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Ihre Brutplätze und Nahrung nehmen ab, ihre Förderung ist komplex: Seltene Schleiereulen schlüpfen in Siglistorf

Das herzförmige Gesicht ist charakteristisch für die beliebte Schleiereule. Rund 200 bis 1000 Paare leben gemäss Schätzungen noch in der Schweiz. Umso grösser ist deshalb die Freude über Nachwuchs.

Stefanie Garcia Lainez
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Diese Jungeule ist in Siglistorf geschlüpft und unterdessen rund zehn Wochen alt.

Diese Jungeule ist in Siglistorf geschlüpft und unterdessen rund zehn Wochen alt.

zvg / Luzius Schneider

Zielsicher und gespenstisch-lautlos fliegt die Schleiereule durch die stockfinstere Nacht. Ihre Beute, vorwiegend Mäuse, ortet sie beim leisesten Geräusch nur mit ihrem Gehör. Der Vogel zählt mit seinem herzförmigen Gesicht zu den faszinierendsten Raubvögeln der Schweiz.

Doch seine Brutplätze und die Nahrung nehmen ab: Ihr Bestand wird in der Schweiz auf 200 bis 1000 Paare geschätzt – die Vogelart gilt als potenziell gefährdet. Nun sind erstmals beim «Bärihuus» an der Kruggasse in Siglistorf vier junge Schleiereulen geschlüpft.

«Das ist ein sehr erfreuliches Ereignis», sagt Martina Schybli von der Vogelwarte Sempach. Die Schleiereule sei nicht sehr häufig und zudem eine sehr schöne und beliebte Art, vor allem in der Landwirtschaft, da sie sich von Mäusen ernährt. «Die Schleiereule lebt in offenen Kulturlandschaften mit Hecken und Obstbäumen. Als Brutplätze wählt sie Gebäude, etwa Scheunen, alte Schöpfe, ruhige, verborgene Winkel in Ställen, Kirchtürmen, Schlössern oder Ruinen.»

Die Jungeulen warten, bis sie auf Jagd gehen können.

Die Jungeulen warten, bis sie auf Jagd gehen können.

zvg / Luzius Schneider

Die Schleiereule brütet auch in Nistkästen. Doch der Standort müsse gut gewählt sein, sagt sie. Empfehlenswert sei eine zum Kulturland hin gerichtete Stelle mit möglichst wenig Störungen. Dabei sollte man auf einen freien Anflug achten. Noch wichtiger sei, dass der Lebensraum und in der Folge auch die Verfügbarkeit der Nahrung in einem Umkreis von etwa 1,5 Kilometer um den Brutort passe.

«Mitten in der Stadt macht ein Nistkasten also wenig Sinn. Und in aufgeräumten Kulturlandschaften auch nicht unbedingt, da es hier für die Schleiereule schwieriger ist, ganzjährig genügend Nahrung zu finden.» Wer Schleiereulen eine gute Nahrungsgrundlage ermöglichen wolle, setze Massnahmen zur Förderung der Biodiversität um, wie Hecken, Säume und extensiv genutzte Wiesen, so Schybli.

In der Scheune des ehemaligen Bauernhauses fühlen sich die Eulen wohl

Gute Voraussetzungen dafür erfüllt das «Bärihuus» in Siglistorf. Seit über vier Jahren fördern die Grundeigentümer Theres und Philipp Germann-Tillmann zusammen mit Nachbarin Claudia Frisch und Gärtnermeisterin Ruth Jehring die Biodiversität rund um das frühere Bauernhaus am Dorfrand, rund 200 Meter von der Landwirtschaftszone entfernt.

In der Scheune in Siglistorf fühlen sich die Eulen wohl.

In der Scheune in Siglistorf fühlen sich die Eulen wohl.

zvg / Luzius Schneider

«Im kalten Dezember 2019, die Temperaturen waren im Minusbereich, hatte ich erstmals eine Schleiereule auf einem Balken unter dem Scheunendach mit seinem langen Vorsprung und den vielen Balkenlagen entdeckt», sagt Theres Germann. «Sie sass dort tagsüber wochenlang in starrer Position.»

Ein paar Monate später montierten die Germanns zusammen mit Willi Müller, dem ehemaligen Präsidenten des Natur- und Vogelschutzvereines Lengnau und Ornithologe, einen grossen Brutkasten. «In den darauffolgenden Wochen war die Eule verschwunden.» Vielleicht wegen der Tauben, die unter dem Dach ein Nest gebaut hatten, oder weil die Montage des Brutkastens zu lärmig war.

Ganz oben befindet sich die Kamera, welche die Raubvögel fotografisch festhält.

Ganz oben befindet sich die Kamera, welche die Raubvögel fotografisch festhält.

zvg / Luzius Schneider

«Willi Müller jedoch war zuversichtlich und meinte: ‹Die kommen schon wieder.› Und er sollte recht behalten.» Im Januar 2022, fast zwei Jahre später, inspizierte eine Schleiereule den Nistkasten und den Ort. Im Mai zog dann das Brutpaar ein. «Besonders wichtig ist es, dass die Schleiereulen tagsüber ungestört sind», sagt Theres Germann.

Auch Schwalben, Fledermäuse und Mauersegler finden hier ein Zuhause

Nebst den Schleiereulen wohnen noch zahlreiche weitere Gäste rund um das Haus. Vorne an der Hausmauer sind mehrere Nester für Mehlschwalben angebracht. Seitlich hängen Nistkästen für Mauersegler und an der Scheunenwand ein Fledermauskasten.

Ob die Schleiereule die Kamera entdeckt hat?

Ob die Schleiereule die Kamera entdeckt hat?

zvg / Luzius Schneider

Im Garten finden sich unter anderem ein Tümpel, zahlreiche Hecken wie Haselnusssträucher, Hagebuttesträucher und Korbweiden, auf der Pferdeweide hat es ein Insekten- und ein Wildbienen-Hotel, zwei Steinhaufen und eine Totholzbeige. Diese bieten Lebensräume für Blindschleichen, Igel, Eidechsen, Insekten und weitere Tiere.

«Unsere rund zehn Aren grosse Bauparzelle wollten wir nicht bebauen, da in Siglistorf rundum intensiv gebaut wird und viel Grünflächen und Bäume für verschiedene Tiere verloren gehen», sagt Theres Germann. Zudem werde in Siglistorf noch zu wenig auf artgerechte und einheimische Bepflanzung und Umgebung geachtet. So seien einige Steingärten entstanden, was das Gegenteil von Biodiversität darstelle.

Den Anstoss, auf ihrem eigenen Land die Biodiversität noch aktiver zu fördern, erhielten die Germanns 2017: Sie entdeckten in Schöfflisdorf eine kleine Bauparzelle, die der Natur- und Vogelschutzverein Wehntal pachtet und darauf eine sogenannte Biodiversitätsanlage erstellte. Mit einem Projektteam des Vereins setzten sie 150 Hecken auf ihrem eigenen Land und bereiteten die Grundlagen für die sogenannten Ruderalflächen vor. «Unterdessen haben wir über 30 Elemente auf rund 18 Aren Land.»