Rechte von Primaten und Politikern

Finanzkontrolle prüft, ob Grossräte mit Staatsgeld gegen die Primateninitiative Beschwerde erheben durften.

Christian Mensch
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Rechtsunsicherheit herrscht für nichtmenschliche wie für menschliche Primaten.

Rechtsunsicherheit herrscht für nichtmenschliche wie für menschliche Primaten.

Bild: R. Schmid (12.9.2018)

Nichtmenschliche Primaten sollen beschränkte Grundrechte auf körperliche und seelische Unversehrtheit erhalten. Dies fordert eine kantonale Verfassungsinitiative der Organisation Sentience Politics. Eine Annahme der Initiative hätte zwar mehr Signalwirkung als effektive Folgen für die rund 300 betroffenen Primaten auf Kantonsgebiet. Doch die Vorgeschichte zeigt, dass nicht nur die Rechte von nichtmenschlichen Primaten juristisch heikles Terrain sind, sondern auch die Rechte von gewählten Politikern.

Geht es nach der Mehrheit des Grossen Rates, sollte die Vorlage nicht zur Abstimmung kommen; sie erklärte die Initiative für ungültig. Auf Beschwerde der Initianten entschied das Appellationsgericht anders und erkannte auf rechtsgültig. Stellvertretend für den Grossen Rat beschloss das Büro daraufhin, das Bundesgericht anzurufen, um die Rechtmässigkeit abschliessend zu klären.

Sechs von sieben Büromitgliedern reichten als Privatpersonen beim obersten Gericht Beschwerde ein, abseits blieb lediglich Michelle Lachenmeier (Grüne). Bezahlt haben sie die Anwalts- und Gerichtskosten mit Staatsgeld, wie die «Basler Zeitung» zuerst berichtete.

Die Zahlung wird nun unter die Lupe genommen. Daniel Dubois, Leiter der Finanzkon­trolle, sagt auf Anfrage, jede Staatsausgabe brauche eine Rechtsgrundlage. Ob die Finanzierung der Beschwerde durch die Grossräte, die als Privatpersonen aufgetreten sind, eine Gesetzesgrundlage habe und damit rechtmässig gewesen sei, soll überprüft werden. Die Finanzkontrolle habe deshalb beim Parlamentsdienst den Beschluss des Grossratsbüros in dieser Angelegenheit verlangt.

Die Finanzierung war nicht offengelegt

Dass es einen solchen formellen Beschluss gibt, bestätigt Beat Flury, Leiter der Parlamentsdienste. Dieser sei jedoch vertraulich. Salome Hofer, Grossratspräsidentin und eine der Beschwerdeführerinnen, verweist auf ein Protokoll des Grossen Rats vom Februar 2019, in dem das Vorgehen transparent gemacht worden sei: «Das Ratsbüro habe entschieden, dass anstelle des Grossen Rates, der höchstwahrscheinlich nicht beschwerdeberechtigt wäre, sechs seiner Mitglieder Beschwerde an das Bundesgericht erheben werden.» Von der Kostenübernahme ist darin allerdings nicht die Rede.

Für den Ausgang des Verfahrens vor Bundesgericht war die Legitimation der Beschwerdeführer unerheblich. Die Bundesrichter wollten in der Sache entscheiden und haben dafür sogar eine öffentliche Verhandlung anberaumt; sie wiesen die Beschwerden der Grossräte ab und erklärten die Initiative, wie zuvor das Basler Appellationsgericht, für konform mit Bundesrecht und damit für gültig.

Die Legitimation der Beschwerdeführer wie deren Finanzierung prüften die Richter nur oberflächlich. Dass sie sich überhaupt damit befassten, lag an den Initianten. Diese hatten in ihrer Beschwerdeantwort darauf hingewiesen, dass die Basler Politiker als Behördenmitglieder handelten, eine Behördenbeschwerde sei jedoch nicht zulässig. Es sei zudem davon auszugehen, dass sie mit den Mitteln des Kantons finanziert wurde, «was den Charakter als – unzulässige – Behördenbeschwerde weiter verdeutlicht».

Die Richter gingen auf den Vorbehalt ein, erklärten jedoch, es sei kein Hinweis ersichtlich, wonach die Basler Beschwerdeführer «keinen eigenen Beschwerdewillen» hätten. Zudem wäre es «wenig wahrscheinlich» und «nach kantonalem Recht möglicherweise gar nicht zulässig», spekulierten die Bundesrichter, würden die Beschwerdeführer vom Kanton finanziert oder mitfinanziert. Genau dies war jedoch der Fall.

Rechtsprofessor Felix Uhlmann, der die Basler vor Bundesgericht vertreten hat, sagt, es sei nicht ungewöhnlich, dass Einzelpersonen als Beschwerdeführer vorgeschickt werden, diese die Interessen etwa von Verbänden vertreten würden, deren Beschwerdeberechtigung fraglich ist. Für Salome Hofer wiederum ist klar, dass das Parlamentsbüro für die Durchsetzung der Interessen im Sinne des Grossen Rats auf ein vorhandenes Budget zurückgreifen konnte. Ob dies korrekt war, prüft nun die Finanzkontrolle.

Wann ist ein Politiker ein Privatkläger?

Rechtsprofessor Markus Schefer macht – wie die Initianten – einen grundsätzlichen Vorbehalt: Für den Staatsrechtsprofessor stellt sich nicht die Frage nach der Legitimität der privatklagenden Politiker. Er verneint jedoch, dass das Büro den Beschluss fassen durfte, eine Beschwerde führen zu lassen und entsprechend zu finanzieren. Es sei nicht Aufgabe des Büros, eine solche Beschwerde einzureichen. Eine Stimmrechtsbeschwerde stehe zwar jedem einzelnen Stimmberechtigten frei, doch das Parlament sei eben gerade nicht «stimmberechtigt», sondern vielmehr selbst von den Stimmberechtigten gewählt.

Die Begründung, es sei lediglich darum gegangen, zu prüfen, ob mit der Initiative nicht Bundesrecht verletzt werde, sei ebenfalls nicht stichhaltig, meint Schefer. Schliesslich werde jede kantonale Verfassungsänderung von der Bundesversammlung auf ihre Vereinbarkeit mit Bundesrecht überprüft. Der Bundesrat stelle dazu einen Antrag, der vom Bundesamt für Justiz vorbereitet werde.

Wann die Initiative zur Abstimmung kommen wird, ist völlig offen. Nachdem nun die Frage der Rechtsgültigkeit geklärt ist, hat der Grosse Rat das Geschäft der Regierung überwiesen, die nun einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten hat. Fortsetzung folgt.