Caroline Rasser, Leiterin des Theaters Fauteuil am Spalenberg und Schauspielerin, plaudert aus unserem Nähkästchen. Über Gratwanderungen, New York und das politische Kabarett.
Über das Paradies. Viele Menschen assoziieren dieses Wort mit einem Ort, träumen von einem weissen Sandstrand unter Palmen. Bei mir ist das ein wenig anders.
Das Paradies hat für mich nicht zwingend mit einem ästhetischen Umfeld zu tun. Eher mit einem positiven Gefühlszustand, jenem des Glücks.
Absolute Entspannung. Harmonische Momente mit der Familie, insbesondere meiner 21-jährigen Tochter. Wir sind ein eingeschworenes Team.
Immer wieder in New York. Ich liebe schon alleine den einzigartigen Duft dieser Stadt, und die Power der Menschen, die dort wohnen. Auch deren Einstellung, dass sich alles erreichen lässt, wenn man es nur will. Und natürlich erlebe ich viele Momente des Glücks, wenn ich noch unbekannte Künstler entdecke – meist in kleineren Off-Broadway-Theatern. Solche Produktionen sind eine tolle Inspiration für mich und meine Arbeit.
In den kleinen Theatern erlebe ich immer wieder, wie im Schatten der räumlichen Not die Fantasie erblüht. Etwa bei den Bühnenbildern. Davon schneide ich mir jeweils ein grosses Stück für die eigenen Produktionen am Spalenberg ab. Auch, indem ich es den Theatern in New York gleichtue und unbekannte Künstler engagiere. Das ist zwar mit einem gewissen Risiko verbunden. Aber man muss an das Glück glauben.
Ein Privileg des Älterwerdens ist, dass ich entspannter bin. Dass ich nicht versuche, am Glück festzuhalten. Sondern es geniesse, wenn es da ist, es aber auch wieder ziehen lasse und durch unbequeme Phasen gehe. Denn ich weiss: Am Ende des Tunnels wartet wieder ein kleines Paradies. Humor und Selbstironie helfen in solchen Situationen am meisten.
Das politische Kabarett spielte im Fauteuil schon immer eine zentrale Rolle. Das Weltgeschehen lassen wir in verschiedene Produktionen einfliessen, auch in unsere Vorfasnachtsveranstaltung «Pfyfferli». Momentan arbeite ich am Konzept und der Dramaturgie der nächsten Ausgabe.
Auch. Aber nicht nur. Uns ist es wichtig, eine Balance im Programm zu finden, damit jeder das findet, wonach ihm ist. So ist die Comedy-Sparte von der Ernsthaftigkeit des Lebens und der Weltlage ziemlich befreit. Das Publikumsinteresse am politischen Kabarett ist aber mindestens so gross. Da gibt es zwar viel zu lachen, aber richtig gute Kabarettisten regen auch nachhaltig zum Denken an.
Ja, das sind Gratwanderungen für die ganz grossen Könner des Fachs. Gerade das Thema Religion bedarf heute einer grossen Achtsamkeit.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden technische Effekte bis zum Äussersten ausgereizt. Heute spüre ich einen Trend zur Reduktion auf der Bühne, der Schauspieler steht wieder im Zentrum. Das kommt mir im Fauteuil und im Tabourettli sehr entgegen.
Nein. Das Publikum sucht nach diesem direkten, fassbaren Erlebnis, dem Live-Moment, den ihnen das Fernsehen, der Computer oder das Smartphone nicht geben können. Dass sie sich 90 Minuten lang auf eine Darbietung konzentrieren, ohne die Möglichkeit zu haben, wegzuzappen.
Mit gewissen Künstlern pflegen wir jahrzehntelange Beziehungen. Sie kehren immer wieder auf unsere Bühnen zurück. Bei anderen dauert es. Gerhard Polt etwa haben wir über zehn Jahre immer wieder angefragt, bis er endlich hier auftrat. Das war ein paradiesischer Moment, als er auf unserer Bühne stand und lospolterte!
Den Liedermacher Konstantin Wecker: Mir schwebt ein kleines, sehr intimes Konzert im Tabourettli vor. Das wird wahrscheinlich nie zustande kommen. Aber träumen darf man ja noch.