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In Rietheim und Full-Reuenthal stehen praktisch keine Wohnungen leer, sie haben die tiefsten Leerwohnungsziffern im Zurzibiet. In Koblenz dagegen sucht fast jede zehnte Wohnung einen Mieter. Warum ist das so?
Die Zahl der leeren Wohnungen steigt und steigt. Das zeigen die jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Schweizweit beträgt die Leerwohnungsziffer per 1. Juni 1,66 Prozent, im Aargau sind es 2,59 Prozent. Ein Blick ins Zurzibiet zeigt: Am meisten Wohnungen stehen in Koblenz leer – während in den Nachbarsgemeinden Full-Reuenthal und Rietheim Mieter kaum fündig werden.
Bei einer Leerwohnungsziffer von 10,76 Prozent wartet in Koblenz jede zehnte Wohnung auf einen neuen Mieter, das Dorf ist somit kantonsweiter Spitzenreiter. Ein völlig anderes Bild präsentiert sich in Full-Reuenthal und Rietheim. Dort betragen die Leerwohnungsziffern gerade mal 0,78 Prozent bzw. 0,98 Prozent.
Weshalb diese Diskrepanz? Für Gerhard Hauser, Ammann der knapp 900-Seelen-Gemeinde Full-Reuenthal, ist klar: «Das hängt mit der Struktur der Wohnbauten zusammen. Wir haben im Dorf viele Einfamilien-, aber wenig Mehrfamilienhäuser.» Wenn jemand aus seinem Eigenheim wegziehe, würden die Häuser jeweils schnell wieder verkauft.
Von den wenigen Wohnungen im Dorf seien jeweils nur zwei bis drei ausgeschrieben. Die tiefen Bodenpreise von etwa 200 Franken pro Quadratmeter führen zudem zu günstigeren Mieten. In Koblenz hingegen hat es viel mehr Wohnungen, und vor allem die älteren stehen länger leer.
Zwar ist Full-Reuenthal weiter entfernt von den Zentren wie Baden oder Zürich und hat mit 125 Prozent einen hohen Steuerfuss. Doch für den Ammann gibt es zahlreiche Gründe, nach Full-Reuenthal zu ziehen. «Die familiäre Badi hat sich unterdessen zu einer kleinen Perle entwickelt», sagt Hauser.
Das Dorfleben und den Zusammenhalt starken würden auch die Vereine. Und die gut funktionierende Schule mit Unter- und Mittelstufe ziehe immer wieder Neuzuzüger an. Der Dorfladen hingegen kämpft um sein Überleben.
Neben Sehenswürdigkeiten wie dem Festungsmuseum Reuenthal oder dem weit bekannten Schweizer Militärmuseum habe das Dorf mit dem Rastplatz Chrützli einen Aussichtspunkt, von dem man nach Deutschland im Norden und zum Teil bis in die zentralen Alpen im Süden blicken könne. Schön seien auch die Wander- und Velowege dem Rhein entlang, so Hauser.
«Speziell ist die Fähre, die Full und Waldshut über den Rhein verbindet.» Neben Ausflugsfahrten werde die Fähre oft auch als direkte Verbindung nach Deutschland ohne lange Wartezeiten am Zoll genutzt.
Die Bevölkerungszahl in Full-Reuenthal ist in den vergangenen 20 Jahren nur um sieben Prozent gewachsen. Im Moment erlebt das Dorf jedoch einen regelrechten Bauboom. Elf Einfamilienhäuser werden zurzeit gebaut, sechs weitere sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit je 18 Wohnungen sind zur Zeit im Bewilligungsverfahren. «Eine grössere Parzelle ist noch nicht erschlossen, die Investoren stehen trotzdem schon Schlange», sagt Hauser.
Neben Full-Reuenthal weist auch die 727-EinwohnerGemeinde Rietheim eine tiefe Leerwohnungsziffer auf. Ammann Beat Rudolf ist darüber nicht überrascht. Auch er sagt: «Wir haben wenig Mietwohnungen im Dorf, dafür viele Einfamilienhäuser.» Deshalb sei die Fluktuation gering, die Häuser bei einem Wegzug schnell wieder bewohnt.
Mit 300 bis 350 Franken pro Quadratmeter sind die Bodenpreise etwas höher als in Full-Reuenthal, dennoch vergleichsweise günstig. «Ennet der Gemeindegrenze zu Bad Zurzach zahlt man bereits 100 Franken mehr pro Quadratmeter», sagt Rudolf.
Zwar hat Rietheim keine Einkaufsmöglichkeiten. «Unser Dorfladen ist der Selecta-Automat am Bahnhof», sagt Rudolf mit einem Schmunzeln. Dafür dauert die Zugfahrt nach Bad Zurzach nur drei Minuten, wo es verschiedene Läden gibt. Überhaupt sei die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sehr gut. «Wer in Zürich arbeitet, kann im Halbstundentakt von Rietheim in die Stadt fahren – und hat erst noch einen Sitzplatz.»
Weitere Standortvorteile seien, dass die Kinder den Kindergarten und die Primarschule im Dorf besuchen können, und Rietheim im Grünen liegt. «Und ausserhalb des Dorfes befindet sich das bedeutende Naherholungsgebiet Aue Chly Rhy.»
Hat Rietheim möglicherweise auch eine Chance verpasst, mehr Wohnungen zu bauen und so Steuerzahler anzulocken? Keinesfalls, so Rudolf. «Unser Dorf ist in gesundem Mass gewachsen, ohne alles zuzubetonieren.» Ein Blick in die Statistik zeigt: Die Bevölkerungszahl in Rietheim ist in den vergangenen 20 Jahren um 16 Prozent gestiegen, im Kanton um rund 25 Prozent.
In den nächsten Jahren würden zudem noch bewilligte Projekte umgesetzt – vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 28 Wohnungen sowie mehrere Einfamilienhäuser.
Wie sich die Standortvorteile Boden- und Mietpreise in zwei Jahren entwickeln, sei noch ungewiss, sagt Rudolf.
Dann fusioniert Rietheim mit sieben anderen Orten zur Gemeinde Zurzach. Die Region hofft damit auf einen Boom. «Insbesondere was die Schülerzahlen betrifft, könnten wir noch mehr wachsen», sagt Rudolf.