegialen Grüssen». Ganz nach dem Motto «The show must go on».
Update
Am 6. März 1989 wurde der damals 33-jährige Alfredo Lardelli vom Bezirksgericht Baden des dreifachen Mordes schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er hatte im Dezember 1985 in einer Wohnung in Station Siggenthal zwei Prostituierte und den Ehemann seiner Geliebten erschossen.
Nachdem zunächst das Obergericht und später das Bundesgericht Urteil und Strafmass bestätigt hatten, war es im Februar 1992 rechtskräftig geworden. Ende 1999 wurde Lardelli aus der Haft entlassen, hat seither aber immer wieder von sich reden gemacht.
Dieser Text der langjährigen Gerichtsreporterin Rosmarie Mehlin erschien am 19.12.2009 unter dem Titel «Der Dreifachmörder und seine Show» in der «Aargauer Zeitung».