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Für die Fischer ist es ein «Präjudizfall»: Das Verwaltungsgericht stoppt den Kanton, der den Seitenarm des Klingnauer Stausees ausbaggern will. Denn ein Teil des Aushubes soll wieder ins Gewässer zurückgeführt werden - doch das Sediment enthält giftige Stoffe.
Der Klingnauer Stausee ist eines der bedeutendsten Vogelschutzgebiete der Schweiz und hat internationale Ausstrahlung. Hier machen die seltenen Blaukehlchen Rast und die gefährdeten Rotschenkel stelzen durch das Wasser.
In den vergangenen 80 Jahren ist der Stausee aber massiv geschrumpft: von sieben auf unter zwei Millionen Kubikmeter Wasser. Wegen der fortschreitenden Verlandung ist der Lebensraum von Wasser- und Watvögeln bedroht. Der Kanton will deshalb Sedimente eines 24 Meter langen Seitenarms ausbaggern. Wie das aber geschehen soll, darüber streiten sich seit über zehn Jahren der Kanton und der Aargauische Fischereiverband (AFV) sowie der Schweizerische Fischereiverband (SFV).
Der Kanton will einen Teil des Schlamms weiter unten an der Rheinmündung wieder in den Fluss einleiten. Dagegen wehren sich die Fischer vehement. Denn: In den Sedimentablagerungen schlummern Schwermetalle, etwa die als krebserregend geltende und heute verbotene Chemikalie PCB. Die beiden Verbände haben gegen das Projekt 2017 Beschwerde eingereicht. Jetzt gibt ihnen das Verwaltungsgericht recht.
Vor 13 Jahren startete der Kanton das Projekt zur Reaktivierung des linken Seitenarms des Stausees. 2011 bewilligte der Grosse Rat einen Kredit von 2,44 Millionen Franken. Das Problem: Das Geld reichte nicht, um den gesamten Schlamm in einer Deponie entsorgen zu können. Aufgrund der massiven Proteste der Fischer redimensionierte und überarbeitete der Kanton das Projekt über die Jahre mehrmals.
Aus den ursprünglich geplanten 40'000 Kubikmeter Aushub wurden am Schluss noch 23'500 Kubikmeter. Davon sollten noch 16'000 Kubikmeter im Rhein landen, 4000 Kubikmeter weniger als zu Beginn vorgesehen. Der Fischereiverband blieb aber bei seiner Forderung: Alle Sedimente müssen in einer Deponie entsorgt werden.
Als der Regierungsrat Ende 2016 die Einwendungen der beiden Verbände abwies und das Projekt genehmigte, reichten die Fischer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein und liessen verlauten, ihre Forderung notfalls bis vor Bundesgericht weiterzuziehen. Die beiden Verbände befürworten zwar das Ausbaggern des Seitenarms, wehren sich aber dagegen, schadstoffbelastetes Sedimentmaterial ungereinigt in den Fluss zu leiten.
Dreieinhalb Jahre später liegt nun der Entscheid des Verwaltungsgerichts vor: Das Gericht heisst die Einwendung der Fischer gut. Schon alleine das Vorhaben des Kantons, Sedimente dem Fluss zuzuführen, bedeute eine Verunreinigung im Sinne des Gewässerschutzgesetzes, begründen die Richter in ihrem Urteil.
Das Argument des Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU), dass die Stoffe bereits im Wasser seien und lediglich an einer anderen Stelle wieder dem Fluss zugeführt würden, lässt das Gericht nicht gelten. «Ohne die Massnahmen würden keine Sedimente in den Rhein gelangen», heisst es im Urteil.
Die Richter betonen, die Sedimente würden noch immer Schadstoffe enthalten. Und: Für die Wiedereinleitung des Schlamms gebe es keine Gesetzesgrundlage, sie verstosse vielmehr gegen das Gewässerschutzgesetz.
Bei AFV-Präsident Kurt Braun ist grosse Erleichterung über das Urteil zu spüren. «Es ist eine Genugtuung, eine Bestätigung und ein grosser Sieg für uns – vor allem, da das Urteil ganz eindeutig ausgefallen ist.» Und er ergänzt: «Für uns ist das ein Präjudizfall mit weitreichenden Folgen.» So gebe es in der Schweiz mehrere Gebiete mit ähnlichen Problemen. «Beispielsweise der schwerbelastete Stausee in Wettingen.»
Eine saloppe Entsorgung, wie es der Kanton geplant habe, hätte katastrophale Auswirkungen auf die aquatische Fauna und Flora, so der AFV in einer Mitteilung. Gerade die strikte Beurteilung der hochgiftigen Schadstoffe durch das Gericht freue den Verband. Zwar begrüssen die Fischer die Pläne, den Seitenarm als ökologische Wiederaufwertung auszubaggern.
Aber: «Auch der Kanton muss sich an das Gesetz halten wie jeder x-beliebige Private und darf das ausgehobene Material nicht in ein Gewässer einleiten», hält der AFV fest. Aufgrund des klaren Verdikts hofft Kurt Braun, dass der Kanton das Urteil nicht weiterzieht.
Auf Anfrage lässt BVU-Sprecher Giovanni Leardini verlauten: «Wir nehmen das Urteil des Verwaltungsgerichts zur Kenntnis.» Die Begründung werde nun vertieft geprüft und danach entschieden, ob das BVU das Urteil an das Bundesgericht weiterziehe. «Bis zu diesem Zeitpunkt können wir keine inhaltlichen und fachlichen Auskünfte geben», so Leardini.