Eine Kunsthistorikerin hat die Geschichte von zwei Kirchenglocken aus Tegerfelden recherchiert. Dass dies noch niemand vor ihr gemacht hat, kommt nicht von ungefähr.
«IOHANNES FVESLIN GOSS MICH IN ZVRICH ANNO 1794»: So lautet die Inschrift des Giessers an der grössten Glocke in der reformierten Kirche Tegerfelden. «Speziell an dieser Glocke ist nicht nur, dass sie die einzige Glocke aus der Zeit des Kirchturmbaus ist», erklärt die Kunsthistorikerin Edith Hunziker von der Kantonalen Denkmalpflege. «Speziell sind auch die Inschriften.»
Gegenwärtig ist Edith Hunziker mit der Inventarisierung der Kunstdenkmäler im Surbtal beschäftigt. Dabei hat sie auch die Geschichte der beiden Glocke in der Reformierten Kirche und in der Sebastianskapelle recherchiert. Unter dem Titel «Tegerfelder Glockengeschichten» sind die Ergebnisse im Newsletter der Kantonalen Denkmalpflege publiziert worden.
Viele interessante Inschriften
Neben der Inschrift des Giessers sind auf der Glocke in der reformierten Kirche die Namen «IVNKER HANS CONRAD ESCHER / DES RATHS ZV ZVRICH / DER ZEIT LANDVOGT / DER GRAFFSCHAFT BADEN. HERR SALOMON RAHN VON ZVRICH / LANDSCHREIBER und HERR HANS CASPAR SCHVLTHESS / DER ZEIT PFARRER» zu lesen.
Zu den Namen schreibt Edith Hunziker: «Hans Conrad Escher (1743–1814) war Landvogt der Grafschaft Baden. Er entstammte einem alteingesessenen, bedeutenden Zürcher Geschlecht, das über Jahrhunderte unzählige Staatsämter innehatte. Kurz vor seinem Tod wurde er zum Bürgermeister von Zürich gewählt. Auch der von 1794 bis 1798 als Landschreiber der Grafschaft Baden fungierende Salomon Rahn (1766–1836) stammte aus einem alten Rats- und Zunftgeschlecht der Stadt Zürich.»
Escher-Wappen gibt Rätsel auf
Ausser den Namen der obrigkeitlichen Würdenträger sind auf der Glocke auch die Namen der damaligen reformierten Gemeindevertreter von Tegerfelden, von Ober- und von Unterendingen sowie der Kirchenpfleger aufgeführt.
«Es war in der damaligen Zeit nicht untypisch, dass sich Amtsträger auf Glocken verewigen liessen», erklärt dazu Edith Hunziker. «Speziell erscheint hier aber das sehr schöne, prominente Wappen. Es bleibt jedoch ein Rätsel, weshalb die Glocke das Wappen der Escher vom Glas trägt. Denn Landvogt Escher gehörte zum Zweig der Escher vom Luchs, wie das Historische Lexikon der Schweiz (HLS) vermeldet. Was ist da schiefgelaufen? Hat der Giesser eine falsche Vorlage erhalten oder die Model verwechselt?»
Dass die Inschriften der Glocke bis jetzt noch nie genauer betrachtet worden sind, führt sie darauf zurück, dass Glocken wegen der Einwirkung des Klöppels von Zeit zu Zeit gedreht werden. Dadurch sind bei der grossen Glocke von 1794 einzelne der Inschriften heute etwas versteckt.
Anhand von schriftlichen Quellen zeigt Edith Hunziker auch die Geschichte der Glocke auf: vom Vertrag mit Glockengiesser Füssli bis hin zur Lieferung. «Kosten verursachte selbstredend auch der Transport des Geläuts nach Tegerfelden», schreibt sie. «So fielen in Zürich Trinkgelder für das Verladen an. Unterwegs entstanden Kosten für die Übernachtung in Dietikon mit 5 Mann und 4 Pferden. Bezahlt werden mussten sodann weitere Mahlzeiten und schliesslich die Zollgebühr in Wettingen. Total gut 21 Gulden.»
Um einiges älter als die Glocke in der reformierten Kirche ist diejenige in der Sebastianskapelle. Neben einer Fürbitte und dem Namen von Ulrich Roth aus Basel, der die Glocke 1664 gegossen hat, trägt sie das Wappen des Badener Geschlechts Schnorf, wobei die Initialen «IVS.V.D.GB» auf Johann Ulrich Schnorf, damals Untervogt der Grafschaft Baden, hinweisen.
Zwei Bände fürs Zurzibiet
Die Arbeit über die beiden Glocken wird Eingang in den neuesten Band der Reihe «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau» finden. Mit diesem Band, der 2024 erscheinen soll und der die Kunstdenkmäler des Aaretals, des Surbtals sowie des unteren Rheintals mit dem Kirchspiel Leuggern beschreibt, wird erstmals in dieser Reihe auch das Zurzibiet erfasst. Der zweite Band zum Bezirk Zurzach wird anschliessend die Kunstdenkmäler des Rheintals behandeln.